Oberhausen. Die Stadt Oberhausen beantwortet eine Große Anfrage der SPD zur Gleichstellung von Frau und Mann. Die Ergebnisse sollten nachdenklich machen.
Oberhausen steht noch immer vor der großen Aufgabe, gleiche Chancen für Frauen und Männer in der Stadt zu schaffen. Noch immer sind Frauen in vielen Bereichen der Stadtgesellschaft benachteiligt, verdienen weniger Geld, bekleiden viel seltener Führungsposten als Männer, tragen die Hauptlast bei familiären Verpflichtungen wie der Kindererziehung oder der Pflege von Angehörigen. Das ist das Resultat einer Großen Anfrage der SPD, deren Antwort nun vorliegt.
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Einen Katalog von knapp 80 Fragen hatten die Sozialdemokraten im März an die Stadt übersandt. Auf rund 60 Seiten hat die Gleichstellungsstelle nun federführend geantwortet, Daten und Statistiken ausgewertet, Experten befragt. Die Ergebnisse sollten nachdenklich machen.
Männer arbeiten in Vollzeit, Frauen in Teilzeit
Mehr als 36 Prozent der Frauen in Oberhausen haben keinen beruflichen Bildungsabschluss. Bei den Männern liegt die Quote mit knapp 31 Prozent deutlich darunter. Die große Mehrheit der sozialversicherungsbeschäftigten Männer arbeitet in Vollzeit (knapp 90 Prozent), bei den Frauen liegt die Quote bei etwas über 50 Prozent. Weil die passenden Angebote zur Kinderbetreuung, vor allem in den Randzeiten, fehlen, wird Frauen nach einer Pause der Weg zurück in die Vollzeitstelle erschwert.
Das erhöht das Risiko von Altersarmut. Zudem besteht dieses Risiko besonders für Familien mit mehr als zwei Kindern und bei Alleinerziehenden. Laut Zahlen des Jobcenters ist mehr als jedes zweite alleinerziehende Elternteil auf staatliche Hilfe wie Hartz IV angewiesen – 90 Prozent davon Frauen.
Zahl der weiblichen Azubis sinkt
Während die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse bei männlichen Jugendlichen in den vergangenen Jahren gestiegen ist (von 681 im Jahr 2015 auf 726 im Jahr 2018), ist sie bei den jungen Frauen gesunken: von 468 auf 450 im gleichen Zeitraum. Die Zahl der alleinerziehenden Frauen ist fast doppelt so hoch wie die Zahl der männlichen Alleinerziehenden (9107 zu 5090).
Bei der betrieblichen Weiterbildung werden Frauen immer noch benachteiligt. Dabei sei die Bildungsbereitschaft bei Frauen sehr hoch, die Kurse der Volkshochschule beispielsweise werden laut Gleichstellungsstelle überproportional von Frauen belegt. Große Probleme haben dabei die Teilnehmerinnen der Integrationskurse, für die die Frauen mindestens 15 Stunden in der Woche anwesend sein müssen. Für eine ausreichende Kinderbetreuung „hat die VHS weder Räume, noch die baulichen und hygienischen Voraussetzungen erfüllt noch das Personal“, heißt es in der Antwort der Großen Anfrage.
Es gibt noch immer „typisch weibliche Berufe“
„Zurück in die 70er-Jahre“
Oberhausen muss sich mehr anstrengen, um mehr Chancengleichheit von Frauen und Männern herzustellen. Darin sind sich große Teile der Politik einig. Der Bericht der Gleichstellungsstelle lege offen, wie sehr Frauen in vielen Bereichen der Stadtgesellschaft schon jetzt benachteiligt sind, sagt etwa Stefanie Opitz (Grüne). „Leider nichts Neues.“ Die aktuelle Corona-Pandemie würde das Problem aber noch einmal bestärken. „Dass wir alle in diesen modernen Zeiten ach so gleichgestellt sein sollen, fällt in sich zusammen.“
Opitz fordert „endlich eine angemessene Bezahlung der systemrelevanten Berufe.“ Von Applaus könne eine Krankenschwester keine Familie ernähren. Doch statt Pflegerinnen durch mehr Gehalt oder mehr Urlaubstage zu entlasten, rette man lieber die Lufthansa und unterstütze die Auto-Industrie.
Wie Opitz fordert auch Elia Albrecht-Mainz (SPD) mehr Kitaplätze, eine bessere Betreuung in den Randzeiten, eine bessere Unterstützung für Alleinerziehende, passgenaue Bildungsangebote für Frauen ohne Berufsabschluss und mehr Frauen in Führungspositionen der Stadtverwaltung.
