Oberhausen. Lieferdienste sind in Corona-Zeiten gefragt. Der Lions Club Oberhausen kutschierte mit eigener Muskelkraft ein gefragtes Produkt bis zur Haustür.
Die Weihnachtsetikette schmückt viele Bräuche und bekanntermaßen auch einige Aufreger. Der Weihnachtsbaum hat sich mancherorts zu einem glänzenden Politikum entwickelt, bei dem die lieben Verwandten seit Generationen die Jury spielen: Nordmanntanne oder Blautanne? Welcher Schmuck? Welche Größe? Und warum ist der Baum überhaupt so krumm?
In diesem Jahr wird wegen der Corona-Krise alles anders. Eine große Weihnachtsbaum-Jury aus der Verwandtschaft kann es nicht geben. Und auch der Lions Club Oberhausen musste mit einer liebgewonnenen Tradition brechen. Der Weihnachtsbaumverkauf mit dampfenden Glühwein-Tassen, den warmen Waffeln, einem vorweihnachtlich singenden Kinderchor und viel Geselligkeit fiel aus. Auf die stets für den guten Zweck verkauften Tannenbäume mussten Kunden trotzdem nicht verzichten. Denn: Die Lions lieferten.
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Dafür lassen die Mitglieder auf dem Betriebshof der Bedachung-Zimmerei Schmitz im Eisenhammer zunächst selbst die Muskeln spielen. 622 Tannenbäume sind gebucht worden. Und wie von der Geisterhand der Weihnacht lassen sich die Bäume natürlich nicht auf 26 Transportfahrzeuge befördern. Mehrere Stunden heißt es in mehreren Schichten samt Corona-Abständen deshalb: Bäume verladen – Nadel um Nadel um Nadel.
Weihnachtsbäume rollen bis nach Alpen
„Es schmerzt natürlich, dass wir unseren Weihnachtsbaumverkauf nicht in gewohnter Form veranstalten können“, sagt Uwe Eichner von den Lions-Organisatoren. „Umso mehr freut es uns, dass sich so viele die Weihnachtsbäume liefern lassen wollen. Das zeigt deutlich die große Verbundenheit.“
Schließlich wird das eingenommene Geld woanders gebraucht. Nach Abzug der Einkaufskosten spendet der Lions Club Oberhausen den Erlös an das Hospiz Oberhausen. „Wir rechnen mit knapp 10.000 Euro“, sagt Marc Schmitz. Die Lions schrieben die Interessenten vorher an. Und es meldeten sich Liefer-Baum-Liebhaber auch von selbst. Die Nachfrage in diesem Jahr war – passend zum bundesweiten Trend – sogar besonders groß.
In jeden Transport-Bus passen rund 20 Bäume. Die Auslieferung erfolgt in doppelten Touren. Und ein hastiger Blick auf die Vorlieben der Oberhausener bestätigt eine längst gefestigte Mode: Die Nordmanntanne ist der Platzhirsch im Weihnachtswald der Wohnzimmer.
Die Blautanne nimmt bei der Nachfrage zwar die klare Außenseiterrolle ein, aber Dr. Stephan Schmid fügt hinzu: „Einige Bestellungen sind natürlich wieder dabei.“
Dass längst nicht nur Oberhausener eine Lions-Tanne haben wollen, ist der kniffligste Punkt für die Bäume auf Rädern. „Die Auftraggeber werden zunächst im Stadtgebiet nach Postleitzahlen geordnet. Hinzu kommen die auswärtigen Fahrten, bei denen eine weitere Distanz zurückgelegt wird“, erklärt Uwe Eichner die Routen-Organisation. Ein Weihnachtsbaum rollt von Oberhausen dabei besonders weit – bis nach Alpen. Buchungen aus Hünxe oder dem Essener Süden sind ebenfalls dabei.
Größte Nordmanntanne misst 3,50 Meter
Gewachsen sind die Tannenbäume freilich nicht am heimischen Rhein-Herne-Kanal. Mit einem Züchter aus Neuenrade im Sauerland halten die Lions gute Kontakte. Lange Liegezeiten gibt es nicht. „Die Bäume werden vor ihrem Weg nach Oberhausen frisch geschlagen“, sagt Marc Schmitz.
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Und Baum ist natürlich nicht gleich Baum. Von einem knappen Meter bis zu 3,50 Meter reichen die Größenverhältnisse. Von der prunkvollen Eingangshalle bis zum kleinen Wohnzimmer müssen hinterher schließlich unterschiedliche Zielorte bedient werden. Die kleinste Blautanne kostet 14 Euro und die größte Nordmanntanne 59 Euro.
Mit dem Lieferdienst für Weihnachtsbäume wollten die Oberhausener Lions eine neue Idee umsetzen. Die Jahresplanung für 2021 bleibt angesichts der Pandemie dagegen vage. Die sonst 14-tägig stattfindenden Zusammenkünfte liegen derzeit auf Eis. Nur zwei Live-Treffen waren in diesem Jahr möglich. Eine Mitgliederversammlung organisierte der Club durch eine große Video-Konferenz über das Internet.
Lions Club: „Gemeinschaftsgefühl gestärkt“
Die vorweihnachtliche Lieferaktion habe in komplizierten Zeiten aber nicht nur dem guten Zweck geholfen, sondern auch innerhalb des Clubs Spuren hinterlassen. „Während der Corona-Pandemie ist dadurch das gemeinschaftliche Gefühl gestärkt worden“, hat Uwe Eichner beobachtet. „Alle haben angepackt, damit die Weihnachtsbäume ausgeliefert werden konnten.“
Weihnachtsbaum-Verkauf zum 19. Mal
Der Weihnachtsbaum-Verkauf des Lions Clubs Oberhausen hat eine längere Tradition. Seit 19 Jahren werden die Tannenbäume geschlagen und für einen wechselnden guten Zweck durch die Lions-Mitglieder verkauft.
Die Preise für die Tannenbäume haben die Initiatoren über die Jahre recht stabil gehalten. In diesem Jahr kostete der günstigste Baum 14 Euro. Für den Lieferservice konnten Interessenten vorab kontaktlos per E-Mail, Brief und Fax bestellen. Bezahlt wurde coronagerecht bargeldlos per Überweisung.
Bleibt eigentlich nur noch die Frage nach Tannenbäumen mit möglicher Schieflage. Anders als in den Vorjahren konnten die Kunden ihr Lieblingsgeäst nicht persönlich begutachten. Da der genormte Wind im Sauerland aber bekanntlich für kerzengrade Verhältnisse sorgen soll, sind sich die Initiatoren sicher, dass sich das Risiko auf krumme Bäume in Grenzen hält.
Falls doch nicht, hatten die Macher den Interessenten im vorab verschickten Bestellbogen schon das passende Trostpflaster geschrieben: „Passt ein schräger Baum nicht in diese schräge Zeit? An einen Baum mit Charakter würden Sie sich in jedem Fall lange erinnern. Schöne Bäume werden schnell vergessen.“