Oberhausen. Auch während der Coronakrise machen Telefonbetrüger Jagd auf das Geld von Oberhausener Senioren. Gut, dass es Menschen wie Claudia Wehrmann gibt.

Die Handschrift kam ihr bekannt vor. Das ganze April-Wochenende wälzte Claudia Wehrmann Gedanken und beugte sich immer wieder über die Polizeifotos, auf denen zwei Briefe voller Geld abgebildet waren. Abgegeben in ihrer Oberhausener DHL-Station, adressiert an Telefonbetrüger und abgefangen von der Polizei. Doch wer war die Absenderin? Die Filialleiterin des Paket- und Postunternehmens erinnerte sich – und landete gleich am Montag einen Volltreffer.

Krisenzeiten sind für Betrüger Hochzeiten. Sie wittern das schnelle Geld, wenn die zumeist älteren Opfer – wie in der aktuellen Corona-Pandemie – besonders verunsichert sind. Ob bittend als kranker Enkel, fordernd als falscher Polizist oder durchtrieben als Schuldeneintreiber: Am Telefon lassen die Betrüger alle Skrupel fallen.

Telefonbetrug hat bei einer Oberhausenerin zunächst Erfolg

Das bekam im März auch eine Oberhausenerin zu spüren. Während ihr Ehemann im Sterben lag, meldete sich ein vermeintlicher Rechtsanwalt bei der 81-Jährigen und versuchte aggressiv, angebliche Spielschulden einzutreiben. Nach dem Tod ihres Ehemannes willigte die Seniorin ein und schickte Ende März zwei Briefe mit mehreren tausend Euro an die genannte Braunschweiger Adresse.

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Die ist Post und Polizei einschlägig bekannt – weshalb ein aufmerksamer Briefträger Alarm schlug. Die Ordnungshüter beschlagnahmten die wertvollen Schreiben mit Hilfe der Staatsanwaltschaft und öffneten sie auf Anordnung des Gerichts – allerdings fehlten Angaben über die Absenderin.

Claudia Wehrmann bekommt Post – und erinnert sich

Womit Claudia Wehrmann ins Spiel kam. Durch die Sendungsverfolgung ermittelte die DHL die Schmachtendorfer Filiale an der Dudeler Straße als Ort der Brief-Aufgabe. Wehrmann bekam Post von der Polizei Oberhausen mit Fotokopien und grübelte los.

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Und tatsächlich: Anhand der Handschrift kam Claudia Wehrmann die Seniorin in den Sinn, mit der sie sich auch schon unterhalten hatte. Doch bei diesem glücklichen Zufall blieb es nicht, stand die ältere Frau doch gleich am Montag in der Filiale auf der Matte – nichtsahnend, dafür aber unverhofft vorbereitet.

Denn die Einlieferungsbelege habe die Oberhausenerin auf Nachfrage vorzeigen können und sprachlos reagiert, als die Filialleiterin ihr die gute Nachricht übermittelt habe, dass das Geld von der Polizei abgefangen und nicht beim Betrüger gelandet sei. „Wobei ich auch ein bisschen geschimpft habe. So viel Geld darf man nicht in so einem Brief verschicken“, erinnert sich Wehrmann zwischen Schmunzeln und Staunen.

Werner Nakot: Leute sind sensibilisiert für das Thema

Erstaunt ist auch Werner Nakot. „Das ist ein außergewöhnlicher Fall, für mich ziemlich einmalig“, sagt der Leiter des Kommissariats Prävention und Opferschutz bei der Polizei Oberhausen und betont, wie achtsam sich alle Beteiligten in der Situation verhalten hätten. „Die Leute sind sensibler für das Thema geworden. Zusteller achten auf solche Briefkästen, Banken fragen bei Geldauszahlungen deutlicher nach – da bin ich richtig froh.“

Werner Nakot, Leiter des Kommissariats Prävention und Opferschutz bei der Polizei Oberhausen, spricht von einem außergewöhnlichen Fall – und rät zur Wachsamkeit.
Werner Nakot, Leiter des Kommissariats Prävention und Opferschutz bei der Polizei Oberhausen, spricht von einem außergewöhnlichen Fall – und rät zur Wachsamkeit. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Kein Verständnis habe der Polizist dagegen, wenn Vorwürfe gegen die Senioren erhoben würden – auch wenn die Methoden bekannt seien. „Das sind Gegner am Telefon. Sie sind professionell geschult“, weiß Werner Nakot aus langjähriger Erfahrung. Die gute Nachricht: Einen Anstieg der Betrugsfälle während der Coronakrise können der Leiter und seine Kollegen bislang nicht feststellen.

Polizei Oberhausen und die Seniorensicherheitsberatung klären auf

Dennoch mahnt Werner Nakot weiter zur Wachsamkeit und gibt die Ratschläge „Auflegen oder Rückversichern“. Ein kranker Enkel bittet um Geld? Ein Anruf bei der Familie kann aufklären. Auch die Polizei bzw. die Seniorensicherheitsberatung (s. Infobox) helfen schnell und unkompliziert.

Beratung am Telefon und im Internet

Ansprechpartner zum Thema Telefonbetrug finden Senioren nicht nur bei der örtlichen Polizei, sondern auch bei der S eniorensicherheitsberatung Oberhausen. Gut 25 ehrenamtliche Berater kümmern sich dort um die Anfragen, geschult werden sie von der Polizei.

Die Seniorensicherheitsberatung, 2010 ins Leben gerufen, ist jeden zweiten Dienstag im Monat unter 0208-8264511 (14 bis 16 Uhr) erreichbar. Dazu gibt es im Internet unter seniorensicherheitsberatung-oberhausen.de weitere Informationen – ebenso wie bei Facebook.

In Schmachtendorf ist Claudia Wehrmann derweil froh, ihren Teil zum Happy-End beigetragen zu haben. „Die Seniorin kam nochmal vorbei und hat sich bedankt – das war gar nicht nötig. Ich hab mich total gefreut und die gute Tat für den Tag erledigt.“

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