Oberhausen. Ausgeglichener Haushalt, zukunftsorientierte Standorte – der Bischof und die ökonomische Logik haben in der katholischen Kirche das letzte Wort.
Christlicher Glauben und Ökonomie sollten aus der Sicht eines Gläubigen nicht allzu viel miteinander zu tun haben. Im ersten Fall geht es um die innere Befindlichkeit eines Menschen, um Sinnfragen und Spiritualität, im zweiten Fall vorrangig um Effizienz und Gewinn.
Doch wer auf die Debatte um Kirchenschließungen und künftige Gemeindestandorte blickt, erkennt unweigerlich Parallelen zwischen beiden Welten. Und so verwundert es nicht, dass Propst Peter Fabritz am Abend des 24. Juni in der Jugendkirche Tabgha ebenfalls diese Parallele benannte: „Ein Unternehmen kann nur erfolgreich arbeiten, wenn es gelingt, möglichst alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf ein Ziel hin auszurichten. Das gilt für Kirche, für eine Pfarrei genauso. Eine so große Pfarrei wie St. Clemens, die 2007 aus elf, inzwischen immerhin noch aus acht Gemeinden besteht, auf ein Ziel, eine Zukunftsvision auszurichten, war und ist ein gewaltiges Unterfangen!“
Mit diesen Worten begrüßte Fabritz Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck sowie die Mitglieder von Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand. Wenig später verkündete der Bischof seine Entscheidung für St. Josef Schmachtendorf als künftigen Hauptstandort der Propsteipfarrei St. Clemens im Stadtnorden.
Knappes Votum
Ende 2019 hatten sich die Pfarrei-Gremien knapp für St. Theresia in Walsumermark als Hauptstandort ausgesprochen. Overbeck erteilte diesem Votum am Abend des 24. Juni eine Absage, weil er den Standort St. Josef für vielversprechender hält. Als wir kurz darauf über die Entscheidung des Bischofs berichteten, prägte auch diese Schlagzeile den Nachrichten-Tag: „Den Kirchen laufen die Gläubigen weg“. Das trifft vor allem die katholische Kirche, die auch im Ruhrbistum eine noch nie dagewesene Austrittswelle zu verkraften hat. Als ein wichtiger Grund wird dabei die aus Sicht vieler Katholikinnen und Katholiken nach wie vor mangelhafte Aufarbeitung der Missbrauchsfälle genannt. Der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer dringt deshalb darauf, den Weg der transparenten Aufklärung und Präventionsarbeit fortzusetzen und zu verstärken.
Doch vorerst wird die auch aus anderen Faktoren gespeiste Austrittswelle wohl anhalten: Der christliche Glaube verliert bei zahlreichen Menschen seine Bindungskraft; viele wollen schlicht und einfach die Kirchensteuer sparen.
Was tut also ein Unternehmen, dessen Geschäftsmodell gefährdet ist, dessen Kundenzahl und Einnahmen sinken? Es verringert die Betriebskosten und streicht teure Standorte. Genau in dieser Logik befinden sich die christlichen Kirchen seit vielen Jahren. Und sie haben dabei jenes Dilemma zu ertragen, das auch andere Unternehmen in der Krise trifft. Die noch verbliebenen treuen Stammkunden sind geschockt über die Sparmaßnahmen und den Wegfall von aus ihrer Sicht bewährten Firmenstrukturen.
Was tun, um die Firma zu retten? „Es gibt ein Koordinatensystem, in dem sich der Pfarreientwicklungsprozess bewegen soll“, sagt Propst Peter Fabritz. „Und es gibt auch eine Zielrichtung. Ziel ist nicht nur der ausgeglichene Haushalt 2030, sondern auch die Konzentration der Seelsorge auf wenige, dafür aber zukunftsorientierte Standorte in der Pfarrei St. Clemens.“
Neugestaltung des kirchlichen Lebens
Bischof Franz-Josef Overbeck ermutigte die Teilnehmer des Treffens in der Jugendkirche Tabgha, das Engagement vieler Menschen zu bündeln und für den Weg einer Neugestaltung des kirchlichen Lebens im Stadtnorden von Oberhausen zu nutzen.
Die Fachleute im Bischöflichen Generalvikariat werden diesen Prozess mit ihrer Erfahrung aus vielen anderen Gemeinden im Ruhrbistum unterstützen.
Schon ab September werden die Gremien der Propsteipfarrei St. Clemens mit der Umsetzung beginnen, die bis spätestens 2024 vollzogen sein soll.
Doch welche Standorte sind das? Ist zum Beispiel Schmachtendorf wirklich besser geeignet als Walsumermark? Nur eine detaillierte sozialwissenschaftliche Untersuchung könnte das wohl fundiert beantworten. Für Schmachtendorf sprechen die bessere Erreichbarkeit, die Lage mitten im „Dorf“ und die gut besuchte katholische Familienbildungsstätte; für Walsumermark die regen Pfadfinder, die vielen engagierten Christen direkt vor Ort im Wohngebiet und ein vergleichsweise junger, wohl modernisierungsfähiger Gebäudebestand.
Bischof hat das letzte Wort
Was tun? Wie entscheiden? An dieser Stelle gibt es nun noch eine bemerkenswerte Parallele zur Ökonomie: In der katholischen Kirche hat der Bischof das letzte Wort. Overbeck favorisiert Schmachtendorf, der ebenfalls sehr produktive Standort Walsumermark hat das Nachsehen. Es wird wohl kaum möglich sein, an diesem Entschluss aus der Chef-Etage noch einmal etwas zu verändern.
Die Folgen hat nun vor allem auch der um Ausgleich bemühte Propst zu tragen. Vor Ort ist er jetzt als Seelsorger und einfühlsamer Gesprächspartner in besonderer Weise gefragt. In dieser Woche hat Peter Fabritz bereits zahlreiche solcher Gespräche geführt, auch mit den Jugendlichen der Propsteipfarrei. „Es geht jetzt erst einmal darum, der Wut, Trauer und Enttäuschung vieler Menschen gerecht zu werden“, sagt der Propst.
Bis spätestens 2024 ist die bischöfliche Entscheidung umzusetzen – es bleibt also Zeit, Enttäuschte doch noch auf dem weiteren Weg mitzunehmen. Hoffentlich gelingt das.