Erstmals sagt Thorsten Berg, OB-Kandidat der SPD, in einem Interview, wohin er Oberhausen führen will, wenn er gewählt werden sollte.
Herr Berg, Sie haben jahrelange Erfahrung als Leiter der Sparkasse Sterkrade – nun wollen Sie Oberbürgermeister von Oberhausen werden. Wieso glauben Sie, dass Sie 2500 Beschäftigte der Stadtverwaltung führen und eine Großstadt von 210.000 Einwohnern repräsentieren können?
Berg: Vor dieser Frage steht ja jeder Spitzenkandidat, denn es gibt ja niemanden, der Bundeskanzler oder Oberbürgermeister studiert hat. In unserer Demokratie ist es doch ganz normal, dass sich Menschen auf diese Ämter bewerben, die einen eigenen Berufsweg hinter sich haben. Ich traue mir jedenfalls aufgrund meiner Lebenserfahrung und meines beruflichen Wissens die Aufgaben zu. Ein Oberbürgermeister ist ja nicht derjenige, der wie ein Sachbearbeiter jedes Detail bearbeitet, sondern derjenige, der die strategischen Leitplanken festlegt. Zudem kann er auf einen funktionierenden Stab zurückgreifen.
Sie sind seit elf Jahren in der SPD, ihre politische Stimme war bisher aber nicht zu hören. Warum wagen Sie jetzt erst als 51-Jähriger den Einstieg in die öffentliche Politik?
Bundesweit interessieren sich zunehmend Menschen aus ganz normalen Berufen dafür, mit politischen Mandaten Verantwortung fürs Gemeinwohl zu übernehmen. Das ist doch gut so. Denn Ihre Frage beinhaltet doch, dass eigentlich nur Bürger kandidieren dürften, die sich von der Pike an in einer Partei hochgedient haben. Dabei geht es doch vor allem darum, wer wie gut für das Amt qualifiziert ist.
Ist es denn ein Vorteil oder Nachteil, politischer Seiteneinsteiger zu sein?
Es ist doch vorteilhaft, wenn man Erfahrungen aus anderen Bereichen des Lebens gesammelt hat, wie ich im Wirtschaftsbereich. Die Menschen wollen doch nicht immer nur Parteifunktionäre wählen, sondern entscheiden sich für Kandidaten, denen sie zutrauen, dass sie öffentliche Aufgaben lösen können.
Was waren die Hauptgründe dafür, dass Sie in die SPD eingetreten sind?
Die SPD steht für Solidarität und Gerechtigkeit, jeder Mensch ist gleich und sollte in unserer Gesellschaft gleiche Chancen haben. Wir haben beispielsweise immer schon darauf geachtet, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft gleiche Bildungschancen haben. Diese Grundwerte der SPD überzeugen mich zutiefst. Zudem wollte ich mich mehr gesellschaftlich einbringen. Denn ein solches bürgerschaftliches Engagement in Vereinen oder Parteien geht leider seit den 70er Jahren zunehmend verloren. Es ist doch recht bequem, in Kneipen oder Vereinen zu sagen, die CDU oder die SPD hätte oder sollte dies oder jenes besser machen. Ich finde es erstrebenswerter, wenn Bürger selbst etwas aktiv gestalten wollen.
Was hat Ihre Familie zu Ihrer Entscheidung gesagt, OB-Kandidat zu werden?
Ich habe mich davor intensiv mit meiner Frau und meinen Kindern unterhalten, denn klar ist, dass politische Spitzenämter Folgen für die Familie haben. Wir sind übereinstimmend zu dem Entschluss gekommen, die Kandidatur anzugehen. Wenn das nicht so gewesen wäre, hätte ich das nicht gemacht. Wenn die Familie nicht zu 100 Prozent dahinter steht, kann man das Amt nicht anstreben.
Wie erleben Sie bisher Ihren ersten Wahlkampf mit all den negativen und positiven Seiten?
Für mich ist das eine sehr schöne Zeit, weil ich Menschen und Themen kennenlerne, die ich wohl sonst nicht kennengelernt hätte. Das macht mir Spaß. Dass da neben Lob auch Kritik an meiner Person kommt, ist ja klar – da wird im Wahlkampf auch mal spitzer formuliert, aber hier habe ich ein breites Kreuz.
Sie haben ja selbst in Ihrer ersten Rede spitz formuliert, Klartext geredet und dem Amtsinhaber Daniel Schranz vorgeworfen, er habe wirtschaftlich nichts für die Stadt geleistet. Bedauern Sie im Nachhinein Ihre Worte?
