Duisburg. Zwei Physiotherapeuten aus Duisburg bitten in einem Video um Hilfen. Branche ist zwar systemrelevant, aber in der Corona-Krise fehlen Patienten.

Es ist ein verzweifelter Hilferuf, den die Physiotherapeuten Jennifer Berghoff und Moritz Ahle aus Duisburg über soziale Medien in die Welt senden: Als Teil des Gesundheitssystems sind die Physiotherapie-Praxen zwar systemrelevant – doch fehlende Überweisungen, ausbleibende staatliche Hilfen und vor allem die Verunsicherung der Patienten bedrohen ihre Existenz. Ihr Video, in dem die Inhaberin unter Tränen ihre Situation schildert, haben auf Facebook bereits mehr als 10.000 Menschen gesehen.

In einem emotionalen Appell an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn fordern die Physiotherapeuten aus Duisburg „Hilfe vom System“. Verzichten könne der Staat auf die Berufsgruppe zwar nicht, doch Unterstützung gibt es seitens der Regierung bisher keine, prangert Berghoff an.

Corona: Schutzkleidung für Physiotherapeuten gefordert

Vor allem ein „unverzüglicher Zugang“ zu Schutzkleidung, Desinfektionsmitteln und Mundschutz fordern die Physiotherapeuten stellvertretend für die gesamte Branche im Video. „Wir arbeiten direkt am Patienten, hier ist es nicht immer möglich, den Sicherheitsabstand von zwei Metern einzuhalten.“

Zwar setzen Jennifer Berghoff und ihr Team bei der Behandlung ihrer Patienten auf größtmögliche Sicherheit. „Wir haben die Hygienemaßnahmen stark erhöht.“ Viele haben aber wegen der Corona-Krise Sorge, ihre Praxis zu betreten. „Ich kann die Angst voll verstehen“, sagt Berghoff, die mit COPD- und Mukoviszidose-Patienten in Atemtherapien auch Risikogruppen behandelt.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Facebook, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Physiotherapeuten: Patienten sind stark verunsichert

Mehr als 80 Prozent aller Termine werden abgesagt, erzählen die Physiotherapeuten. „Von jetzt auf gleich haben wir nichts mehr zu tun“, sagt die 33-Jährige, die vor zwei Jahren ihre Praxis in Duisburg-Bergheim eröffnet hat. Die Gründe für fehlende Termine sind vielfältig. Zwar sind Heilbehandlungen, die aufgrund von ärztlicher Verordnung in einer Physiotherapie-Praxis erfolgen, weiterhin erlaubt – doch viele Arztpraxen beschränken sich lediglich auf nur dringend notwendigen Patientenkontakt. „Es fehlen Überweisungen. Ärzte haben Angst zu verschreiben.“

Auch chirurgisch-orthopädische Fälle, die – sofern nicht dringlich – in der Corona-Krise vermehrt verschoben werden, fehlen den Physiotherapeuten. Hinzu kommt eben die „massive Verunsicherung der Patienten.“

Physiotherapeuten: Existenzangst in der Corona-Krise

In vielen Fällen sei eine Behandlung aber unerlässlich – etwa in der postoperativen Versorgung, z.B. nach einer Knie-Operation. „Das Knie muss mobilisiert werden. Der Patient muss wieder ins Leben.“ Das sind die Momente, in denen die Systemrelevanz der Branche deutlich wird – die Jennifer Berghoff und ihre Kollegen aber nicht zu spüren bekommen, kritisieren sie. Sie wünscht sich eine klare Ansage, „dass Patienten mit ärztlicher Versorgung weiterhin von uns behandelt werden können und müssen“. Wichtig seien auch Zugang zu Schutzkleidung und finanzielle Hilfen.

Anderenfalls sehe sie ihre Existenz bedroht. „Ist es nicht beschämend und traurig zugleich, dass man als Praxisinhaber hofft, an dem Virus zu erkranken, damit man seine Praxis finanziell absichern kann?“, fragen die Physiotherapeuten im Facebook-Video. Denn bei einer Ansteckung bei einem Patienten würden Entschädigungszahlungen erfolgen, erklärt Berghoff. Für die Physiotherapeutin ein undenkbares Szenario, symptomatisch für die Existenzangst in dieser Ausnahmesituation: „Mehr denn je stehen wir vor einem Abgrund, und im Moment sehen wir keine Brücke, keine helfende Hand, die uns durch diese Zeit bringt.“