Oberhausen. Die armen NRW-Städte haben jahrelang gekämpft und argumentiert – doch im Konjunkturpaket befindet sich keine Lösung für ihre hohen Altschulden.
Die im Konjunkturpaket der schwarz-roten Bundesregierung versteckten Hilfen für arme Kommunen werden Oberhausen zwar finanziell ein Stück weit entlasten, doch die fehlende Lösung für die Altschulden-Problematik der Städte im Ruhrgebiet und im Bergischen Land bedrückt die Verantwortlichen an der Oberhausener Rathaus-Spitze. Dabei hilft der kräftige Zuschuss für Wohnkosten von Arbeitslosen (18 Millionen Euro im Jahr) und für den Einbruch der Gewerbesteuer Oberhausen (zweistellige Millionensumme) sogar kurzfristig stärker, als die Übernahme der Schulden gebracht hätte (15 Millionen Euro weniger Zinslasten im Jahr). Mittelfristig aber hängt Oberhausen ohne Altschuldenlösung durch.
„Hier wurde eine historische Chance verpasst, diese Jahrhundertaufgabe endgültig zu lösen. Die Möglichkeit, einen Befreiungsschlag für die Kommunen zu erreichen, ist noch nie so groß gewesen. Dann wären die Städte aus der Schuldenfalle herausgekommen, alleine schafft das Oberhausen nicht“, sagt Kämmerer Apostolos Tsalastras in einer ersten Reaktion auf das am Mittwochabend veröffentlichte Konjunkturpaket. Er ist auch Mitglied des Präsidiums der NRW-SPD.
Oberhausen hat rund 1,9 Milliarden Euro Altschulden, davon 1,55 Milliarden Euro an Kassenkrediten. Trotz Niedrigzinsphase zahlt Oberhausen darauf jährlich 24 Millionen Euro an Kreditzinsen, die natürlich im laufenden Haushalt zur Finanzierung der ordentlichen Ausgaben von 827 Millionen Euro fehlen.
Die hohen Schulden sind nicht nur nach Auffassung des Oberhausener Finanzchefs vor allem durch den Strukturwandel, also den Wegfall von 60.000 Industriearbeitsplätzen in der Stahl- und Kohlebranche, verursacht. „Ursächlich für die Kreditlast waren globale Entwicklungen, für die die Kommunen und Länder nichts können. Deshalb ist es zu recht Aufgabe des Bundes, hier eine Lösung zu erreichen. Doch die ist nun vom Tisch – wahrscheinlich für viele Jahre. Nun muss das Land alleine sich dieses Problems annehmen.“
Kein Altschulden-Konzept der NRW-Landesregierung
Ob das aber von der schwarz-gelben Landesregierung gewollt und finanziell umsetzbar ist, bleibt fraglich. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte in den Wochen der Diskussion keine eigenes Konzept zur Altschulden-Frage ins Rennen geworfen, sondern sich am Ende nur auf die erhöhten Bundeshilfen für die Wohnkosten der Arbeitslosen konzentriert.
Die so technisch wirkende Finanzakrobatik hat enorme Folgewirkung auf das Leben der einzelnen Bürger in den Städten. Der Vorschlag von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), dass der Bund die Hälfte der Kassenkredite der Kommunen übernimmt und das jeweilige Land die andere, hätte für Oberhausen eine schlagartige Sanierung bedeutet – und überhaupt einen Spielraum, um die Corona-Krise und folgende Krisen zu bewältigen.
Jährlich 15 Millionen Euro weniger Zinsen
Nach Rechnung der Stadtkämmerei hätte Oberhausen dadurch jährlich 15 Millionen Euro weniger Zinsen für Darlehen zahlen müssen. Zudem hätte Oberhausen kein negatives Eigenkapital von 1,1 Milliarden Euro mehr, also wäre nicht mehr heillos überschuldet, sondern hätte ein positives Eigenkapital von über 450 Millionen Euro gehabt.
Einnahmen aus der Gewerbesteuer sinken um ein Viertel
Durch die Corona-Wirtschaftskrise wird die Stadt Oberhausen allein in diesem Jahr 43 Millionen Euro an Steuereinnahmen verlieren – und im nächsten Jahr sogar 58 Millionen Euro. Das geht aus den Berechnungen der Stadtkämmerei nach der neuesten Steuerschätzung von Bund und Land hervor. Allein die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sinken um 25 Prozent.