Nein, ich bedauere da nichts. Ich habe nicht spitz formuliert oder war angriffslustig, sondern ich habe nur Tatsachen beschrieben. Wenn man feststellt, dass Städte wie Herne und Gelsenkirchen in den vergangenen Jahren besser als Oberhausen in der Lage waren, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen zu schaffen, dann müssen bei uns die Signallampen angehen. Wir werden da von der unmittelbaren Nachbarschaft wirtschaftlich abgehängt und in den Ranglisten der Wirtschaftsinstitute über die Wirtschaftskraft und Dynamik der deutschen Kommunen kommen wir nicht voran. Offensichtlich haben wir ja hier nicht so gut gearbeitet wie andere. Das waren also keine Angriffe, sondern Feststellungen.
Persönliches
Anfang Juli hat der SPD-Kandidat für das Oberbürgermeister-Amt, Thorsten Berg, seinen 51. Geburtstag gefeiert. Er ist als Sohn eines Bergmanns und einer Verkäuferin in Gelsenkirchen geboren, aber seit seinem dritten Lebensjahr Oberhausener.
Berg ist in Lirich aufgewachsen, hat am Novalis-Gymnasium Abitur gemacht. Nach seiner Bankkaufmannslehre wurde er Sparkassenbetriebswirt bei der Stadtsparkasse Oberhausen. Seit gut zehn Jahren mischt er im Personalrat mit, wurde 2009 Leiter der Sparkassen-Filiale Sterkrade. In die SPD eingetreten ist er erst im Jahre 2009 (Ortsverein Alsfeld-Holten). Berg ist in seiner Freizeit ehrenamtlich im Einsatz als Kassierer der Stig, der Bernhardiner und des TC Babcock.
Berg ist verheiratet und hat eine 15-jährige Tochter und einen 22-jährigen Sohn.
Welche Feststellungen treffen Sie über Oberhausen noch, welche Weichen werden von der Stadtspitze falsch gestellt?
Wir haben sicherlich bei der Wirtschaftsförderung einiges zu tun: Seit Jahresanfang ist bekannt, dass der Wirtschaftsförderer wechselt, dann muss man da eigentlich handeln. Doch bisher hat sich da nichts getan. Für die Wirtschaftsförderung sind auch viel zu wenige Leute tätig – da sind uns andere Städte voraus, die auf die ganzheitliche Entwicklung ihrer Stadt schauen. Auch im Planungsbereich läuft es alles andere als rund, wie man am Projekt „Brückenschlag“ für Alt-Oberhausen sieht – da geht kaum etwas voran.
Die SPD hat der Ansiedlung des Edeka-Logistikzentrums im Stadtrat zugestimmt – Sie halten von der Ansiedlung dagegen nichts. Wie kommt es zu dieser inhaltlichen Kehrtwende?
Zunächst einmal: Diejenigen, die sich über das Thema derzeit so ereifern, können sich beruhigen: Das Logistikzentrum wird ja gebaut. Ein riesiger Bau, der die Menschen, die Umwelt und den Verkehr extrem belastet. Dazu ist es kein Geheimnis, dass Arbeitsplätze in der Logistik extrem von Rationalisierung bedroht sind. Ich hätte mir für diese Industriefläche Ansiedlungen anderer Branchen gewünscht.
Welche Schwächen sehen Sie in der Arbeit und Leistung der Stadtverwaltung?
Ich bin weit davon entfernt, den Mitarbeitern des Rathauses zu testieren, dass sie ihre Arbeit nicht anständig erledigen. Man muss vielmehr schauen, welche Bereiche mehr Personal benötigen, damit diese ihre Arbeit gut schaffen. Früher wollte die CDU ja sogar noch mehr Personal im Rathaus abbauen, als finanztechnisch bereits eingeplant waren – am Ende verlief der Trend genau in die andere Richtung. Aber das kritisiere ich gar nicht: Da wo Arbeit anfällt, benötigt man auch Personal.
Was ist nach Ihrer Meinung in den vergangenen sechs Jahren nach der letzten Kommunalwahl in Oberhausen gut gelaufen?
Das fällt mir schwer, hier etwas zu finden. Ich betrachte vor allem die Bereiche in Oberhausen, in denen wir noch viel Arbeit vor uns haben und wo wir endlich einmal vorankommen müssen. Da nenne ich nur ein Beispiel: In der Corona-Krise hat sich doch gezeigt, wie weit wir bei der Digitalisierung unserer Schulen hinterherhinken.
