Oberhausen. Bürger können im 565-seitigen Haushaltsplan der Stadt nachschauen, wie viel Geld Fraktionen und Gruppen kosten. Wir haben den Plan ausgewertet.

Sie sollen zum Wohl der Stadtbevölkerung die Stadtverwaltung kontrollieren und deren Vorschläge prüfen, verbessern und am Ende beschließen oder ablehnen: Die von den Bürgern einer Kommune als ihre Vertreter gewählten Politiker. Sie arbeiten ehrenamtlich gegen eine relativ kleine persönliche Aufwandsentschädigung von ein paar hundert Euro im Monat im Stadtrat.

Strukturell liegen die Ratspolitiker im Vergleich zu den hauptamtlichen Bediensteten im Rathaus deutlich im Hintertreffen: In Oberhausen entscheiden 60 gewählte Politiker in ihrer Freizeit über die Weichenstellungen in der Stadt, gegenüber sitzen 2500 Profis in der Stadtverwaltung.

Damit sie ihre Arbeit überhaupt erledigen können, gewährt ihnen die NRW-Gemeindeordnung je nach Größe der Fraktion (ab drei Ratspolitiker) oder Gruppe (zwei) ein Etat für Personal- und Sachkosten. Damit können sie Referenten und Sekretärinnen beschäftigen, erhalten ein Büro mit IT-Ausrüstung und Telefonen. Diese recherchieren Informationen, organisieren die Ratsgeschäfte, halten Kontakt zu Bürgern.

Im Haushaltsplan für 2019 ist auf den Seiten 477 bis 479 aufgeführt, wie teuer die Fraktionen und Gruppen im Rat für die Steuerzahler sind – ohne die Entschädigungen für jeden einzelnen Ratspolitiker (395 Euro im Monat plus 20,30 Euro je Sitzung). Die Fraktionschefs der großen Fraktionen erhalten zusätzlich rund 1500 Euro im Monat, die beiden Fraktionsvize je 750 Euro – weil sie noch mehr Aufgaben schultern.

178.000 Euro für fünfköpfige Ratsfraktionen

Laut Haushaltsplan hat die SPD-Fraktion (23 Ratsmitglieder) in diesem Jahr über 361.000 Euro für ihre Personal- und Sachkosten zur Verfügung – und als geldwerte Leistungen knapp 38.000 Euro für Räume, Telefon und Nebenkosten. Bei der CDU-Fraktion (20 Ratsmitglieder) sind es über 318.000 Euro und knapp 25.000 Euro. Beide Fraktionen sitzen im Rathaus – genauso wie die zweiköpfige „BOB im Rat“ und die FDP. Die Linken, die Grünen und die neue Gruppe „Offen für Bürger“ zahlen ihre Mieten für Räume außerhalb des Rathauses aus ihren Geldleistungen. Diese belaufen sich jeweils für die Grünen (fünf) und die Linken (fünf) auf über 178.000 Euro.

Anfang 2014, kurz vor der Kommunalwahl, gründet sich das „Bündnis Oberhausener Bürger“ (BOB), errang fünf Ratssitze - und zerfiel dann in drei Bestandteile.
Anfang 2014, kurz vor der Kommunalwahl, gründet sich das „Bündnis Oberhausener Bürger“ (BOB), errang fünf Ratssitze - und zerfiel dann in drei Bestandteile. © WAZ FotoPool | Kerstin Bögeholz

Obwohl das einst fünfköpfige „Bündnis Oberhausener Bürger“ (BOB) nun nur noch aus zwei Personen als Gruppe besteht, bekommen sie noch über 127.000 Euro für Personal- und Sachkosten. Hinzu kommt der geldwerte Vorteil von fast 14.000 Euro für die Räume. 2015, im letzten Jahr der gemeinsamen Arbeit der fünf Wählergemeinschafts-Politiker, waren es 151.000 Euro plus 15.000 Euro für Räume.

Die ebenfalls zweiköpfige FDP erhält 127.000 Euro, aber der geldwerte Raumvorteil beträgt nur 8700 Euro. Die zweiköpfige neue Gruppe „Offen für Bürger“ (OfB) von Werner Nowak und Albert Karschti ist mit über 132.000 Euro dabei. Einzelkämpferin Andrea-Cora Walther (Bürgerliste) erhält nur 2700 Euro im Jahr fürs Büro.

Die Mehrkosten für die Zersplitterung von „Bündnis Oberhausener Bürger“ (BOB) lassen sich also genau berechnen: Zwei Gruppen plus Einzelkämpferin kosten rund 276.000 Euro, die fünfköpfige BOB-Fraktion früher erhielt 166.000 Euro im Jahre 2015 – macht: 110.000 Euro.

Warum erhalten Ratsgruppen so viel Geld?

Doch warum erhalten Gruppen im Vergleich zu kleinen Fraktionen so viel Geld? Die FDP hatte bei der Kommunalwahl 2014 einen Ratssitz verloren – und war damit nur noch eine Gruppe. Gruppen erhielten bis dahin nur zwei Drittel der Personal- und Sachkosten von Fraktionen. In Verhandlungen mit der SPD und den Grünen zur Ampelkoalition gelang es der FDP, die Quote von 66 auf 80 Prozent zu erhöhen. „Das ist auch gerechtfertigt“, ist FDP-Fraktionsgeschäftsführerin Regina Boos auch heute überzeugt, „weil die Gruppe ähnlich viel Arbeit hat wie eine dreiköpfige Fraktion.“ Der deutliche Abschlag sei nicht gerechtfertigt gewesen, im Übrigen habe damals der Regelung auf Antrag von SPD und Grünen auch die BOB-Fraktion zugestimmt.

Aus der Gemeindeordnung

Die Gemeindeordnung des Landes NRW regelt im §56 Absatz 3: „Die Gemeinde gewährt den Fraktionen und Gruppen aus Haushaltsmitteln Zuwendungen zu den sächlichen und personellen Aufwendungen für die Geschäftsführung.“

„Über die Verwendung der Zuwendungen ist ein Nachweis in einfacher Form zu führen, der unmittelbar dem Bürgermeister zuzuleiten ist. Eine Gruppe erhält mindestens eine proportionale Ausstattung, die zwei Dritteln der Zuwendungen entspricht, die die kleinste Fraktion erhalten würde.“

Die anderen Ratsgruppen können damit nach Ansicht von „Offen für Bürger“ eigentlich nichts dafür, dass sie relativ üppig ausgestattet werden. „Dass wir als Ratsgruppe nun Gruppenmittel erhalten, die für die FDP erhöht wurden, ist eine Folge der Initiative der Koalition“, stellt „Offen für Bürger“-Ratsherr Albert Karschti in einer Stellungnahme klar. Im Übrigen sei „Demokratie ist ein hohes Gut“ und Meinungsvielfalt wie politische Wahlmöglichkeiten notwendiger denn je.