Oberhausen. Nun hat Oberhausen den Sieben-Tage-Schwellenwert von hundert Neuinfektionen überschritten. Der Corona-Krisenstab plant heute strengere Regeln.
Oberhausen hat nun doch den psychologisch wichtigen Schwellenwert von insgesamt 100 Corona-Neuinfizierten in den vergangenen sieben Tagen je 100.000 Einwohner überschritten. Das geht aus den von den Städten gemeldeten Daten des Landeszentrums Gesundheit NRW hervor.
Die mit dem Stand um 0.00 Uhr am heutigen Dienstag, 27. Oktober 2020, veröffentlichten Meldungen aller NRW-Städte über laborbestätigte Sars-CoV-2-Fälle weist als Sieben-Tage-Inzidenz die Ziffer 103,0 für Oberhausen aus. Nun müssen sich die Oberhausener auf striktere Regeln im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus’ einstellen.
Michael Jehn, Leiter des Oberhausener Krisenstabs, betrachtet schon seit vielen Tagen sorgenvoll die stark dynamisch steigenden Infektionszahlen. Am Sonntag und am Montag lag der Inzidenzwert, die addierte Zahl der Neuinfizierten in den vergangenen sieben Tagen gerechnet auf 100.000 Einwohnern, mit 93,9 bzw. 93,0 kurz vor dem Schwellenwert von 100.
Über 320 Oberhausener aktuell mit Corona infiziert
Insgesamt haben aktuell über 320 Oberhausener (exakt: 326) eine Infektion mit Corona. Zum Vergleich: Am 1. Oktober 2020, also vor dreieinhalb Wochen, hatten sich nur 37 Oberhausener akut mit Corona infiziert. Die Infektionszahlen haben sich also in relativ kurzer Zeit mehr als verachtfacht.
„Wenn am Dienstag oder Mittwoch der Inzidenzwert von 100 überschritten wird, müssen wir striktere Maßnahmen ergreifen“, kündigte Jehn nach der Sitzung des Krisenstabes am Montagmittag im Gespräch mit der Redaktion an. „Entscheidend ist ja, dass wir die Zahl der Kontakte aller Bürger deutlich reduzieren – das ist bisher leider noch nicht geschafft worden.“ Seit Beginn der Pandemie sind mittlerweile über 1000 Oberhausener, exakt 1027 nach den Daten des Landeszentrums Gesundheit NRW, nachgewiesenermaßen mit Corona infiziert worden, 750 von ihnen gelten als genesen.
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25 Oberhausener liegen derzeit mit schweren Corona-Symptomen im Krankenhaus, sechs von ihnen auf der Intensivstation, drei müssen auch noch künstlich beatmet werden.
Deshalb prüft nun der Krisenstab mehrere Schritte: Können Märkte wie der Flohmarkt am Wochenende im Bero-Zentrum oder der Stoffmarkt auf dem Saporishja-Platz trotz Maskenpflicht noch erlaubt werden? Kann der Weihnachtsmarkt im Centro stattfinden? Müssen die erlaubten Zuschauerzahlen bei Sportveranstaltungen wie in Bochum halbiert werden oder kommt es auch in Oberhausen zu einem Sport-Stopp wie in Duisburg oder in Bochum? Was dürfen sich Kulturveranstalter noch erlauben? „Wir haben schon heute über Maßnahmen diskutiert und werden die Besprechung im Krisenstab darüber morgen fortsetzen. Derzeit schaue ich mir genau die Details der entsprechenden Verordnungen der einzelnen Städte an, die schon höhere Inzidenzwerte haben.“
Stadtspitze appelliert an jeden einzelnen Bürger
Jehn appelliert zugleich aber an die Eigenverantwortung eines jeden Bürgers. „Jeder kann mithelfen, diese Pandemie zu bekämpfen, indem er seine Kontakte mit Mitmenschen auf das absolut notwendige Maß beschränkt.“ Allerdings würde man auch sehen: „Sobald wir Feiern erlauben, sind dort auch viele Menschen.“
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Der Oberhausener Ordnungsdezernent geht davon aus, dass das Land in der nächsten Corona-Schutzverordnung die Regeln nochmals verschärft, da in ganz NRW bereits der Inzidenzwert im Schnitt bei über 100 liegt, exakt auf 104,8. Derzeit gibt es allerdings neben der Inzidenzgrenze von 35 und 50 keinen weiteren Schwellenwert in ganz Deutschland, ab der einheitlich bestimmte Verbote ausgesprochen werden müssen. „Ich würde landesweite Regelungen begrüßen, statt das jede einzelne Stadt über Sonderregelungen entscheidet und so ein Flickenteppich entsteht.“
Bundeswehr hilft dem Oberhausener Gesundheitsamt
Im Laufe dieser Woche unterstützt die Bundeswehr mit 15 Soldaten das städtische Gesundheitsamt vor allem bei der Nachverfolgung der Infektionsketten. „Die Hilfe der Bundeswehr wird zu einer spürbaren Entlastung im Bereich der Kontaktnachverfolgung führen. Dieser Aufgabenbereich ist derzeit durch die ansteigenden Zahlen sehr unter Druck geraten“, räumt der Oberhausener Amtsarzt Dr. Henning Karbach ein.
Die Stadt hat das Gesundheitsamt deutlich aufgestockt – mit insgesamt 30 freiwilligen Helfern aus der Schar der Verwaltungsbeamten anderer Abteilungen des Rathauses. Neben der Kontaktverfolgung fragen die Helfer bei den Corona-Infizierten, wie es ihnen geht, und überprüfen, ob die betroffenen Menschen die angeordnete Quarantäne auch einhalten. Derzeit befinden sich 644 Oberhausener in Quarantäne.
Die Ursache der seit drei Wochen so stark steigenden Infektionszahlen ist nicht eindeutig zu klären: Auch im Sommer wurde viel gefeiert, das Wetter war bisher noch nicht so ungemütlich, dass sich alle Menschen in Räumen an Heizungen drängen mussten. Gleichwohl glaubt Amtsarzt Dr. Henning Karbach: „Die Steigerung hängt zum einen mit der Witterung zusammen, mehr Leute halten sich drinnen auf und in den Innenräumen ist das Übertragungsrisiko deutlich höher.“
Aber vor allem hätten sich die Bürger in den vergangenen Monaten nicht mehr so strikt an die Corona-Bekämpfungsregeln gehalten. „Die erhöhte Viruszirkulation ist sicher auch auf eine zuletzt abnehmende Hygienedisziplin im privaten Bereich zurückzuführen.“
Gleichmäßige Ausbreitung der Infektionen im Stadtgebiet
Der Stadt Oberhausen ist nach Angaben des Amtsarztes nur ein einziger Ausbreitungs-Hotspot im Stadtgebiet bekannt. Insgesamt ist nach Beobachtung von Krisenstabsleiter Michael Jehn die Ausbreitung der Infektionen seit Tagen äußerst gleichmäßig. „Wir erkennen kein Gebiet in Oberhausen, das von dieser Entwicklung verschont worden ist.“
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Der Krisenstab lobt allerdings insgesamt das Verhalten der Bürger. „In den vergangenen Tagen haben wir noch intensiver kontrolliert, ob sich Menschen an alle Corona-Regeln halten. Wir freuen uns darüber, dass die allermeisten Oberhausener die Vorschriften einhalten“, sagt Jehn. Man habe am Wochenende insgesamt nur 48 Ordnungswidrigkeitsanzeigen schreiben müssen. Die Polizei verzeichnet sieben Pandemie-Einsätze und musste nur einen einzigen Platzverweis erteilen.