Warum glauben Sie an Ihren Sieg gegenüber Oberbürgermeister Daniel Schranz, der ja einen Amtsbonus mitbringt?
Ich bin absolut davon überzeugt, dass wir sehr gute Chancen haben, dieses Spitzenamt zu erringen und stärkste Fraktion im Rat zu bleiben, so dass niemand gegen uns eine Koalition bilden kann. Denn wir haben als SPD in der Oberhausener Bevölkerung immer noch eine sehr breite Basis und unter dem Strich unterbreiten wir den Wählern das bessere Angebot. Wähler honorieren zudem, dass sich Menschen mit Erfahrungen aus dem Berufsalltag zur Wahl stellen und sich nicht nur in Parteien oder parteinahen Stiftungen bewegt haben.
In welchen drei Themenfeldern glauben Sie, dass Sie das bessere Angebot als jede andere Partei an die Wähler machen?
Erstens kümmern wir uns so sehr um Bildungsgerechtigkeit, dass tatsächlich Kinder mit schlechteren Voraussetzungen die gleichen Chancen wie andere erhalten können, eine gute Bildungs- und anschließend Berufskarriere hinzulegen. Zweitens werden wir ganz schnell dafür sorgen, dass die 700 fehlenden Kita-Plätze endlich bereitgestellt werden und drittens wollen wir die Standortnachteile für Unternehmen und Familien beheben wie beispielsweise die höheren Steuersätze und Kitabeiträge in unserer Stadt. Meine Partei setzt sich intensiver als andere dafür ein, dass Oberhausen von der drückenden Altschulden-Last befreit wird, die uns kaum Luft zum Atmen lässt. Die Lösung für die Ruhrgebietsstädte war diesmal so nah wie nie, doch die Landesregierung von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat hier aus persönlichen Karriere-Gründen keine Verhandlungslösung erreicht.
Die Grünen sind seit zwei Jahren im Aufwind und haben den erfahrenen Ratsherrn Norbert Axt als OB-Kandidaten aufgestellt. Schätzen Sie Herrn Axt als schweren Gegner ein?
Es wäre fahrlässig, den Kandidaten der Grünen zu unterschätzen. Die Grünen haben sich viel breiter als früher aufgestellt und Wahlen deshalb in Deutschland mit guten Ergebnissen abgeschlossen. Ich sitze nicht auf dem hohen Ross und spreche nur von zwei Kandidaten, die da Chancen auf den Chefsessel im Rathaus haben.
Sollten Sie nicht gewinnen, dann werden Sie noch nicht einmal im Rat ein Mandat haben – Sie stehen auf keiner Kandidatenliste ihrer Partei. Warum ist das so?
Weil ich davon ausgehe, dass ich diese Wahl erfolgreich bestreiten werde. Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass ich eigentlich nicht das Spitzenamt anstrebe, sondern ein sicheres Mandat im Stadtrat. Mein Ziel ist so also eindeutig: Der Verzicht auf einen Listenplatz unterstreicht ja meine Ambitionen und meine Zuversicht.
Wenn Sie Oberbürgermeister von Oberhausen werden, was werden Sie als erstes anpacken, um das Leben der Bürger hier zu verbessern?
Zunächst mache ich einmal eine Bestandsaufnahme und erarbeite mir ein Gesamtbild. Wir benötigen einen intensiven Dialog mit den Bürgern, denn Politik ist für die Menschen da. Ich verwirkliche dann die Politik, die den Wünschen der Bürger gerecht wird.
Berg verzichtet auf Listenplatz für den Stadtrat
Sollte Thorsten Berg bei der Kommunalwahl am 13. September 2020 und der möglichen Stichwahl am 27. September 2020 nicht das Spitzenamt gewinnen, kann er politisch im Stadtrat nicht wirken: Er tritt weder als Direktkandidat in einem der 29 Wahlkreise an noch steht er auf der SPD-Reserveliste für den Stadtrat.
Seine Begründung dafür: „Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass ich nicht das Spitzenamt anstrebe, sondern ein sicheres Mandat im Stadtrat. Der Verzicht auf einen Listenplatz unterstreicht meine Ambitionen und meine Zuversicht.“
Sind Sie bereit, die Grundsteuer für Bürger und die Gewerbesteuer für Unternehmen zu senken?
