Oberhausen. Die mächtigste Fraktion im Rat der Stadt Oberhausen vollzieht gut ein Jahr vor der Kommunalwahl die personelle Erneuerung ihrer Spitze.

Historischer Personalwechsel der seit mehreren Jahrzehnten größten Fraktion im Oberhausener Stadtrat: Die SPD-Ratsmitglieder haben mit der 43-jährigen Rechtsanwältin und Landtagsabgeordneten Sonja Bongers einstimmig eine neue Vorsitzende gewählt – und damit erstmals eine Frau. Sie ist erst die fünfte Fraktionschefin, die die Fraktion nach dem Zweiten Weltkrieg führt.

Fast 18 Jahre lang, seit Dezember 2001, stand Wolfgang Große Brömer an der Spitze der einflussreichsten politischen Formation in der Stadt. Der 67-jährige frühere Gesamtschulleiter und Landtagsabgeordnete hat nach mehrmaligen Anläufen nun endgültig sein Amt abgegeben, um einen Generationswechsel gut ein Jahr vor der Kommunalwahl einzuleiten. Er zog bereits 1989 in den Rat ein und scheidet mit der Kommunalwahl im Herbst 2020 aus.

SPD-Chef dankt für lange „Kärrnerarbeit“

Bongers war schon seit 2015 eine der beiden stellv. Fraktionsvorsitzenden und ist für den Wahlkreis Lirich-Süd 2009 erstmals in den Rat eingezogen. Als neue Fraktionsvizin wurde mit einer Gegenstimme Silke Jacobs (Wahlkreis Klosterhardt-Süd) gewählt. Die 58-jährige Deutschlehrerin am Düsseldorfer Goethe-Institut ist erst seit Juni 2014 Mitglied des Rates. Die bisherige stellv. Fraktionsvorsitzende Kirsten Oberste-Kleinbeck (Alstaden-Nord) bleibt im Amt. Der erfahrene Ratsherr Manfred Flore kandidierte nicht für einen Vize-Posten. Damit hat die 23-köpfige SPD-Ratsfraktion nun eine rein weibliche Führungsmannschaft.

Oberhausens SPD-Chef Dirk Vöpel dankte Große Brömer für die lange „Kärrnerarbeit für die Ratsfraktion“ – der Osterfelder erhielt lang anhaltenden Beifall der Versammlung im dritten Stock des Rathauses.

Der neue Fraktionsvorstand mit dem bisherigen Ratsfraktionsvorsitzenden Wolfgang Große Brömer (von links). Im Bild: die neue stellv. Fraktionsvorsitzende Silke Jacobs, die neue Fraktionsvorsitzende Sonja Bongers und die weitere stellv. Fraktionsvizin Kirsten Oberste-Kleinbeck.
Der neue Fraktionsvorstand mit dem bisherigen Ratsfraktionsvorsitzenden Wolfgang Große Brömer (von links). Im Bild: die neue stellv. Fraktionsvorsitzende Silke Jacobs, die neue Fraktionsvorsitzende Sonja Bongers und die weitere stellv. Fraktionsvizin Kirsten Oberste-Kleinbeck. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Bongers appellierte an die Fraktion, solidarisch und mit frischem Wind ins Wahljahr 2020 aufzubrechen. „Wir wollen bei der Kommunalwahl die stärkste Fraktion bleiben“, kündigte Bongers an. „Wir müssen klar und verbindlich in unserer Haltung und unserem Handeln sein. Alle Bürger sollen wissen, dass wir für ein solidarisches Miteinander in unserer Stadt stehen.“ Bongers hatte schon zuvor versprochen, die Fraktion mit einem einbindenden Führungsstil nach vorne zu bringen. In den nächsten Wochen sollen die Themen für den Wahlkampf diskutiert und festgezurrt werden.

Im ausführlichen Interview mit der Redaktion zieht Wolfgang Große Brömer eine gemischte Bilanz. Er lobt als „Verdienst der Sozialdemokratie“ vor allem den Ausbau der Bildungs- und Kitalandschaft in Oberhausen, aber auch den in den 90er Jahren massiv angeschobenen Strukturwandel in der Stadt, vor allem durch den Bau der Neuen Mitte. Kritisch räumt er allerdings ein: „Wir haben aus solidarischen und sozialen Überlegungen sehr lange bei Kohle und Stahl darum gekämpft, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Doch wir hätten früher über Zukunftsperspektiven nachdenken müssen – auch im Bund und Land.“

Beispielloser Absturz der SPD

Den bundesweiten Absturz seiner Partei erklärt sich Große Brömer mit einem Bündel an Ursachen – den Grund in der Agenda 2010 zu suchen, sei zu einfach. „Der Sinkflug der SPD begann schon früher in den 90er Jahren: Viele Wähler nahmen SPD-Politiker nicht mehr als zugehörig war; der Partei fehlten schon damals Ideen für bessere Lebensperspektiven verschiedener Wählerschichten – das hat die Schröder-Ära nur überdeckt. Wir haben dies nicht richtig wahrgenommen, weil wir immer noch glaubten, das wird schon irgendwie gut gehen.“

Unser Kommentar: Warum der SPD-Personalwechsel eine Zeitenwende bedeutet