Oberhausen. Angriffslustig geht die Oberhausener SPD in den Kommunalwahlkampf – und wählt einen politisch Unbekannten zum Oberbürgermeister-Kandidaten.
Mit einem Wahlkampf der klaren Kante und harter Angriffe auf den seit 2015 amtierenden Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) will der 51-jährige Sozialdemokrat und Sparkassen-Filialleiter Thorsten Berg Stadtoberhaupt von Oberhausen werden.
Der Polit-Neuling aus dem SPD-Ortsverein Alsfeld-Holten erzielt nach einer gut halbstündigen selbstbewussten Rede auf dem Wahlparteitag der Oberhausener SPD in der Stadthalle am Samstag 95,8 Prozent der Stimmen: 91 von 95 Delegierten befürworten in der geheimen Wahl seine Oberbürgermeister-Kandidatur, drei enthielten sich, nur einer kreuzt „Nein“ an.
SPD Oberhausen setzt auf Sieg bei fünf Wahlen am 13. September 2020
SPD-Chef Dirk Vöpel und SPD-Fraktionschefin Sonja Bongers setzen auf Sieg am 13. September: bei der OB-Wahl, der Ratswahl und bei den Wahlen zu den drei Bezirksvertretungen. „Wir wollen so stark werden, dass niemand an uns vorbei Oberhausen regieren kann“, sagte Bongers in der Luise-Albertz-Halle.
Ausgerechnet das zentrale Themengebiet Wirtschaft, auf dem Schranz seine größten Erfolge in den vergangenen fünf Jahren sieht, hält die SPD für die größte Schwachstelle des Christdemokraten. Der von Schranz reklamierte Aufschwung entpuppe sich als „reines Ammenmärchen“, wenn man die Zahlen analysiere. „Wer die Erfolge sucht, braucht eine Lupe“, sagt Thorsten Berg. „Nix passiert ist bei Brückenschlag in der Innenstadt, beim Multifunktionsgebäude in Osterfeld, beim Bahnhof Sterkrade oder bei der Bebauung des früheren Osterfelder Hallenbad-Areals.“
Der Überraschungs-Kandidat für das Oberbürgermeister-Amt
Selbst für Partei-Kenner ist Thorsten Berg überraschend als Kandidat der Sozialdemokraten für den Chefposten im Oberhausener Rathaus ausgewählt worden. Der langjährige Leiter der Stadtsparkassen-Filiale Sterkrade (seit 2009) ist bisher politisch in der Stadt noch nicht in Erscheinung getreten, er hatte weder ein Mandat noch eine Parteifunktion. Für die meisten Bürger ist der verheiratete Vater von zwei Kindern ein völlig unbekanntes Gesicht.
Berg wurde 1969 in Gelsenkirchen als Sohn eines Bergmanns und einer Verkäuferin geboren, seit dem dritten Lebensjahr lebt er in Oberhausen. Er machte 1988 Abitur am Novalis-Gymnasium, absolvierte seine Bankkaufmanns-Lehre bei der Stadtsparkasse Oberhausen. Seit 2008 gehört er dem Personalrat der Sparkasse an und sitzt seit 2014 im Verwaltungsrat.
Insgesamt sei die Arbeitslosigkeit seit 2015 nur leicht gesunken, die Zahl der Beschäftigten mit 2,5 Prozent schwach gestiegen – und das sei nur dem weltwirtschaftlichen Boom zu verdanken. „Wir hinken anderen Städten hinterher. Wir liegen sogar hinter Gelsenkirchen (plus 4,7 Prozent), das darf doch nicht wahr sein.“ Beim neuesten Städteranking des Instituts der deutschen Wirtschaft zur Wirtschaftsstruktur von 401 Kreisen/Städten belege Oberhausen den letzten Platz.
„Um hier erfolgreich zu sein, müssen wir massiv in die Wirtschaftsförderung investieren. Bisher gibt es hier nur eine Handvoll Mitarbeiter – das ist lächerlich.“ Oberhausen benötige eine neue Wirtschafts- und Strukturentwicklungsgesellschaft. Diese soll auch die Stadtplanung inklusive Verkehrskonzepte erarbeiten sowie Städtebau-Fördermittel komplett abrufen.
Berg: Für Edeka-Zentrallager wurde wichtige Gewerbefläche in Oberhausen verscherbelt
Für völlig falsch hält der Bankkaufmann die Entscheidung, das Edeka-Lager im Oberhausener Norden bauen zu lassen. „Hier wird eine Gewerbefläche verscherbelt.“ Statt 1500 Arbeitsplätze würden dort kaum Jobs geschaffen. „In wenigen Jahren läuft die Logistik dort vollautomatisch. Da arbeitet dann kaum noch jemand, aber der Lkw-Verkehr nervt die Anwohner.“
Und genauso angriffslustig setzt Berg seine Rede fort: Das Wohnquartier Stahlwerksgelände – „eine Nebelkerze“, eine „Handzeichnung auf Grundschulniveau“; Strategiedezernent Ralf Güldenzopf (CDU) – „ein alter Kumpel des OB, eine völlige Fehlbesetzung“; Verkehrsplanung – „nur Chaos; der Breitbandausbau für Schulen – „immer noch nicht angefangen“.
Was SPD-OB-Kandidat Thorsten Berg anders machen will
Doch was will Berg anders machen in den von ihm genannten Kernthemen Wirtschaft, soziale Gerechtigkeit, Bildungsgerechtigkeit und Klimaschutz? Oberhausen soll beispielsweise eine lebenswerte Stadt für Senioren bleiben – mit altersgerechten Angeboten, Beratungen für barrierefreie Wohnungen, dem Erhalt der Vor-Ort-Infrastruktur. Für Familien will er die „desolaten Betreuungsangebote“ ausbauen – und die derzeit fehlenden 700 Kita-Plätze zügig bereitstellen.
Berg hält angesichts steigender Schülerzahlen eine neue Gesamtschule für notwendig. Jedem Schüler und Lehrer will er unabhängig vom Einkommen der Eltern ein Tablet kostenlos überlassen. Das in Bottrop entwickelt Klimaschutz-Programm „Innovation City“ schlägt er für ganz Oberhausen vor.
Der starke Auto-Verkehr rund ums Centro soll durch eine neue Straßenbahnlinie 105 und durch eine Seilbahn entlastet werden. S-Bahn-Haltepunkte in Alstaden, Buschhausen und auf dem Stahlwerksgelände will Berg vorantreiben. Und um die Schäden der Corona-Pandemie für Unternehmen abzumildern, stößt die SPD ein kommunales Sofort-Programm an – schon in der nächsten Ratssitzung am 22. Juni.