Oberhausen. Im Oberhausener Gdanska haben Musiker ohne Publikum gespielt. Masken, Abstand und Kameras: Ein Blick hinter die Kulissen eines Netz-Konzerts.

Normalerweise hechtet Gdanska-Wirt Czeslaw Golebiewski hastig über den Altmarkt, wenn Konzerte oder Feste vor seiner Gaststätte starten. Daher hat die Corona-Pandemie mit seiner entschleunigenden Wirkung bei ihm, man könnte sagen, „den Stecker gezogen“. Am 1. Mai kann das traditionelle Hendrix-Festival „Thanks to Jimi“ zwar nicht wie gewohnt in der Innenstadt steigen – aber trotzdem werkeln sie bei einer virtuellen Alternative.

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„Wir haben überlegt, wie wir das Fest auch ohne Publikum weiterführen können“, sagt der Wirt. „Und schnell haben wir einen Weg gefunden, den momentan viele nutzen: das Internet.“ Also wird der Stecker beim rührigen Kulturschaffenden wieder eingesteckt. Das traditionelle „Hey Joe“, das sonst hunderte Gitarristen auf dem Altmarkt gemeinsam anstimmen, ist so gerettet. Auch weil ein großes Kollektiv an Unterstützern mit anpackt. Am Freitagnachmittag ist die Kulturkneipe darum nicht wiederzuerkennen.

Kamerakran schwenkt durch die Kulturkneipe

Doch wie funktioniert es, die Musik aus dem Gdanska in die Wohnzimmer der heimischen Musik-Liebhaber zu bringen? „Da musste ich auch überlegen“, gibt Czeslaw Golebiewski zu. „Zum Glück habe ich Freunde, die sich damit gut auskennen.“

Ohne Zuschauer vor dem Kamera: Der polnische Musiker Elo Badura.
Ohne Zuschauer vor dem Kamera: Der polnische Musiker Elo Badura. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Die Lösung: Der polnische Internet-TV-Sender „Pepe TV“ schickt Kameraleute. Und die bringen Ausrüstung mit. Dort, wo sich normalerweise die Gäste zuprosten, steht nun ein Mischpult. Monitore schalten zu fünf stationären Kameras, die ohne Personal funktionieren. Sogar ein Kamera-Kran schwenkt durch die Gaststätte.

Die wenigen Helfer geben durch die Mund-Nase-Masken Anweisungen – allles muss in kleiner Runde mit Abstand funktionieren. Die Nervosität ist da schnell zurück. Klappt auch alles? Stehen die Leitungen? Leute aus dem Umfeld des Wirtes berichten: „Czeslaw hat kaum geschlafen – auch weil endlich wieder etwas passiert.“

Elo Badura gibt den Taktgeber in die Wohnzimmer

Der polnische Gitarrist Elo Badura stimmt mit befreundeten Musikern die ersten Akkorde der berühmten Jimi-Hendrix-Hymne an. „Kann man mich verstehen?“, fragt er in die Kamera. Auf das Echo der Zuschauer muss er verzichten. Noch wird geübt. Gleich sollen auch die Fans in den Wohnzimmer „Hey Joe“ anstimmen – das Internet verbindet.

Ein Kamerakran drehte sich im Gdanska.
Ein Kamerakran drehte sich im Gdanska. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Elo Badura ist kein unbeschriebenes (Noten-)Blatt. Schließlich steuerte er Filmmusik zur berühmten polnischen Kinder-Fernseh-Serie „Lolek und Bolek“ bei. Jetzt huldigt er im Gdanska dem linkshändigen Gitarren-Gott Jimi Hendrix. Und es scheint zu klappen.

Tontechniker recken den Daumen nach oben

Ein Tontechniker mit Kopfhörern weit hinten reckt den Daumen nach oben. Über Youtube, Facebook und Instagram schauen Menschen zu. Die Aktion führen Initiatoren zeitgleich rund um den Globus aus – das schlesische Breslau ist die Schaltstelle. Auch Videobilder aus Oberhausen landen in der weltweiten Live-Schalte.

„Schaut mal“, sagt Wirtin Maria Golebiewski hinter den Kulissen. „Das erste Foto mit einer Gitarre aus einem Oberhausener Wohnzimmer ist eingetroffen.“ Alle Fotos und Videos von Oberhausener Balkonen, die sich am zeitgleichen Spielen beteiligen, sollen nach und nach auf den Gdanska-Internetseiten veröffentlicht werden.

Gitarrissimo und Indie Radar bringen Künstler mit

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Nach der „Hey Joe“-Performance machen sich weitere Musiker bereit. Die Konzertreihen „Gitarrissimo“ und „Indie Radar Ruhr“ beteiligen sich mit eigenen Künstlern, deren Musik ebenfalls über das Internet übertragen werden. Die junge Gruppe Leo Karter & Band bringt „Indie Radar Ruhr“ mit. Peter Kroll-Ploeger und Georg Göbel-Jakobi spielen von „Gitarrissimo“.

„Indie Radar Ruhr“-Erfinder Maximilian Janetzki verfolgt die Übertragung am eigenen Laptop. Gitarrissimo-Motor Jürgen Reinke betont: „Alle Bands spielen für den guten Zweck. Damit wollen wir uns bei den Menschen bedanken, die während der Corona-Krise in den Krankenhäusern arbeiten.“ Die Initiatoren wollen mit den Spenden „Fresskörbe“ bezahlen, die an die medizinischen Häuser übergeben werden. Dafür darf gespendet werden.