Oberhausen. Im Corona-Jahr 2020 wurden deutlich weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen als 2019. Experten sind in Sorge, Arbeitsagentur will gegensteuern.

Weniger junge Menschen bewerben sich um einen Ausbildungsplatz und die Zahl der ohnehin knappen Lehrstellen sinkt ebenfalls erneut: Auf dem Ausbildungsmarkt in Oberhausen sieht es seit Jahren nicht rosig aus. Und die anhaltende Corona-Pandemie verschärft die Situation zusätzlich.

So meldet etwa die Industrie- und Handelskammer (IHK) für dieses Jahr einen enormen Rückgang an abgeschlossenen Lehrverträgen. Gut 480 gab es zum Stichtag am 31. Oktober 2020. Im Jahr zuvor waren es 640 – ein Minus von rund 25 Prozent. Der Rückgang fiele sehr viel deutlicher aus als in den Nachbarstädten Essen und Mülheim, sagt Franz Roggemann, Geschäftsführer des IHK-Bereiches Aus- und Weiterbildung. Daher könne die Coronakrise nicht der alleinige Grund sein. Warum Oberhausen besonders schlecht abschneidet, kann sich der Ausbildungs-Experte bislang nicht erklären.

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„Große Sorgen“ mache sich die IHK auch über das in Oberhausen seit Jahren schlechte Verhältnis zwischen Bewerbern und freien Stellen. In Essen ist laut Roggemann dieses Verhältnis nahezu ausgeglichen, in Mülheim gibt es mehr freie Stellen als Bewerber. In Oberhausen ist es dagegen anders herum: Die Zahl der freien Stellen reicht für die Bewerber nicht aus. Im laufenden Jahr kamen 1791 Bewerber auf 1326 Stellen.

Auch im Handwerk ist die Lage „sehr, sehr schwierig“, wie Barbara Yeboah sagt, Geschäftsführerin der hiesigen Kreishandwerkerschaft. Die Zahl der abgeschlossenen Verträge ist von 328 im vergangenen Jahr auf nun 279 gesunken. Das Handwerk lebe davon, künftige Auszubildende auf Messen und bei Schulveranstaltungen zu akquirieren. Wegen der strengen Corona-Hygienemaßnahmen sei dies in diesem Jahr kaum möglich gewesen.

Corona trifft Friseure und Einzelhändler

Doch die Aufholjagd sei durchaus noch zu gewinnen. Denn Yeboah sieht auch, dass viele Verträge kurzfristig noch nachgemeldet werden. „Damit erfüllt sich unsere Hoffnung, dass sich das Ausbildungsjahr noch weiter nach hinten verschiebt und wir noch aufholen können. Insgesamt ist der Fachkräftebedarf in den Betrieben nach wie vor hoch, das Interesse an Ausbildung ungebrochen.“

Dabei trifft die anhaltende Krise die verschiedenen Branchen ganz unterschiedlich: Während etwa Friseure und Einzelhändler sehr unter dem strengen Lockdown im März gelitten haben, konnten etwa Maler- und Baubetriebe ihre Arbeitsweisen so anpassen, dass sie auch unter den strengen Regeln weiterhin Aufträge annehmen konnten.

Berufskollegs reagieren auf Krisensituation

Ebenfalls sorgenvoll, aber dennoch optimistisch blickt Christiane Artz in die Zukunft. Die Geschäftsführerin der Oberhausener Arbeitsagentur betont, dass der Rückgang an Bewerbern und Stellen in Oberhausen insgesamt noch vergleichsweise moderat ausfällt. Daher wolle die Arbeitsagentur nun alles daran setzen, die derzeit 260 Bewerber, die noch keinen Ausbildungsplatz haben, auf eine freie Stelle zu vermitteln. „Da geht noch was.“

Sie appelliert an Schulabgänger, selbstständig bei der Arbeitsagentur um Hilfe zu bitten. Denn auch die Berater mussten wegen der Coronakrise ihre Angebote in den Schulen zurückfahren. Artz appelliert ebenso an Arbeitgeber, weiter Ausbildungsstellen anzubieten und freie Plätze auch kurzfristig noch an die Agentur zu melden, etwa wenn ein Kandidat abspringt. Denn ein Einstieg sei bis Ende Januar 2021 möglich. „Es ist noch nicht zu spät, eine Lehrstelle zu finden.“ Auch die Berufskollegs seien auf Nachzügler vorbereitet, hätten Abläufe und den Lernstoff an die Krisensituation angepasst.

Und auch ein Blick auf die Berufswünsche der noch unversorgten Bewerber und die Liste der freien Stellen macht etwas Hoffnung. Denn dort gibt es durchaus Überschneidungen – bei Verkäufern, Einzelhandelskaufleuten oder zahnmedizinischen Fachangestellten beispielsweise. Für Bewerber mit den Traumberufen Kfz-Mechatroniker oder Informatiker gibt es dagegen in Oberhausen kaum Stellen.