Oberhausen. Mit mehr Lehrern und neuen Konzepten sind jetzt auch in Oberhausen zwei Talentschulen an den Start gegangen. Der Schulversuch ist umstritten.
Oberhausen hat seit diesem Schuljahr zwei Talentschulen: Das Hans-Sachs-Berufskolleg und die Fasia-Jansen-Gesamtschule nehmen an dem Schulversuch der NRW-Landesregierung teil. Das bedeutet für die beiden Oberhausener Bildungseinrichtungen wie auch für die übrigen 58 Talentschulen im Land: mehr Personal, mehr Geld und wissenschaftliche Begleitung. Für die ausgewählten Schulen ein Segen, für die anderen eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit.
Dabei soll die Talentschule gerade keine Förderung von Eliten sein, sondern jenen Schulen zeitlich begrenzt mehr Ressourcen zur Verfügung stellen, „die sonst eher das kurze Ende der Wurst bekommen und keine gut ausgestatteten Fördervereine haben“, sagte Sabine Meder, Leiterin der Fasia-Jansen-Gesamtschule in Stadtmitte, vor dem Schulausschuss. Die Krux: Diese Bedürftigkeit und auch die Herausforderung, Schüler besonders fördern zu müssen und zu wollen, trifft auf fast alle Schulen der Stadt zu – und es hatten sich auch mehrere für den Schulversuch beworben. Trotz des kontrovers diskutierten Projekts, „ich würde meinem System schaden, wenn ich diese Möglichkeit an meinen Schülern vorbeigehen lassen würde“, erklärte Hans-Sachs-Leiter Marc Bücker die Bewerbung seiner Schule.
Kein Mensch ist ohne Talente
Mit einem Zitat von Martin Luther King machte Bücker im Schulausschuss deutlich, welchen Ansatz die Talentschule hat: „Gott hat jedem Menschen die Fähigkeit verliehen, etwas zu erreichen. Keinen Menschen hat er ohne alle Talente gelassen.“ Diese Talente bei ihren Schülern besser zu entdecken und ausbilden zu können, ist die Hoffnung der beiden Schulleiter.
Dafür gibt es etwas: Zusätzliches Geld für Fortbildungen, aber vor allem: zusätzliche Stellen. Drei sind es an der „Fasia“, Sabine Meder will einen Techniklehrer, einen für Deutsch/Englisch und einen Theaterpädagogen einstellen. Das technische Berufskolleg Hans Sachs konnte bereits vier Kollegen „on top“ begrüßen, darunter einen Werkstattmeister, einen Sozialarbeiter sowie einen Deutschlehrer. Die beiden Talentschulen arbeiten mit unterschiedlichen Konzepten, aber bei beiden ist die Sprachförderung ein Schwerpunkt – als Zugang zur Welt und zum Wissen. So sollen Schüler mehr Bildungschancen erhalten, die aufgrund ihrer sozialen Herkunft benachteiligt sind.
Sprachförderung steht im Mittelpunkt
Am „Hans Sachs“ gehören die Berufsfachschüler, die die Mittlere Reife nachholen oder die Qualifikation dafür schaffen wollen, sowie die Schüler der Ausbildungsvorbereitungsklassen zur Talentschule. Die ist an dem Berufskolleg jetzt eine eigene Abteilung mit eigenen Räumen. Das Konzept sieht unter anderem vor, dass die Sprachförderung im Werkstattunterricht stattfindet und nicht getrennt in separaten Deutschstunden. Wenn Schüler also an einem Werkstück arbeiten, sollen sie gleichzeitig trainieren zu beschreiben, was sie tun. Das gleiche gilt für den Mathematik-Stoff, der in der Werkstatt mit Bezug zu den Arbeiten vermittelt werden soll bei gleichzeitiger Sprachförderung: damit die Schüler nicht an Mathe scheitern, weil sie die Textaufgaben nicht verstehen.
Konzepte in Brennpunkten erproben
Die ersten 35 Talentschulen sind im Schuljahr 2019/20 gestartet, in diesem Schuljahr sind weitere 25 dazugekommen, darunter die beiden Oberhausener Schulen. Bereits in der ersten Runde hatten sich fünf Schulen beworben („Fasia“, „Hans Sachs“, Elsa-Brändström-Gymnasium, Gesamtschule Osterfeld und Theodor-Heuss-Realschule), gingen aber leer aus. Bis auf die THR bewarben sich die anderen Schulen in der zweiten Runde noch einmal, „Fasia“ und „Hans Sachs“ bekamen den Zuschlag.
Der Schulversuch Talentschule ist auf sechs Jahre befristet. An den insgesamt 60 Schulen in sozialen Brennpunkten soll erprobt werden, ob die Leistungen von Schülern durch besondere Unterrichtskonzepte, mehr Personal und Hilfen bei der Schulentwicklung messbar gesteigert werden können. Anschließend sollen erfolgreiche Maßnahmen auf weitere Schulen übertragen werden. Kritiker bemängeln nicht nur den Leuchtturm-Charakter des Projekts („Eigentlich hat jede Schule das nötig“, Thomas Krey, SPD, im Schulausschuss), sondern fragen, worauf das Ganze hinauslaufen soll.
Die „Fasia“ wiederum baut ihre Talentschule ab dem Jahrgang fünf auf und setzt dabei auf Kultur: Die Sprachförderung soll hier über Tanz, Theater und andere kreative Arbeit stattfinden. „Wir wollen den Lernstoff über die Künste transportieren und andere Lernwege beschreiten“, erläutert Sabine Meder das Konzept. Zwei zusätzliche Stunden stehen dafür auf dem Stundenplan der Fünftklässler. Die „Fasia“ hat mit der Kultur als Lern-Vehikel schon gute Erfahrungen (zum Beispiel in ihrer Schauspielklasse) gesammelt, die Talentschule ist die Möglichkeit, das auszubauen und in die Breite zu tragen.
Schlagwort lockt Bewerber
Mehr Motivation fürs Team, auch das versprechen sich die Schulleiter von der Talentschule. Und das genauer hingeguckt wird auf die Wirksamkeit der Maßnahmen. „Wir müssen liefern, das ist ein Vorteil“, sagt Bücker. Nicht zu unterschätzen sei die Außenwirkung des Labels „Talentschule“, meinte Sabine Meder im Schulausschuss: „Das Schlagwort lockt Bewerber“, hat die Schulleiterin erfahren, sie habe zwei neue Lehrer für Mathematik und Physik für die Oberstufe an die Schule holen können, „davon habe ich vorher nicht zu träumen gewagt“, so Meder, „die Talentschulen tun auch Oberhausen gut“.