Oberhausen. Der Politikwissenschaftler Martin Florack über die Zersplitterung der Parteien in Oberhausen und die Veränderungen im Rat durch AfD und Co.
Man kann es Vielfalt oder Zersplitterung nennen – aber so oder so ist zu erwarten, dass sich der Oberhausener Stadtrat nach der Kommunalwahl am 13. September weiter ausdifferenzieren wird. Der Oberhausener Politikforscher Dr. Martin Florack, der jetzt eine Stelle in der Landesregierung Rheinland-Pfalz angetreten hat, analysiert im Kurz-Interview mit der Redaktion das Klein-Klein in der örtlichen Politik.
Dass die Parteilandschaft immer mehr zersplittert, zeigt sich auch in Oberhausen. Mit dem „Bündnis Oberhausener Bürger“ ist hier 2014 eine Wählergemeinschaft fernab der etablierten Parteien angetreten, die sich später in weitere Gruppen aufgeteilt hat. Dazu stoßen 2020 möglicherweise die AfD und „Die Violetten“ hinzu. Was ist der Grund für diese Entwicklung?
Martin Florack: Der erste Grund ist der Wegfall der 2,5-Prozent-Sperrklausel. Dadurch haben mehr Wählergemeinschaften Aussicht auf das Gewinnen von Mandaten. Dass auch kleine Gruppen Erfolg haben können, wird verstärkt durch die niedrige Wahlbeteiligung. Wenn ein Kandidat einen harten Kern mobilisiert, kann das ausreichen. Doch in der konkreten Ratsarbeit wird es dann für solche Einzelkämpfer schwierig, weil man im Rat gut geraten ist, Gruppenstärke zu zeigen. Manche Formation wird so eher zusammen gezwungen. Wenn dann noch persönliche Konflikte und Eitelkeiten dazu kommen, leidet die Politikfähigkeit.
Dabei wirbt die Kommunalpolitik oft damit, sie sei sachorientiert und Parteigrenzen würden keine große Rolle spielen. Gibt es doch viele Gräben?
Es ist ja nicht so, als würde man in einer Großstadt wie Oberhausen alle Menschen in der Nachbarschaft gut kennen. Deshalb fällt man in großen Kommunen auf die parteipolitische Identifikation zurück. Sie ist und bleibt da wichtig. Es gibt aber auch noch weitere Gräben: Die zwischen den politikfähigen und den nicht organisationsfähigen Gruppen. Zudem müssen Fraktionen möglicherweise unliebsame Bündnisse eingehen, um Mehrheiten zu erreichen. Oder es gibt Differenzen zwischen Fraktionen und Vertretern ihrer Parteien im Verwaltungsvorstand.
Wie wird sich die Kultur im Rat nach der Wahl verändern?
Dass möglicherweise die AfD sowohl weitere Kleinstgruppen einziehen werden, wird für Unsicherheiten im Rat sorgen. Es wird schwieriger, Mehrheiten zu organisieren. Diese Zersplitterungserfahrung kompliziert die Ratsarbeit und zieht vieles in die Länge: Hier noch ein Geschäftsordnungsantrag, dort eine Wortmeldung. Das ist für Verwaltungsspitze und Fraktionsführung ein zusätzlicher Kraftakt. Außerdem erwarte ich normative Probleme: Man wird sich sicher überlegen, ob man Gruppen wie die AfD in alle Konsultationen direkt mit einbindet.
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