Oberhausen. Die Corona-Krise könnte die Arbeitsweise des Jobcenters nachhaltig ändern. Es wären weniger persönliche Termine nötig – dank digitaler Angebote.

Die Corona-Krise könnte die Arbeitsweise des Oberhausener Jobcenters nachhaltig verändern und den ohnehin eingeschlagenen Weg der Digitalisierung erheblich beschleunigen. Die Zahl der bislang zwingend notwendigen Behördengänge für Hartz-IV-Empfänger und andere Ratsuchende könnte merklich sinken, die Bearbeitungszeit so mancher Vorgänge verkürzt werden.

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„Neue Abläufe haben sich nach kurzer Zeit etabliert“, sagt Jobcenter-Pressesprecher Josef Vogt. Die Corona-Krise habe gezeigt: „So geht’s auch.“ Statt die Ratsuchenden, etwa bei drohenden Stromsperren, mit Unterlagen vom Jobcenter zur Energieversorgung (EVO) zu schicken, werden diese Dokumente nun digital übermittelt. Vorher undenkbar? Die bisherige Vorgehensweise hat sich laut Vogt über die Jahre durchgesetzt, „aber jetzt haben sich für uns alle neue Blickwinkel eröffnet“.

Beratung via Videokonferenz

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Einen großen Schritt in Richtung weiterer Digitalisierung macht zudem eine neue Smartphone-App, die vor der Corona-Krise bereits geplant, jetzt aber mit Hochdruck fertigentwickelt wurde. Statt Unterlagen künftig persönlich im Jobcenter vorbeizubringen, soll in vielen Fällen künftig ein Foto des Schriftstückes reichen. Für gewisse Beratungstermine müssten die Hartz-IV-Empfänger nicht mehr zwingend in der Behörde erscheinen – es geht auch via Videokonferenz.

Jobcenter-Geschäftsführer und Pressesprecher: Uwe Weinand und Josef Vogt (v.l.).
Jobcenter-Geschäftsführer und Pressesprecher: Uwe Weinand und Josef Vogt (v.l.). © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

So könne man etwa Jugendliche viel besser erreichen, die ihre Termine nicht einhalten, meint Jobcenter-Geschäftsführer Uwe Weinand. Und noch eine Gruppe würde profitieren, die unter der derzeitigen Situation besonders leidet: Jobcenter-Kunden mit sprachlichen Problemen. Die App biete die Möglichkeit, dass sich Betroffene im persönlichen Umfeld an eine Vertrauensperson wenden, um Anträge zu übersetzen oder komplexe Sachverhalte zu erklären. Mit dem Smartphone gehe das viel schneller und einfacher als stationär am heimischen Computer.

Das Zwischenmenschliche geht verloren

Komplett auf die persönlichen Kontakte verzichten könne und wolle das Jobcenter aber nicht, sagt Geschäftsführer Uwe Weinand. Der zwischenmenschliche Aspekt spiele in den Beratungen eine große Rolle. Das merkten auch die rund 350 Mitarbeiter des Jobcenters dieser Tage deutlich: Rund ein Drittel arbeitet im Homeoffice, also von zu Hause aus. Technisch funktioniere das einwandfrei, „aber vielen Kollegen fehlt das Zwischenmenschliche, der Kontakt zu Kollegen, der persönliche Austausch“.

Leichter Anstieg bei neuen Anträgen

Derzeit ist die Arbeit der Jobcenter-Mitarbeiter auf das Wesentliche beschränkt. „Leistungen sollen nahtlos weiter bewilligt, neue Anträge schnell bearbeitet werden“, erklärt Geschäftsführer Uwe Weinand. Neue Ratsuchende würden sich in der Regel per E-Mail melden, die Berater meldeten sich daraufhin telefonisch, um die Antragsteller durch die Online-Formulare zu navigieren.

Während der Corona-Krise sei die Zahl der neuen Unterstützungs-Anträge im Vergleich zu Zeiten vor der Pandemie leicht angestiegen, erklärt Weinand weiter. Ob dies direkt auf die Krise zurückzuführen ist, sei unklar. Das Jobcenter erhebe keine Daten darüber, warum ein Mensch auf Hilfe angewiesen ist.

Und auch wenn die meisten Menschen ein Smartphone besitzen, sind nicht alle versiert im Umgang mit der modernen Technik. So wie die Kundin, die jüngst ein Dokument senden wollte, bei den Handyfotos aber stets einen kleinen Teil des Schriftstückes nicht mit abfotografiert hat. „Es waren mehrere Telefonate nötig, um das Problem zu lösen“, erzählt Weinand, der das Prozedere live miterlebt hat. Auch solchen Kunden werden nach der Krise wieder die Berater persönlich beiseite stehen.