Oberhausen. In seiner ersten Rede in seiner zweiten Amtszeit hat der Oberhausener Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) alle Ratspolitiker ermahnt.
Dieser Montag geht in die Oberhausener Stadtgeschichte ein: Zum ersten Mal konstituiert sich der neue Stadtrat mit acht Parteien und Wählergemeinschaften – so viel wie nie zuvor, zum ersten Mal zieht mit der AfD eine ziemlich rechte Partei ins Kommunalparlament ein, zum ersten Mal legt der Rat aus Corona-Schutzgründen die Fundamente seiner Arbeit bis 2025 im großen Saal der Stadthalle – und selten zuvor hat sich der Rat mit mehr als der Hälfte frischer Ratsmitglieder so kräftig erneuert.
Seine zweite Amtseinführung nutzte Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) deshalb, um alle 58 Ratsmitglieder an ihre Pflichten, an ihre Verantwortung und an ihre demokratischen Werte zu erinnern. Er mahnte alle Ratspolitiker eindringlich, zwar über den besten Weg für Oberhausen sachorientiert zu diskutieren, dabei aber den Stil zu wahren und Anstand wie Respekt hochzuhalten. „Es kommt auch bei uns darauf an, dass wir Populismus und Scharfmacherei, die nur spalten und die Stimmung vergiften, keinen Platz einräumen. Die Feinde der Demokratie möchten Provokation, Skandal und Chaos. Dem müssen wir Besonnenheit, Sachlichkeit und Kompromissbereitschaft entgegensetzen, darum bitte ich Sie alle herzlich!“
Niedrigste Wahlbeteiligung seit 1948
Nach dem amtlichen Wahlergebnis der Ratswahl am 13. September 2020 in Oberhausen kam die CDU auf 32,8 Prozent (19 Sitze), die SPD auf 31,7 Prozent (19 Sitze), die Grünen auf 14,4 Prozent (8 Sitze), die AfD auf 7,6 Prozent (4 Sitze), die Linke auf 5,1 Prozent (3 Sitze), die FDP auf 3,0 Prozent (2 Sitze), die BOB auf 2,9 Prozent (2 Sitze) und die OfB auf 1,8 Prozent (1 Sitz) der Stimmen. Alle übrigen Parteien erzielten zu geringe Stimmenanteile für einen Sitz im Rat.
Bei der Ratswahl lag die Wahlbeteiligung bei 41,9 Prozent von 159.510 Wahlberechtigten in Oberhausen – damit gingen knapp 92.700 Bürger nicht zur Wahl. Das war die niedrigste Wahlbeteiligung von allen Ratswahlen seit 1948. Bei der Stichwahl zwischen den Oberbürgermeister-Kandidaten Daniel Schranz und Thorsten Berg am 27. September 2020 malten sogar nur 29 Prozent der Wähler ihr Kreuz auf den Wahlzettel.
Mit Blick auf die USA betonte das Stadtoberhaupt, wesentlich für die Demokratie sei es, demokratische Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren und den Kompromiss als Wesensmerkmal von Politik nicht verächtlich zu machen. „Demokratie kann nur gelingen, wenn sie gelebt wird. Auch bei uns im Rat geht es um demokratische Werte – etwa um Anstand, Redlichkeit, Wertschätzung. Und es geht um die Tradition, auf die wir als Stadt immer stolz gewesen sind: die Tradition, dass Stadtspitze, Rat und alle wichtigen Vertreter der Stadtgesellschaft konsequent für Demokratie und Toleranz und gegen Extremismus und Gewalt eingetreten sind“, hob Daniel Schranz hervor. Seine Rede wurde mehrmals von Applaus der Ratspolitiker begleitet, nur die vierköpfige AfD-Fraktion hielt sich zurück.
Der 46-jährige Christdemokrat Schranz ist bei der Stichwahl gegen SPD-Herausforderer Thorsten Berg am 27. September mit 62,1 Prozent von den Wählern bis Herbst 2025 zum zweiten Mal in das höchste Amt der Stadt gewählt worden.
Demonstration vor der Ratssitzung gegen die AfD
Vor der Ratssitzung hatten Demonstranten gegen die AfD protestiert und die vier gewählten AfD-Politiker als „Vertreter einer rassistischen Partei“ bezeichnet. Die Bündnisse „Willkommen in Oberhausen“ (WiO) sowie „Es reicht! – Oberhausen solidarisch gegen Rechts“ riefen zu dieser Demo auf und verlangen von den anderen Parteien im Rat, jegliche Zusammenarbeit und gemeinsame Abstimmung mit der AfD abzulehnen.
Im Saal selbst kam es noch vor der Rede des Oberbürgermeisters zu einem kleinen Geplänkel zwischen AfD-Politikern und linken Zuschauern. AfD-Fraktionschef Wolfgang Kempkes beschwerte sich über Belästigungen durch Demonstranten am Eingang, bemängelte ein fehlendes Sicherheitskonzept zum Schutz der AfD und und kritisierte ein Antifa-T-Shirt eines Bürgers im Saal. Von der Zuschauertribüne versuchten Besucher, die Worte von Kempkes mit Trillerpfeifen und Buhrufen zu stören. Schranz wies strikt darauf hin, dass Beifalls- und Unmutsäußerungen von Zuschauern im Rat verboten sind. Keine Regelung existiere aber zur Art der Bekleidung im Stadtrat – im Gegensatz zum Bundestag. Die Zuschauer verhielten sich danach erst einmal ruhig, das Antifa-T-Shirt blieb an.
Trotz der gefährlich fortschreitenden Corona-Pandemie ist es der Stadt nicht möglich gewesen, die konstituierende Ratssitzung nur virtuell per Videoschalte zu veranstalten. Die Kommunalgesetze des Landes verpflichten die Räte, ihre Sitzungen vor allem aus Transparenzgründen öffentlich und vor Ort mit Live-Begegnungen abzuhalten. Deshalb verlagert die Stadt die Ratssitzungen in den großen Saal Berlin der Luise-Albertz-Stadthalle an der Düppelstraße.
Schranz: Städte sind die Keimzellen der Demokratie
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Schranz sieht eine der Hauptaufgaben der Ratsmitglieder darin, der ausbreitenden Politikverdrossenheit in der Stadt zu begegnen: Fast 60 Prozent der wahlberechtigten Oberhausener haben die Kommunalwahl ignoriert . „Aus eigener Erfahrung kann ich Sie nur ermuntern, dazu den direkten Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern zu suchen. Dies ist der beste Weg – nicht nur um konkrete Politik für die Menschen zu machen, sondern auch um Vertrauen zu gewinnen.“ Die Städte seien die Keimzellen der Demokratie. „Wer dort Verantwortung übernimmt, wird erkannt – auf dem Marktplatz oder beim Einkaufen. Wird angesprochen und mit den Herausforderungen vor Ort konfrontiert. In der Kommunalpolitik gibt es eben kein Wegducken.“