Darin einberechnet sind noch nicht die Corona-Mehrkosten der Stadt für Feuerwehr, Gesundheitsamt, zusätzliche Hartz-IV-Familien oder die Verluste an Vergnügungssteuern. Die Stadt schätzt dieses Loch auf mindestens acht Millionen Euro.
Damit sind durch Corona praktisch alle Erfolge des seit 2011 laufenden Sparpakets mit massiven Service-Einschnitten und Steuererhöhungen für Bürger im Rahmen des Landes-Stärkungspaktes für arme Kommunen zunichte gemacht – Einnahmen und Ausgaben von etwa 850 Millionen Euro hielten sich dadurch seit 2017 in der Waage, ohne neue Schulden machen zu müssen.
„Jetzt habe ich keine Reserven, um die Ausfälle durch Corona ab dem Jahr 2022 auszugleichen, sondern muss wieder über zehn Jahre ein Sparpaket schnüren. Doch ein dickes Konsolidierungspaket haben wir mit dem Stärkungspakt Stadtfinanzen gerade hinter uns, haben Steuern erhöht und kräftig gespart. Wie lange hält das eine Kommune durch?“, fragt Tsalastras rhetorisch.
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Oberhausen hat bereits einen der höchsten Gewerbesteuersätze bundesweit, auch der Grundsteuer-Satz, der alle Bürger trifft, liegt im Stadtvergleich weit oben. Deshalb beteuert der Sozialdemokrat: „Auf keinen Fall können wir nochmals die Steuern erhöhen, unsere Bürger sind schon genug belastet.“
Finanzspritzen des Landes helfen kurzfristig
Dabei helfen die vom Bund mit dem Konjunkturpaket gewährten Finanzspritzen Oberhausen kurzfristig sogar stärker als die langfristig angelegte strukturelle Altschulden-Entlastung. So wird der Bund zusammen mit dem Land den Gewerbesteuerausfall durch die Corona-Pandemie in diesem Jahr ausgleichen – das macht eine zweistellige Millionenzahl für Oberhausen aus. Denn die Stadt verliert allein in diesem Jahr durch die schwere Wirtschaftskrise 30 Millionen Euro von geplant 109 Millionen Euro an Gewerbesteuer-Einnahmen.
Schlimmer aber noch ist der verzögerte Einbruch der Schlüsselzuweisungen des Landes, die sich erst 2021 mit einem Minus von 34 Millionen Euro und 2022 mit einem Minus von 20 Millionen Euro für Oberhausen auswirken. Dieser Einbruch wird von niemandem ausgeglichen. Insgesamt bekommt Oberhausen derzeit jährlich eigentlich rund 240 Millionen Euro vom Land NRW – damit sind die Schlüsselzuweisungen mit Abstand die wichtigste Einnahmequelle der Stadt.
Höhere Übernahme von Wohnkosten der Arbeitslosen
Die zweite Finanzvereinbarung des Konjunkturpakets zugunsten von Kommunen, die mit hohen sozialen Kosten belastet sind, erspart Oberhausen dauerhaft Aufwendungen: Der Bund trägt künftig statt bis zu 50 Prozent der Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger bis zu 75 Prozent. Das macht für Oberhausen etwa eine Entlastung von 18 bis 20 Millionen Euro im Jahr aus. Derzeit muss die Stadt im Jahr rund 70 Millionen Euro aufbringen, von denen der Bund gut 40 Prozent tatsächlich bezuschusst.
Unter dem Strich kalkuliert der Oberhausener Stadtkämmerer mit einem Corona-Finanzdefizit ab 2022 von 42 Millionen Euro, das mit dem Hartz-IV-Paket des Bundes nun nur um die Hälfte reduziert wird. „Ich muss dann wieder ein Programm zur Haushaltskonsolidierung auflegen.“ Mit Einschnitten fürs Rathaus-Personal, für den städtischen Service für Bürger und vielleicht doch Steuererhöhungen?