Oberhausen. Die Kriegerskulptur in Biefang und der Adlerfelsen in Holten wurden von Unbekannten mit Farbe attackiert. 2019 traf es das Ehrenmal im Ruhrpark.
Im Herbst vorigen Jahres war es das Ehrenmal im Alstadener Ruhrpark, das mit reichlich roter Farbe beschmiert wurde. Damals hatten Jusos und Linke für den Abriss der Gedenkstätte plädiert, weil sie einen „Kultort für Neonazis“ befürchteten . Im gleichen „Stil“ großflächigen Farbauftrags sind nun die Ehrenmale für gefallene Soldaten in Biefang am Rathenauplatz und am Kastell in Holten von unbekannten Tätern besudelt worden.
Ute Weyen von der um das Ortsbild des Stadtteils Biefang besorgten BIG hat Anzeige bei der Polizei gestellt und bittet Zeugen um Hinweise. Auf den Sockel des Ehrenmals schrieben die Unbekannten: „Täter sind keine Opfer“. Am Kastell Holten traf die rote Farbe sowohl den von einem Adler gekrönten Gedenkstein als auch die dahinter aufgebauten Tafeln mit den Namen der gefallenen Soldaten beider Weltkriege. Übertüncht ist so der Text auf der Bronzetafel: „Den Gefallenen zum Gedächtnis – Den Lebenden zur Erinnerung“.
Das historische Gedächtnis der sich antifaschistisch gerierenden Ehrenmal-Attackierer ist jedenfalls kurz. Denn „Nazi-Ästhetik“, wie sie die Linken während der Debatte des vorigen Herbstes dem Alstadener Ehrenmal vorgehalten hatten, zeichnet keines dieser Werke aus – es sei denn das zeittypische Pathos im frühen 20. Jahrhundert wäre insgesamt „nazistisch“ (selbst vor 1933).
Pose kopiert den 2200 Jahre alten „sterbenden Gallier“
Dem Bildhauer des Biefanger Ehrenmals ließe sich eher schlechter Plagiarismus vorwerfen: Denn die Skulptur eines sterbenden Kriegers mit Kurzschwert entspricht in ihrer Pose exakt dem vor und 2200 Jahren (damals in Marmor) gemeißelten „sterbenden Gallier“ aus Pergamon. Eine antike römische Kopie dieser perfekt realistischen Skulptur bewahren bis heute die Kapitolinischen Museen in Rom . Seit dem 19. Jahrhundert (und nicht erst unter dem Faschismus) war dieser „Gallier“ ein europaweit bewundertes Werk der Bildhauerkunst – und machte Karriere bis hin zu kleinformatigen Kopien für den bildungsbürgerlichen Schreibtisch.
Verweisen sollte man auch auf den Namen des Tatortes: „Rathenauplatz“, benannt nach dem im Juni 1922 von Rechtsradikalen ermordeten Reichsaußenminister Walther Rathenau aus liberaler jüdischer Familie. Sein Andenken allerdings scheint Sprühdosen-Aktivisten nicht weiter zu interessieren. Auch das Holtener Ehrenmal stammt aus der Zeit vor der NS-Diktatur. Das zentrale Element des „Adlerfelsens“ trägt die Inschrift „Anno 1905“, entstand also wohl für die Soldaten des preußisch-französischen Krieges von 1870/71.
Clemens Heinrichs, der Leiter der Gedenkhalle, nannte in einem WAZ-Gespräch zur Gedenkkultur am Anfang dieses Jahres den Volkstrauertag „unseren komplexesten Gedenktag“: Jährlich im November (mit der coronabedingten Ausnahme 2020) begleiten uniformierte Soldaten und Reservisten das Zeremoniell der Kranzniederlegung. „Wir haben eine schwierige Geschichte“, sagte Heinrichs. „Das ist nicht zu glätten – aber das muss man aushalten.“