BP, Evonik, OGE und RWE: Um ein Wasserstoffnetz aufzubauen, verbünden sich mehrere Revierkonzerne. Doch auch die Politik muss mitspielen.


Essen. Mehrere große Unternehmen aus dem Ruhrgebiet verbünden sich, um ein kilometerlanges Wasserstoffnetz aufzubauen. Das Ölunternehmen BP, der Chemiekonzern Evonik, die Gasnetzbetreiber Open Grid Europe und Nowega sowie der Energieversorger RWE planen ein Projekt, bei dem Strom aus erneuerbaren Energien in Wasserstoff umgewandelt wird und als klimafreundlicher Energieträger dienen soll. Das Ziel ist, diesen „grünen Wasserstoff“ im niedersächsischen Lingen in einer Elektrolyse-Anlage aus erneuerbaren Energien zu erzeugen und über Pipelines zu Raffinerien und Chemiewerken in Lingen, Marl und Gelsenkirchen zu transportieren. Die Netzlänge soll 130 Kilometer betragen – Projektname: „GET H2 Nukleus“.

Mit der Versorgung von Raffinerien und Chemiefabriken setze das Projekt dort an, wo grüner Wasserstoff am schnellsten zu CO2-Einsparungen beitragen könne, heißt es bei den beteiligten Unternehmen. An den Industriestandorten würden schließlich schon jetzt große Mengen Wasserstoff benötigt.

Die Nutzung der bestehenden Gaspipelines für Wasserstoff sei technisch kein Problem, sagt OGE-Chef Jörg Bergmann. Damit das Unternehmen Wasserstoff im großen Stil transportieren könne, seien aber Veränderungen in der Gesetzgebung und Regulierung notwendig. „Momentan dürften wir keine reine Wasserstoff-Pipeline betreiben. Lediglich eine Beimischung in geringen Mengen ist erlaubt. Dies würde kaum ausreichen, wenn die Nachfrage stark wächst.“

BP und RWE sehen Bundesregierung am Zug

Für die Konzerne stellt sich auch die Frage, ob sich ihre Investitionen rechnen. Schon seit einigen Monaten arbeitet die Bundesregierung an einer Wasserstoff-Strategie für Deutschland. Es herrsche „dringender Handlungsbedarf, den die Politik in meinen Augen aber erkannt hat“, sagt Bernhard Niemeyer-Pilgrim, Vorstandsmitglied der BP Europa SE.


„Grüner Wasserstoff ist für RWE ein wichtiges Thema“, betont Roger Miesen, Vorstandschef der RWE-Tochter Generation. Technisch sei es kein Problem, grünen Wasserstoff zu erzeugen, aber es sei „derzeit unwirtschaftlich“, weil der zur Elektrolyse verwendete Strom mit der Erneuerbare-Energien-Umlage belastet werde. „Diese Hürde könnte die Politik beseitigen“, sagt Miesen, „um sauber erzeugtem Wasserstoff den Weg zu bereiten“.

Thyssenkrupp will Stahl mit Wasserstoff erzeugen

„Wasserstoff wird im zukünftigen Energiesystem einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten“, erklärt die Deutsche Energie-Agentur (Dena) in einer Stellungnahme für den NRW-Landtag, in dem das Thema in dieser Woche auf der Tagesordnung steht. Wasserstoff sei als vielseitiger Energieträger in unterschiedlichen Branchen einsetzbar. So will unter anderem auch Thyssenkrupp am Standort Duisburg Stahl zunehmend auf Basis von Wasserstoff statt Kohle produzieren.


„Nordrhein-Westfalen hat eine besondere Bedeutung für den Markthochlauf von Wasserstoff“, betont die Dena. Durch die Nähe zur Nordseeküste und eine Anbindung an die Benelux-Staaten gebe es jedenfalls gute Voraussetzungen für NRW als „Wasserstoff-Modellregion“.

Zahlreiche Projekte in NRW

NRW sei „gut aufgestellt“, um in der Wasserstoffwirtschaft „eine Vorreiterrolle zu übernehmen“, urteilt Evonik-Manager Thomas Basten in einer Stellungnahme für den Landtag als Sachverständiger des Branchenverbands VCI. Die Liste der Projekte in NRW, an denen auch Konzerne wie Uniper, Ineos, Shell und Air Liquide beteiligt sind, ist schon jetzt lang.


Die Unternehmen hoffen indes auf schnelle Planungssicherheit für Investitionen und machen Druck bei der Politik. Der Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen müsse jetzt und nicht etwa erst mittelfristig oder abhängig von Entwicklungen in anderen Ländern angegangen werden, betont der Essener Pipelinebetreiber OGE in einer Stellungnahme für den NRW-Landtag. „Denn Aufbau und Etablierung einer Wasserstoff-Wirtschaft benötigen nicht unerhebliche zeitliche Vorläufe.“