Essen. Der Bundesfinanzminister spannt einen riesigen Rettungsschirm für Kommunen auf. NRW will “Beitrag“ leisten. Speziell das Revier profitiert.

Mit einem 57 Milliarden Euro schweren „Solidarpakt“ will Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) den Städten und Gemeinden in der Coronakrise finanziell unter die Arme greifen. Wie die WAZ aus Parlamentarierkreisen in Berlin erfuhr, strebt Scholz zusammen mit den Bundesländern die komplette Übernahme sämtlicher kommunaler Altschulden an. Allein dafür sollen Bund und Länder 45 Milliarden Euro bereitstellen. Die Hälfte der Summe will der Bund übernehmen, die andere Hälfte sollen die Länder mit betroffenen Kommunen beisteuern.

Zwölf Milliarden für Verluste bei den Gewerbesteuern

Weitere zwölf Milliarden Euro sollen fließen, um die wegen der Corona-Krise wegbrechenden Gewerbesteuereinnahmen zu kompensieren. Auch hier sollen sich Bund und Länder die kommunale Finanzhilfe teilen. Die Gewerbesteuer gehört zu den wichtigsten Steuerquellen für die Städte. Die Altschuldenübernahme würde insbesondere das Ruhrgebiet entlasten. In den Revierstädten konzentrieren sich mit 14,5 Milliarden Euro fast ein Drittel aller kommunalen Kassenkredite.

Zwei-Stufen-Modell

Laut dem Eckpunktepapier „Kommunaler Solidarpakt 2020“ des Bundesfinanzministeriums, das dieser Redaktion vorliegt, soll die Altschuldenübernahme in einem zweistufigen Modell erfolgen. Demnach übernimmt das Land die übermäßigen Liquiditätskredite seiner Kommunen zunächst komplett. Anschließend übernimmt der Bund vom Land 50 Prozent der vom Land übernommenen Liquiditätskredite.

Über eine Lösung der Altschuldenfrage wird seit vielen Monaten debattiert. Besonders im Ruhrgebiet wartet man ungeduldig auf eine Lösung. Die hohen Verbindlichkeiten der Kommunen hemmen die wirtschaftliche Entwicklung im Revier. Die Lösung der Altschuldenfrage gehört zu den zentralen Herausforderungen dieser Region.

Folgen der Pandemie

Denn selbst trotz vor der Corona-Krise deutlich verbesserter Einnahmen und Erfolgen bei der Haushaltskonsolidierung kamen viele hoch verschuldete Städte in NRW beim Abbau ihrer Liquiditätskredite nicht voran. Die Folgen der Pandemie drohen zudem die gerade gewonnene finanzielle Stabilität vieler Revierstädte wieder zunichte zu machen. Auch die durch Finanzminister Scholz jetzt in Aussicht gestellte Kompensation von Gewerbesteuer-Mindereinnahmen dürfte im Ruhrgebiet daher als wichtiges Signal wahrgenommen werden.

Wie die WAZ erfuhr, strebt Scholz noch vor der Sommerpause einen Kabinettsbeschluss für den kommunalen Schutzschirm an. Bis November könnte der "Kommunale Solidarpakt 2020“ dann auf den Weg gebracht werden.

Städte zeigen sich erleichtert

Die Kommunen begrüßen die Pläne des Bundesfinanzministeriums. Die Städte seien „sehr erleichtert“ über den Vorschlag, erklärte der Präsident des Deutschen Städtetags, der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung, am Samstag. Jung bezeichnete den Scholz-Plan als "kluges Konzept, Hilfen in der Coronakrise mit der Lösung des Altschuldenproblems zu verbinden.“ Das könne zu einem großen Wurf werden. Der Vorschlag komme zudem zur rechten Zeit.

SPD: NRW-Ministerpräsident Laschet muss "Schluss mit Mikado machen"

Achim Post, Vorsitzender der NRW-Landesgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion, forderte am Samstag die NRW-Landesregierung auf, nun eigene Vorschläge zur Hilfe für Kommunen vorzulegen. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) müsse jetzt "Schluss mit Mikado machen und aus der Deckung kommen", sagte Post der WAZ. Ähnlich äußerte sich Michael Groß, Bundestagsabgeordneter aus Recklinghausen und Sprecher der Ruhr-SPD-Abgeordneten im Bundestag: "Für die Kommunen im Ruhrgebiet wäre die Altschuldenübernahme ein großer Befreiungsschlag und ein Ausbruch aus dem Teufelskreis. Armin Laschet muss endlich dem Widerstand bei CDU und CSU entgegentreten. Wir brauchen Kommunen mit Handlungs- und Gestaltungsspielräumen und kraftvolle Zukunftsinvestitionen in unsere Infrastruktur", sagte Groß dieser Redaktion.

Land NRW erklärt Kooperationsbereitschaft

Die nordrhein-westfälische Landesregierung erklärte noch am Samstag ihre Kooperationsbereitschaft. „Für uns gilt weiterhin, wenn der Bund eine Altschuldenregelung schafft, werden wir als Land Nordrhein-Westfalen einen substanziellen Beitrag zu einer maßgeschneiderten Lösung für "unsere" Kommunen leisten“, erklärte Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) gegenüber der Deutschen Presseagentur.

Scholz rief am Samstag die Bundesländer auf, schnell zu einer Entscheidung zu kommen. „Das ist eine Debatte, die keinen weiteren Aufschub braucht. Die muss jetzt geführt werden, auch dringend und auch gerne mit unterschiedlichen Ansichten“, sagte Scholz in Berlin. „Ungelöst sollte das Thema nicht bleiben.“

"Wir müssen das Altschuldenproblem lösen"

„Ich habe angekündigt, dass ich dazu Vorschläge machen will. Ich glaube, dass ist jetzt auch der richtige Zeitpunkt sie zu diskutieren“, sagte Scholz in der SPD-Parteizentrale.

„Wir müssen das Altschuldenproblem lösen, indem der Bund und die Länder, in denen unsere Städte und Gemeinden liegen, diese Gemeinden entlasten“, sagte Scholz. „Und wir müssen dafür sorgen, dass die Einnahmeausfälle, die in diesem Jahr entstehen, nicht dazu führen, dass Investitionen zurückgefahren werden, dass Aufgaben nicht bewältigt werden können, die jetzt ja noch dringender sind, als ohnehin schon.“ (mit dpa)