Oberhausen. Der VW-Konzern ist die Mutter von MAN Energy – die Gewerkschafter wollen mit Hilfe der Mitbestimmung und der Politik das Schlimmste verhindern.
Fast eine halbe Milliarde Euro an Kosten will die Führung des Maschinenbauers MAN Energy Solutions sparen, 4000 Stellen sollen weltweit gestrichen werden, 3000 davon in Deutschland. Mit bis zu 560 wertvollen Industrie-Arbeitsplätzen ist das Oberhausener MAN-Werk mit der langen geschichtlichen Tradition der einstigen Gutehoffnungshütte (GHH) ein dicker Block auf der Streichliste der MAN-Manager. Diese nennen ihr schweres Sparpaket euphemistisch „Zukunftsprogramm“ – und setzen die Gewerkschaften unter Zeitdruck. Möglichst bald sollen diese für die Verhandlungen über Sozialpläne deren Eckpunktepapier vorlegen, intern rechnet man aber danach mit monatelangen Gesprächen.
Auf den Betriebsversammlungen waren die Mitarbeiter über das Ausmaß der Hiobsbotschaft aus dem Vorstand am Mittwoch so sehr geschockt, dass es zu kaum einer Nachfrage kam: Im Raum herrschten nach Vorstellung der Sparpläne betroffenes Schweigen und stilles Entsetzen. „Die Beschäftigten sind tieftraurig, einige hatten Tränen in den Augen. Doch von Wut und Empörung war noch nichts zu spüren, das müssen die Kollegen erst einmal verdauen“, sagt Jörg Schlüter, IG Metall-Bezirksgeschäftsführer für Mülheim, Essen und Oberhausen.
Im Gespräch mit ihm hat man schnell das Gefühl, er würde am liebsten mit einer Großdemonstration im Ruhrgebiet auf die sich beschleunigende De-Industrialisierung der Region für Aufsehen sorgen – doch in Corona-Zeiten sind solche Massenansammlungen kaum hygienisch einwandfrei zu bewältigen. Jetzt müssen andere Protestformen gefunden werden: Dass die MAN-Arbeitnehmer das Feld kampflos räumen, ist jedenfalls nicht zu erwarten.
Die Gewerkschaft hat mit Betriebsräten wie Helmut Brodrick, stellv. Gesamtbetriebsratsvorsitzender, schon klare Verhandlungslinien eingezogen. Sie sehen zwar ein, dass MAN Energy Solutions (früher MAN Diesel & Turbo) angesichts einer schon seit Jahren anhaltenden mauen Auftragslage einen neuen Kurs fahren und auch Kosten herunterschrauben muss.
Doch ein Sparprogramm dieses Ausmaßes, das offenbar stark die Handschrift der MAN-Mutter VW trägt, halten sie für zukunftsschädigend für den Dieselmotoren- und Turbomaschinenbauer, da viel zu viel Wissen von Fachkräften verloren gehen würde – vor allem der jungen. „Wir sind bereit, ein nachhaltiges Zukunftsprogramm zu unterstützen, aber wir werden nicht mitmachen, dass hier einfach die Braut hübsch aufbereitet und verkauft wird. Wir verlangen, dass der Verkaufsprozess abgeblasen wird und uns Garantien gegeben werden, dass MAN Energy Solutions (ES) bei Volkswagen dauerhaft verbleibt“, fordert Schlüter.
Volkswagen versucht seit mehr als einem Jahr vergeblich, einen geeigneten Käufer für MAN ES zu finden. Doch bisher haben nur Bieter Interesse gezeigt, die sich einen bestimmten Teil von MAN ES sichern wollen und/oder nach dem Erwerb viele Doppelstrukturen hätten – solche Erwerber wären für das Oberhausener Werk äußerst schädlich.
Die IG Metall setzt deshalb darauf, dass die Gewerkschaft mit ihrem starken Einfluss bewirken kann, dass am Ende nicht so viele Arbeitsplätze wegfallen wie derzeit geplant. „Die Mitbestimmung zählt bei VW immer noch sehr viel. Es muss andere Wege geben als einfach so viele Arbeitsplätze zu streichen – etwa durch die Erschließung neuer innovativer Wachstumsfelder.“
Der Volkswagen-Konzern ist durch das Veto-Recht des Landes Niedersachsen als Anteilseigner politisch durchwirkt wie kaum ein anderes Unternehmen in Deutschland. Derzeitiger Ministerpräsident in Niedersachsen ist Stephan Weil (SPD), Chef einer schwarz-roten Koalition. Deshalb wollen Sozialdemokraten auch über Spitzenpolitiker im Bund erreichen, dass sich für MAN ES eine Perspektive bietet: mit Hilfe der neuen Wasserstoff-Strategie der Bundesregierung, hinterlegt mit viel Fördergeld.
Das Ruhrgebiet will bekanntlich eine Wasserstoff-Modellregion werden – mit einem Wasserstoffnetz und Wasserstoff-Produktionsanlagen. Im und am MAN-Werk bestehen Flächen, das Ingenieur-Wissen ist vorhanden – nur der derzeitige VW-Vorstandschef Herbert Diess hält von Wasserstoff wenig, bei Autos setzt er lieber direkt auf Strom, weil er die Wasserstoff-Produktion hier als ineffizient einschätzt.
Damit nicht so viele Arbeitsplätze wie geplant verloren gehen, werden in den Verhandlungen voraussichtlich auch Einschnitte bei Sonderleistungen wie Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld diskutiert. Die Gewerkschafter hoffen, dass die Horrorpläne der in Augsburg sitzenden MAN-Energy-Manager um Vorstandschef Uwe Lauber so weit wie möglich abgemildert werden.
Bisher hatte Lauber das MAN-Werk an der Steinbrinkstraße immer besonders gelobt, wie noch im Interview Anfang Februar 2020: „Das Werk Oberhausen ist ein wichtiger Bestandteil unserer Zukunftsstrategie. Für den Bau von Energiespeichern, die künftig verstärkt benötigt werden, sind Turbomaschinen erforderlich, wie wir sie in Oberhausen bauen.“