Oberhausen. Kriminelle haben sich erneut eine fiese Masche einfallen lassen, die sie auch in Oberhausen anwenden. Bevorzugte Opfer sind meist Senioren.

Die Clankriminalität in Nordrhein-Westfalen ist sprunghaft gestiegen. Bevorzugte Opfer sind Senioren. Eine besonders fiese Masche: Die alten Menschen werden gezielt in Unfälle verwickelt und abgezockt.

Zuletzt hatte die Polizei Oberhausen wegen eines vermutlich fingierten Unfalls auf der Konrad-Adenauer-Allee wieder vor Betrügern gewarnt, die Verkehrsunfälle vortäuschen oder provozieren. „Von einem fingierten Unfall sprechen wir, wenn die Unfallbeteiligten zusammenarbeiten und die Versicherung ausnehmen wollen“, erläutert der Oberhausener Polizeisprecher Axel Deitermann. „Bei einem provozierten Unfall dagegen wird ein unbeteiligter Pkw herausgepickt und angefahren.“

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Allein in Essen haben Clan-Mitglieder absichtlich rund 50 Verkehrsunfälle verursacht und dabei einen Schaden im sechsstelligen Bereich angerichtet. Das Vorgehen ist fast immer gleich. Ein typischer Fall ereignete sich jetzt wieder in einer Nachbarstadt. Tatort ist in der Regel ein größerer, unübersichtlicher Parkplatz, möglichst mit nur einer Zufahrt. „Das verringert erstens die Gefahr, dass es Zeugen gibt und zweitens hat man immer gut im Blick, wer sich als Opfer eignen könnte“, erläutert ein Spezialfahnder aus Essen. Fast immer seien das Senioren, die allein im Auto unterwegs sind.

Die Täter sind fast immer zu zweit unterwegs

In diesem Fall war eine 83-jährige Pkw-Fahrerin nur schnell auf den Parkplatz des Baumarktes gefahren, um in der dort angegliederten Bäckerei ein paar Brötchen zu holen. Sie hatte vorwärts eingeparkt, links und rechts neben ihr, so erzählt sie später, hätten sich keine Autos befunden. Nach dem Einkauf stieg sie in ihren Wagen, setzte zurück und dann passierte es. „Ich spürte ein leichtes Rucken.“ Wie aus dem Nichts war plötzlich dieser dunkle Mittelklassewagen hinter ihr aufgetaucht. Sie stieg aus, die beiden Insassen des Unfallgegners zeigten auf eine verbeulte Autotür. „Sie erkundigten sich aber auch, ob mir etwas passiert ist und beruhigten mich, das wäre ja alles gar nicht so schlimm.“ Richtig nett seien sie gewesen.

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Eher beiläufig erwähnten die Männer (beide um die 40 Jahre), dass ältere Menschen bei einem Unfall schnell Ärger mit ihrer Versicherung bekämen. Obwohl die 83-Jährige seit 20 Jahren unfallfrei unterwegs ist, hatte sie plötzlich Angst. „Dass die Versicherung mir schlimmstenfalls wegen des Unfalls und aufgrund meines Alters kündigt.“ Oder dass die Rückstufung in einen schlechteren Tarif ordentlich ins Geld gehen könnte. „Genau das aber sind die Sorgen, die die Täter gezielt schüren“, sagt der Polizei-Ermittler.

Gekonnt nutzten sie die Schocksituation, um dem angeblichen Unfallopfer gleich darauf die vermeintliche Lösung zu präsentieren. „Ich sollte 1300 Euro zahlen“, sagt die Seniorin. Die beiden Männer wollten sie auch zur Bank begleiten. „Der Wagen sah teuer aus, die beiden waren gut angezogen, ich schöpfte überhaupt keinen Verdacht.“ Da sie aber ihre Bankkarte nicht dabei hatte, vereinbarte sie einen Termin für den nächsten Morgen. In der Zwischenzeit wurde gezielt Vertrauen aufgebaut. „Der eine erzählte, er hätte selbst einen Kfz-Handel.“ Den Unfallwagen aber hätte er sich nur mal schnell von seinem Vater geliehen, der jetzt unverhofft auch noch ins Krankenhaus gekommen sei.“ Schuldgefühle, Mitleid, Schock. Das zog.

Der beste Schutz: Bei jedem Unfall die Polizei rufen

Gleich nachdem die alte Dame am nächsten Tag bei der Bank gewesen war, tauchten die Täter vor ihrer Haustür auf. „Das legt nahe, dass sie beobachtet wurde“, ist sich der Polizeifahnder sicher. Der Täter unterschrieb bereitwillig ein Schreiben, dass er keine weiteren Ansprüche stellen würde. Er hinterließ sogar seine Handynummer. Misstrauisch wurde die Betrogene erst, als er später noch einmal anrief und nach einer Kopie des Kraftfahrzeugscheines fragte „für die Firmenunterlagen“.

70 Prozent der Straftaten passieren in Wohnortnähe der Clans

Die Bekämpfung der Clankriminalität ist im Koalitionsvertrag 2017 – 2022 der NRW-Landesregierung als sicherheitspolitisches Ziel festgeschrieben. Das NRW-Innenministerium hatte das Landeskriminalamt mit der Erstellung eines NRW-weiten Lagebildes der Clankriminalität beauftragt.

Im Rahmen dieser Auswertung ergab sich unter anderem auch, dass knapp 70 Prozent der Straftaten von Clan-Mitgliedern in unmittelbarer Nähe (Umkreis bis fünf Kilometer) ihres eigenen Wohnortes stattfinden.

Oberhausen ist der Sicherheitskooperation Ruhr zur Bekämpfung der Clankriminalität (Siko Ruhr) beigetreten. Damit kann die Stadt über die Siko-Geschäftsstelle in Essen auf die Erfahrungen der Nachbarstädte Essen, Duisburg, Dortmund, Hagen und Mülheim im Kampf gegen Clans zurückgreifen.

Endlich vertraute sie sich Familienangehörigen an. Die schalteten sofort die Polizei ein. Schnell stand fest: Der in dem Schreiben eingetragene Name war falsch, die Anschrift natürlich auch, die Handynummer existierte gar nicht und das Kfz-Kennzeichen war in Deutschland niemals ausgegeben worden. Die Polizei sagt: „Hätte die Frau eine Kopie des Kraftfahrzeugscheins herausgerückt, wäre ihr wohl auch noch der Wagen gestohlen worden.“

An vierter Stelle: Verkehrsstraftaten

Die Zahlen des Landeskriminalamtes sprechen eine deutliche Sprache. 6104 Straftaten haben kriminelle Clans 2019 in NRW begangen. Das entspricht im Vergleich zum Vorjahr einer Zunahme von 32,8 Prozent. Allein in Oberhausen waren 92 Clan-Mitglieder für 156 Straftaten verantwortlich. Gleich an vierter Stelle zu finden: Verkehrsstraftaten. Deshalb gilt: Bei jedem Unfall immer die 110 wählen. Die Polizei nimmt die Personalien und den Unfallverlauf auf – nicht nur in diesem Fall hätten sich die Täter dann vermutlich sofort aus dem Staub gemacht.

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