Oberhausen. Nach fünfstündiger Prozessdauer und einer ausführlichen Beweisaufnahme erfolgte vor dem Schöffengericht der Freispruch für zwei Angeklagte.

Harte juristische Arbeit hatte das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Marc Voosen jetzt im Falle von zwei Angeklagten zu leisten. Die beiden Männer, 37 und 35 Jahre alt, standen wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht. Doch nach rund fünfstündiger Verhandlung plädierte nicht nur die Verteidigung, sondern auch die Staatsanwaltschaft für Freispruch, weil keinem der beiden Angeklagten die Tat, zu der es am 5. April 2018 an der Vestischen Straße in Oberhausen-Osterfeld kam, nachzuweisen war.

Dort wurde an jenem Tag gegen 16.30 Uhr ein heute 54-jähriger Mann vermutlich mit einer Eisenstange von hinten am Kopf getroffen. Der Mann wurde ohnmächtig, stürzte ungebremst auf den Boden, erlitt Frakturen am Kopf und eine Hirnschwellung, er kam per Rettungswagen ins Krankenhaus – die Verletzungen führten dazu, dass er tagelang zur stationären Behandlung im Krankenhaus lag und nach eigenen Angaben noch immer krankgeschrieben ist und auch psychisch unter den Folgen der Tat leidet.

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Das Opfer der Gewalttat konnte allerdings vor Gericht nicht sagen, von welchem der beiden Angeklagten die Attacke mit der Eisenstange ausgegangen war. Auch die Aussage seiner Mutter (74) lieferte dem Schöffengericht keine verwertbaren Hinweise, welcher der beiden nicht vorbelasteten Männer libanesischer Abstammung wegen des Angriffs zu verurteilen sei. Hinzu kam, dass die Aussagen des Opfers und der Mutter – trotz größten Bemühens und genauer Nachfragen des Gerichts – in entscheidenden Punkten oft unpräzise und unkonzentriert ausfielen – eine stundenlange Beweisaufnahme, die sichtbar an den Nerven aller Beteiligten knabberte.

Sachverständiger äußert sich

Vor dem Schöffengericht äußerte sich auch ein medizinischer Sachverständiger ausführlich zu der Tat. Er sei sicher, dass es nur einen einzigen Schlag gegen den 54-Jährigen gegeben habe, so der Arzt für Rechtsmedizin.

Insofern konnte das Schöffengericht den beiden Angeklagten auch keine Verabredung zur Tat oder einen gemeinsamen Tatplan nachweisen.

Die Nebenklage forderte gleichwohl in ihrem Plädoyer, die beiden Angeklagten „angemessen zu verurteilen“.

Doch damit nicht genug: „Wir haben es hier mit einem schon längere Zeit schwelenden Konflikt zwischen den beiden beteiligten Parteien zu tun“, sagte Richter Voosen, denn: Das Tatgeschehen spielte sich im Bereich eines Mehrfamilienhauses an der Vestischen Straße ab, in dem zum Tatzeitpunkt die Eltern des 54-Jährigen wohnten. An jenem Tag hatte er seine Eltern kurz besucht und war dabei, zu seinem Auto zu gehen, als es zu der Eisenstangen-Attacke kam. Die beiden jetzt Angeklagten befanden sich an jenem 5. April 2018 ebenfalls in dem Haus, um Renovierungsarbeiten durchzuführen und waren dem 54-Jährigen auf die Straße gefolgt, wo der Angriff etwa einem Meter von dessen Auto entfernt stattfand. Der Angegriffene soll in jenem Moment versucht haben, seinen Hund zu schützen. Als er das Tier ins Auto heben wollte, sei die Tat von hinten erfolgt, so dass der 54-Jährige den konkreten Täter nicht sah und nun nicht benennen konnte.

Vorwürfe des Tatopfers

Bei all dem spielt wohl auch eine wichtige Rolle, dass die Ex-Frau des 54-Jährigen das Wohnhaus, an dem es zu der Attacke kam und das die Familie des Angegriffenen Ende der 1980er Jahre gekauft hatte, an den älteren der beiden Angeklagten verkauft hat. Von diesem Zeitpunkt an habe es immer wieder Schikanen und diverse Vorfälle gegeben, offenbar um die Eltern mit solchem Druck zum Auszug aus dem Haus zu bewegen, so jedenfalls der Vorwurf des Tatopfers.

Eine komplizierte Geschichte also, wobei es im Kern für das Gericht in der stundenlangen Beweisaufnahme stets darum ging, ob einem der beiden Angeklagten die Eisenstangen-Attacke persönlich nachgewiesen werden könne. Das war nicht der Fall, wie auch die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer einräumte. „Der Grundsatz lautet ,In dubio pro reo’ – Im Zweifel für den Angeklagten“, unterstrich der Staatsanwalt. „Wir können nicht feststellen, wer von den Beiden den Schlag mit der Eisenstange ausgeführt hat.“ Das sah auch das Schöffengericht so. Richter Marc Voosen räumte ein, dass dies für Prozessbeobachter möglicherweise „ein unbefriedigendes Ergebnis“ sei, aber genau dies – den Freispruch – sehe die Rechtsordnung bei einer solchen Beweislage vor.