Oberhausen. Eine Oberhausenerin steht kurz vor der Amputation. Durch eine ungewöhnliche Behandlung konnte ihr Bein erhalten werden – mit Hilfe von Insekten.
Es gibt Wunden, da hilft kein Skalpell mehr. Dann kommen sie als Mikro-Chirurgen zum Einsatz: Maden. Hildegard Nössler, Patientin der Helios St. Elisabeth Klinik in Oberhausen, stand vor der Wahl: „Entweder ich verliere mein Bein oder ich stimme dieser ungewöhnlichen Therapie zu.“ Hier ist ihre Geschichte.
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Vor Monaten hatte Hildegard Nössler erfahren: „Ich habe Hautkrebs.“ Doch sie hatte Glück im Unglück – ihre Krebsart, es handelte sich um weißen Hautkrebs, war gut behandelbar. Die Operation verlief problemlos. Doch wenig später entwickelte sich in ihrem linken Bein eine Entzündung. „Ich erhielt ein Antibiotikum und wurde nach Hause entlassen“, erinnert sich die 76-Jährige. Knapp einen Monat später hielt sie es vor Schmerzen nicht mehr aus und kam stationär in die Helios St. Elisabeth Klinik. Die Wunde an ihrem Bein war da längst zu einem tiefen Krater geworden.
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Im Helios-Wundzentrum wurde die richtige Diagnose gestellt: „Hildegard Nössler leidet an Pyoderma gangraenosum, einer seltenen Form der Gefäßentzündung“, erläutert der Leiter des Zentrums, Professor Alexander Kreuter. Der Helios-Chefarzt der Dermatologie, Venerologie und Allergologie führt aus: „Das hat bei unserer Patientin zu einem chronischen Unterschenkelgeschwür geführt.“ Doch trotz ausgefeilter Therapie wollte sich ihre Wunde einfach nicht schließen. „Aufgrund der ausgeprägten Wundheilungsstörung konnten wir mit chirurgischen und medikamentösen Maßnahmen nicht viel erreichen“, erläutert der Mediziner.
Helios-Wundzentrum in Oberhausen setzt auf altes Heilwissen – hier geht es zum Artikel.
Trotz Insekten-Phobie zugestimmt
„Sie können sich nicht vorstellen, wie fürchterlich mein Bein aussah – ich hatte große Angst, es zu verlieren“, erzählt Hildegard Nössler. Alexander Kreuter machte ihr schließlich den Vorschlag, eine alte Heilmethode anzuwenden. „Er wollte Maden in meine Wunde setzen“, sagt Nössler und schüttelt sich noch heute bei dem Gedanken daran. Das sei wirklich ein Schock für sie gewesen. „Ich habe eine Insekten-Phobie und mein Arzt will mir Fliegenmaden in eine offene Wunde setzen!“ Doch ihr war klar: „Ich hatte gar keine andere Wahl.“
In Laboren speziell für ihren Einsatz gezüchtet
Bei der Madentherapie (auch Larventherapie oder Biochirurgie genannt) werden in Speziallaboren gezüchtete, desinfizierte Maden eingesetzt, um chronische Wunden von abgestorbenem Gewebe und Bakterien zu befreien, das gilt auch für multiresistente Keime.
In den meisten Fällen werden Maden der Goldfliege (Lucilia sericata) verwendet. Diese Larven ernähren sich von abgestorbenem Gewebe. Sie haben keine Zähne. Das Verdauungssekret der Larven reduziert die Keimbelastung in offenen Wunden.
Widerwillig stimmte sie zu. Kreuter erklärte ihr: Je nach Wundgröße werden bis zu 300 Maden als steriles Päckchen (Bio-Bag) direkt auf die Wunde gelegt und mit einem luftdurchlässigen Verband fixiert. „Fünf Tage lang hatte ich die Biester auf meinem Bein, ich hatte richtige Hitzewellen vor Ekel.“ Angenehm sei das nicht gewesen. „Man spürt ja, wie die an einem knabbern – und weh tut das in der infizierten Wunde natürlich auch.“ Aber sie habe Schmerzmittel bekommen. Das Team in der Helios-Klinik habe sie sehr unterstützt.
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Allen voran Wundmanagerin Michaela Gebauer, der ihr großer Dank gilt. „Und der netten Dame vom Sozialdienst, die immer ein offenes Ohr für mein Gejammer hatte“, meint die Rentnerin augenzwinkernd. Sie hat die Therapie inzwischen überstanden. Die Maden haben einen guten Job gemacht, die Wunde ist tatsächlich verheilt. Hildegard Nössler ist heute glücklich, sich weiter auf beiden Beinen dem Leben stellen zu können.