Oberhausen. Heilende Hände haben in Zeiten von Coronavirus und Kontaktverbot ein Problem. Weil Umsätze wegbrechen, schlägt die Branche Alarm.

Physiotherapie gänzlich ohne Körperkontakt ist wie die Quadratur des Kreises: ein Ding der Unmöglichkeit. Und so werden Heilmittelerbringer, zu denen auch Ergotherapeuten, Logopäden und Podologen gehören, zunehmend von der Corona-Krise erfasst und in ihrer Existenz bedroht - in Oberhausen ebenso wie in NRW. Die Branche sendet deshalb einen Hilferuf.

Die heilenden Hände werden als systemrelevant eingestuft, da sie Heilungsprozesse fördern und die Gesundheit verbessern. Praxen vom Physiotherapeuten bis zum Podologen (medizinische Fußpflege) dürfen deshalb trotz Covid-19 öffnen. Kunden ist das allerdings nicht immer bewusst; und wenn doch, dann kommt aktuell die Angst vor Körperkontakt dazu - eine gefährliche Mischung für alle Heilpraktiker.

David Gramsch aus Alstaden macht vorerst zu

"Wir haben halt die Hände dran", sagt David Gramsch, der in Alstaden seit fünf Jahren eine Physiotherapie-Praxis betreibt. Besser gesagt betrieb, denn seit Montag, 23. März, sind die Türen verschlossen und die fünf Mitarbeiter bis zum 13. April in den Urlaub geschickt. Kein Einzelfall in Oberhausen: Vergangene Woche machten etwa Heim und Hendrixen ihre Standorte in Sterkrade und Schmachtendorf fürs Erste dicht, denn laut Mitteilung könnten geforderte Hygienevorschriften im Warte- und Therapiebereich nicht gewährleistet werden.

Öffnen und behandeln zum Wohle der Gesundheit auf der einen Seite, die Gefahr vor Ansteckung auf der anderen Seite: Die verzwickte Lage können die Heilmittelerbringer nicht auflösen. Die Praxis mit allen Sicherheitsvorkehrungen geöffnet zu lassen hilft ebenfalls kaum, denn die Kunden bleiben inzwischen reihenweise zuhause. "Ich spreche mit Kollegen, die haben teils nur noch zwei Termine am Tag", erzählt David Gramsch, "die aktuelle Situation überfordert uns an allen Stellen."

NRW-Landesverband der Physiotherapeuten fordert Hilfe

"Die selbstständigen Praxisinhaber und deren Angestellte bringt das immer näher an den Rand des wirtschaftlichen Ruins", schlägt der Landesverband der Physiotherapeuten in NRW deshalb Alarm - und fordert Hilfe zum Beispiel in Form von Ausgleichszahlungen der Krankenkassen. Die in normalen Zeiten für Behandlungen anfallenden Kosten seien im Haushalt der Krankenkassen schon kalkuliert, weshalb diese Beträge jetzt auch ohne Leistung ausgeschüttet werden könnten, argumentiert der Landesverband.

Auch unter mögliche Rettungsschirme von Bund und Ländern würden die heilenden Hände gerne schlüpfen, fallen laut David Gramsch aber durch ein Raster. Ute Repschläger, Vorsitzende des Spitzenverbands der Heilmittelverbände (SHV), wird deutlich: „Sollte dies nicht der Fall sein, nimmt die Politik wissentlich die Insolvenz von vielen tausend Heilmittelerbringern in Kauf und gefährdet damit hunderttausende von Arbeitsplätzen und die Gesundheit der Bevölkerung“, sagt die oberste Interessenvertreterin auf Bundesebene.

David Gramsch und vielen seiner Kollegen bleiben vorerst nur die Hoffnung und der Gang zu den Behörden. "Ich werde Kurzarbeitergeld beantragen. Wie es dann weitergeht, weiß keiner", erklärt der Alstadener Praxischef.

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