Oberhausen. Nach den Attacken der Oberhausener SPD auf die Wirtschaftspolitik von Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) schlägt die CDU empört zurück.
Wolfgang Große Brömer hatte sich nach eigenen Worten beim Blick auf die Tagesordnung der Hauptausschuss-Sitzung einen gemütlichen und kurzen Nachmittag im Ratssaal erhofft. Aber eigentlich konnte der 68-jährige Sozialdemokrat mit all seiner politischen Erfahrung kaum damit rechnen, dass sich die CDU drei Monate vor der Kommunalwahl ruhig zurücklehnen würde. Jedenfalls nicht nach dem Wahlparteitag der SPD am vergangenen Samstag in der Stadthalle: Dort griff der frisch gewählte Oberbürgermeister-Kandidat Thorsten Berg die Wirtschaftspolitik von Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) der vergangenen fünf Jahre scharf an („Wer die Erfolge sucht, der braucht eine Lupe“, Aufschwung unter Schranz sei „ein Ammenmärchen“, es sei „nix passiert“, „wertvolle Gewerbefläche an Edeka verscherbelt“). So nahm sich die CDU-Ratsfraktionsvorsitzende Simone-Tatjana Stehr am Wochenende vor, ihre Samthandschuhe auszuziehen.
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Denn die SPD-Ratsfraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin auf der SPD-Parteiliste für den Stadtrat, Sonja Bongers, legte mit einem eigenen, kurzfristig eingestellten Antrag im Hauptausschuss am Montag nach (TOP 10), um die Wirtschaftskritik von Berg zu stützen. Sie zeigte sich besorgt um die Zukunft der örtlichen Wirtschaft nach der Corona-Pandemie und fragte nach der Wirtschafts-Strategie der Stadtspitze.
Oberhausen schneidet in Rankings immer noch schlecht ab
Die SPD verwies dabei auf zwei Studien des Instituts der deutschen Wirtschaft, die jüngste erst von Anfang Juni 2020 (siehe Infokasten). Bei den Rankings von 71 Großstädten und 401 Regionen schneidet Oberhausen schlecht ab. „Durch den drohenden konjunkturellen Abschwung in Folge der Corona-Krise alarmieren uns solche Ergebnisse nun noch mehr“, meint Bongers. Schon im vergangenen Jahr hatte sie gefragt: „Warum ist in den letzten vier Jahren offenkundig wenig bis nichts für die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt geschehen?“
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Strategiedezernent Ralf Güldenzopf (CDU) legte ein Bündel an Zahlen vor, um aufzuzeigen, dass sich Oberhausen in den vier Jahren vor Corona gut entwickelt hat: Ein deutliches Beschäftigungsplus zwischen 4,2 und 6,6 Prozent seit 2015; die Arbeitslosenzahl mit 9,9 Prozent im Dezember 2019 so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr; so viele angebotene freie Stellen von Unternehmen wie selten zuvor; seit 2015 mehr angemeldetes Gewerbe. Außerdem sei Oberhausen beim Dynamik-Ranking seit 2016 um 27 Plätze vorgerückt- von Rang 396 auf 369. Zuvor hatte der Anfang Juli als oberster Wirtschaftsförderer ausscheidende Frank Lichtenheld pflichtschuldig dargelegt, wie fleißig seine Mannschaft in Corona-Zeiten Unternehmen geholfen habe.
Dies reichte CDU-Frontfrau Stehr nicht – sie hob zu einer langen wütenden Rede an, um die SPD-Argumentation auseinanderzunehmen und ihrer Empörung freien Lauf zu lassen: „Das ist der größte Fall politischer Amnesie (Gedächtnisverlust) in Oberhausen, den es je gegeben hat. Es ist traurig und es ist peinlich, was Sie hier versuchen. Es ist ein jämmerliches, populistisches Schauspiel. Schämen Sie sich!“
Stehr: „Schämen Sie sich!“
Nur in einem Punkt gab die Christdemokratin der SPD recht: „Die Wirtschaft ist eines der wichtigsten Probleme in unserer Stadt.“ Aber: „Dass Sie sich so verhalten, als hätte die SPD mit den Problemen gar nichts zu tun, ist der absolute Gipfel.“ In den Jahren vor der Amtszeit von Daniel Schranz, also in den Jahrzehnten der SPD-Dominanz in der Stadt, habe Oberhausen in bundesweiten Vergleichen überall die rote Laterne gepachtet (Schulden, Wirtschaft, Arbeitsmarkt), es habe überall Stillstand gegeben: Stahlwerksgelände verschleudert, „Kaiser & Ganz“ in Sterkrade abgerissen und Bauplatz liegen gelassen, höchste Gewerbe- und Grundsteuersätze, Wegzug von Unternehmen, keine Ski-Halle, kein gläserner Mensch, kein Fernsehstudio HDO.
SPD-Politiker schwiegen lange während der Rede
Seit 2015 bewegt sich nach Auffassung von Stehr endlich etwas zugunsten von Oberhausen: Edeka-Ansiedlung, Kaufhof-Umbau zum Hotel, innovative Wohnquartiere. Und nun? „Sie sind wie der Brandstifter, der das Haus in Flammen steckt, und sich dann darüber beklagt, dass nicht genug gelöscht wird“, sagte Stehr Richtung SPD. Der Ansiedlung des Edeka-Zentrallagers auf dem Waldteichgelände habe die SPD im Rat zugestimmt. „Und jetzt stellt sich dieselbe SPD hin und distanziert sich von dem Projekt?! Sie hätten es doch verhindern können!“
Der Furor von Stehr war so groß, dass während der Rede die SPD-Politiker lange Zeit ein wenig bedröppelt aussehend schwiegen – und nur einen einzigen Zwischenruf loswurden. Danach warf Bongers ihrer Ratskollegin Stehr vor, mit alten Kamellen Geschichtsklitterung zu betreiben: „Ich schaue nicht zurück, sondern lebe im Hier und Jetzt, will die Zukunft gestalten.“
Große Brömer empfand diese Entgegnung offenbar als zu freundlich – und meldete sich danach zu Wort. Höflich, aber bestimmt sagte er: „Die Kritik an der Wirtschaftspolitik hat die CDU offenbar empfindlich getroffen. Doch so einen aggressiven Vortrag finde ich unmöglich, der ist im Stil ziemlich daneben.“ Simone-Tatjana Stehr sei auf die alte CDU-Propaganda hereingefallen: „Dass in Oberhausen früher nichts passiert sei, sind doch Märchen von gestern.“