Die Situation ist ohne Altschulden-Lösung nicht einfacher geworden. Wenn der Marktzins nur um einen einzigen Prozentpunkt steigt, dann müssen wir statt 15 Millionen Euro pro Jahr 31 Millionen Euro nur für die Zinsen unserer Kassenkredite bezahlen. Unser Ziel muss es sein, Lösungen für unsere Altschulden zu erreichen, so dass wir die Gewerbesteuer senken können. Denn der hohe Satz ist schon ein erheblicher Standortnachteil für Oberhausen. Landesweit muss man eine grundsätzliche städte-übergreifende Lösung zur Erhebung der Gewerbesteuer anstreben. Derzeit herrscht kein fairer Wettbewerb zwischen den Kommunen und es ist politisch unklug, wenn Monheim seinen Gewerbesteuersatz auf Kosten von anderen Kommunen so niedrig ansetzen kann – und so als Steueroase fungiert.
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Als Oberbürgermeister sind Sie auch Vorsitzender des Rates. Wie gehen Sie mit der AfD um, sollte diese erstmals in den Rat einziehen?
Wir benötigen dann ein breites Bündnis der demokratischen Parteien, wie wir mit diesem politischen Gegner im Rat umgehen. Bei aller Konkurrenz eint alle demokratischen Parteien, dass wir eine rechte Partei wie die AfD hier nicht wollen. Die AfD hat keine inhaltlichen Positionen, sondern nur hohle Parolen.
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Für Sie ist also die AfD keine demokratische Partei. Warum nicht?
Die AfD lässt in ihren Reihen bundesweit Personen agieren, die eindeutig rechtsextrem sind. Die AfD stellt Grundwerte der deutschen Verfassung in Frage und formuliert Sätze wie „Wir werden die Bundeskanzlerin jagen“ – das macht mich fassungslos.
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Wenn Sie in die Zukunft schauen: Was sollen die Bürger nach fünf Jahren Amtszeit im Jahre 2025 über Sie sagen?
Sie sollen sagen, dass wir in Oberhausen zwar noch nicht alle Probleme gelöst haben, aber man deutlich bemerkt, dass unsere Stadt sich weiterentwickelt hat: einen Zuwachs an Arbeitsplätzen, eine bessere Ausstattung der Schulen und Vereine, die Umsetzung moderner Verkehrskonzepte, die gut für die Umwelt sind. Insgesamt sollen sie sagen, dass Oberhausen eine lebenswertere Stadt geworden ist.
Herr Berg, damit wir Sie ein wenig besser kennenlernen, hier ein kleines Fragespiel für kurze Ein-Wort- oder Ein-Satz-Antworten: Willy Brandt, Gerhard Schröder oder Helmut Schmidt – welcher ist Ihr Favorit?
Willy Brandt – er ist mit seiner Ost-Politik ein Visionär seiner Zeit gewesen.
Wer ist der bessere Kanzler bei der CDU: Helmut Kohl oder Angela Merkel?
Angela Merkel
Bier, Wein oder Sekt?
Definitiv Bier
Theater oder Kino?
Kino
Kirche oder Kneipe?
Kneipe
Schalke oder Dortmund?
Ich bitte Sie, ich bin in Gelsenkirchen geboren.
Gesamtschule oder Gymnasium?
Beides.
Ihr Lieblingsstadtteil von Oberhausen?
Wahrscheinlich Alstaden, weil ich dort seit 15 Jahren mit meiner Familie lebe und hier viele Freunde habe. Aber ich finde, dass alle Oberhausener Ortsteile viel zu bieten haben: Ich habe bereits in Osterfeld, in Sterkrade und in Stadtmitte gewohnt, bin in Lirich aufgewachsen. Es gibt überall lebenswerte Ecken.
Ihr Lieblingsessen?
Zwiebel-Schnitzel mit Bratkartoffeln
Ihr Lieblingshobby?
Meine Fußballzeit ist vorbei, heute spiele ich gerne Tennis.
Ihr Lieblingsroman?
Habe ich keinen bestimmten. Ich höre mir gerade die Jahrhundert-Trilogie von Ken Follett an. Kann ich empfehlen.
Wie legt man eigentlich in der Niedrigzinsphase 10.000 Euro an?
Für einen wirklich guten Ratschlag müsste man eine Vermögensanalyse durchführen, das dauert dann aber länger. Wenn man das Geld wirklich übrig hat, dann ist ein Mix aus Immobilien-, Anleihen- und Aktienfonds die richtige Wahl. Das Sparkassen-Sparbuch mit einer Verzinsung von 0,001 Prozent kann ich nur noch für den Notgroschen empfehlen, über den man dann schnell verfügen kann.
Das Interview mit dem SPD-Oberbürgermeister-Kandidaten Thorsten Berg führte Peter Szymaniak.