Die Stadt habe zwar schon einen Schritt nach vorn getan, besonders durch die Arbeit der Gleichstellungsstelle, doch zufrieden mit der aktuellen Situation ist auch Regina Boos von den Freien Demokraten im Rat nicht. Die Pandemie fördere eine Tendenz zutage, „die uns zurück in die Verhältnisse der 70er Jahre werfen könnte.“
Frauen arbeiten laut Gleichstellungsstelle oft in Branchen mit niedrigerem Einkommen. „Typisch weibliche Berufe“ seien immer noch Jobs in der Pflege, der Erziehung, im Verkauf und im künstlerisch-gestalterischen Bereich. Die Wünsche junger Frauen und Mädchen bei der Berufswahl hätten sich in den vergangenen Jahren kaum verändert. Allerdings: „Der Zugang zu männerdominierten Berufen ist für Mädchen mittlerweile wesentlich einfacher“, heißt es im Bericht. Darüber seien sich die jungen Frauen auch bewusst. Zu einem spürbaren Effekt bei der Berufswahl habe dies aber dennoch nicht geführt. Dies würden Jobcenter und Arbeitsagentur bestätigen.
Die Erwerbsquote von Frauen mit Kindern unter 18 Jahren stagniert und liegt mit knapp 62 Prozent deutlich unter dem NRW-Schnitt. Immerhin: Die allgemeine Beschäftigungsquote der Frauen hat einen deutlichen Sprung nach oben gemacht: von rund 38 Prozent im Jahr 2007 auf gut 49 Prozent im vergangenen Jahr.
Verwaltungsvorstand bald in Männerhand
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Auch den Schritt in die Selbstständigkeit wagen deutlich mehr Männer als Frauen. Allerdings gibt es belegbare Zahlen ausschließlich über den sogenannten Gründerzuschuss, der seit dem 1. April 2013 lediglich 191 Frauen gewährt wurde – und 435 Männern. Das entspricht einem Frauenanteil von 30 Prozent.
Noch geringer ist der Frauenanteil im Oberhausener Verwaltungsvorstand. Umweltdezernentin Sabine Lauxen wurde wie berichtet vom Rat nicht wiedergewählt und scheidet somit aus der Rathaus-Spitze aus. Folgt ihr keine Frau, beträgt der Männeranteil künftig 100 Prozent – so wie bereits in den Jahren bis 2012. Frauen besetzen derzeit gut 36 Prozent der Bereichsleiter-Stellen und 27 Prozent der Fachbereichsleiter-Stellen. In den Rathäusern und Dienststellen insgesamt sind Frauen mit knapp 63 Prozent in der Mehrzahl.
Nur zwei Frauen im Sportausschuss
In der Politik sieht es nicht anders aus, auch in den Gremien spiegelt sich derzeit eine klassische Rollenverteilung wieder: Während im Sportausschuss lediglich zwei Frauen sitzen (Anteil: 8,7 Prozent), beträgt ihr Anteil im Jugendhilfeausschuss gut 65 Prozent, im Gleichstellungsausschuss 62 Prozent. In lediglich acht von 24 Gremien liegt die Quote weiblicher Mitglieder bei 40 Prozent oder mehr. Und zurück zum Sport: Die Vorstände in den Oberhausener Sportvereinen sind zu 33 Prozent mit Frauen besetzt (Stand: 2017).
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Mit Luise Albertz hatte Oberhausen bislang eine Frau im Oberbürgermeister-Amt (1946 bis 1948 und 1956 bis 1979), von 22 Bürgermeistern gab es bislang lediglich drei Frauen: Gretel Kühr, Elia Albrecht-Mainz und Stefanie Opitz. In den Aufsichts- und Verwaltungsräten sowie den Geschäftsführungen der städtischen Gesellschaften sind Frauen ähnlich unterrepräsentiert.
Basis für künftige Arbeit
Die SPD hatte bereits Anfang März die Große Anfrage an die Stadtverwaltung gerichtet – also vor dem Corona-Lockdown in der Stadt. Die Antwort gebe allein schon Anlass zur Sorge, sagte SPD-Ratsfrau Elia Albrecht-Mainz. Doch die Corona-Krise würde viele Probleme noch einmal verstärken.
Die Antwort der Großen Anfrage müsse und werde die Politik nun als Basis nutzen, um Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die Frauen in Oberhausen zu stärken und die Unterschiede bei der Chancengleichheit zu minimieren.
Und auch bei der symbolischen Würdigung der Verdienste engagierter Oberhausener ziehen Frauen statistisch den Kürzeren: Die Stadt hat bislang 41 Frauen mit der Ehrennadel und 26 Frauen mit dem Ehrenring ausgezeichnet. Bei den Männern war man großzügiger: 125 Ehrennadeln und 142 Ehrenringe.