Oberhausen/Duisburg. Ein Betreiber von Spielhallen in Oberhausen und Duisburg hofft, bald öffnen zu können. Suchthelfer aber begrüßen die Schließungen wegen Corona.

Fünf Spielotheken, eine Shisha-Bar: Emil Tagiyev ist auf Geschäftsfeldern aktiv, die in der Corona-Krise besonders einstecken müssen. Aber während die Sorgen der Gastronomiebetriebe inzwischen zumindest gehört würden, lasse man die Glücksspielbranche „wieder mal als das schwarze Schaf zurück“, beklagt Tagiyev. „Wir dürfen seit Mitte März nicht mehr öffnen. Dabei wäre es bei uns ganz einfach, Hygienestandards einzuhalten“, sagt der Oberhausener, der unter anderem auch in Duisburg zwei Spielotheken betreibt.

25.000 Euro kostet alleine das monatliche Leasing der Automaten

Die Spielautomaten hätten seine Mitarbeiter auch vor Corona nach jeder Benutzung gesäubert. Dazu sei eine maximale Gästezahl ohne Probleme einzuhalten, weil man einfach am Eingang kontrollieren könne. „Kontrollen sind für unsere Gäste ja ohnehin viel üblicher als in anderen Branchen“, findet Tagiyev.

Auch der Verband der Deutschen Automatenwirtschaft behauptet, man könne problemlos einen starken Infektionsschutz sicherstellen. Es könne dafür gesorgt werden, dass nicht mehr Gäste eintreten als die maximal zugelassenen zwölf Geldspielgeräte. „Mit Trennwänden stellen wir sicher, dass sich unsere Spielgäste nicht zu nahe kommen können“, heißt es von dem Verband.

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„Bleibt es dennoch bei den Schließungen, sieht es für uns sehr kritisch aus“, sagt Emil Tagiyev. Für seine fünf Spielhallen hat er einmalig 25.000 Euro Soforthilfe vom Land NRW erhalten. „Alleine die monatlichen Leasing-Kosten für die insgesamt 70 Geräte belaufen sich aber schon auf 25.000 Euro“, erzählt der 29-Jährige. Miete, Strom, Versicherungen – all dies komme oben drauf.

Ein schwacher Trost: Tagiyev hört von seiner Familie in der Ukraine, dass sich dort überhaupt keine Notgelder beantragen lassen. „Trotzdem fühlen wir uns auch in Deutschland von der Politik ungerecht behandelt – obwohl gerade die Städte im Ruhrgebiet von den Spielhallen durch hohe Steuereinnahmen enorm profitieren.“

Wandern mehr Suchtkranke in Online-Casinos ab?

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Suchthelfer hoffen dagegen, dass sich durch die lange Schließung der Spielhallen auch die Zahl der gefährdeten Glücksspieler verringern wird. In NRW gibt es nach Schätzungen der Landeskoordinierungsstelle Glücksspielsucht rund 40.000 sogenannte pathologische Glücksspieler – also Menschen mit krankhafter Spielsucht. Weitere rund 45.000 seien problematische Spieler, die gefährdet sind, in die Sucht abzudriften.

„Für diese Menschen, die noch nicht so tief drin stecken, sind die derzeitigen Schließungen eine riesige Chance, aus dem Glücksspiel auszusteigen“, sagt Selbsthilfereferent Hartmut Görgen vom Fachverband Glücksspielsucht mit Sitz in NRW. „Jeder spielfreie Tag hilft, um in Richtung Abstinenz zu kommen.“

70.000 Beschäftigte betroffen

Nach Angaben der Deutschen Automatenwirtschaft sind durch die Schließung der Spielhallen 6000 Unternehmen und die Jobs von 70.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Deutschland bedroht. Um Entlassungen zu verhindern, seien steuerliche Entlastungen sowie Liquiditätshilfen mit 100-prozentiger Haftungsfreistellung und einer langjährigen Tilgungsoption nötig.

Ab 2021 soll sich die Glücksspielbranche in Deutschland grundlegend verändern. Dann soll der neue Glücksspiel-Staatsvertrag in Kraft treten, mit dem Online-Casinos und Online-Automatenspiele dauerhaft legalisiert werden sollen.

Der Verband der Automatenwirtschaft behauptet dagegen, dass nun mehr Menschen in illegale und nicht regulierte Online- Casinos abwandern. Auch Spielhallenbetreiber Emil Tagiyev sagt, er beobachte Vergleichbares. „Spieler bleibt Spieler“, sagt er. „Fast alle, die erst bei uns gezockt haben, machen das jetzt online. Und da sind 200 Euro in wenigen Minuten weg.“

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Für den Verband der Glücksspielsucht ist die Diskussion ein „alter Hut“. Bei Debatten um Regulierungen in der Glücksspielbranche sei die Abwanderung ins Online-Geschäft stets als Argument von Lobbygruppen angeführt worden. „Das hat sich jedoch nicht bestätigt“, sagt Hartmut Görgen, der sich eher vorstellen kann, dass sich das problematische Spielverhalten nun durch Corona insgesamt verringert. „Dann sollte die Politik daraus für die Regulierung lernen – und auch Glücksspiele in Bistros und Kneipen verbieten.“