Oberhausen. Als Frau Gott wirkt Gerburg Jahnke in „Die Abrechnung“, als hätte sie die Rolle ihres Lebens gefunden. Das Publikum huldigt ihr mit Ovationen.

Wie der Verlobte das finden mag, sei jetzt mal dahingestellt: Doch im reifen Alter von 65 Jahren erlebte Gerburg Jahnke die ultimative Beförderung und schreitet nun als Frau Gott von einer pompösen Showtreppe hinab zu ihren Gläubigen. Sie findet das verspätet – vor 30 Jahren hätte sie noch als flotter Feger den Olymp aufmischen können. Statt Aphrodite nun „Die Abrechnung“ im ausverkauften Ebertbad: Die Gottsuchenden erlebten ein Hochamt des überwiegend fein geschliffenen Entertainment.

Frau Jahnke mäkelte zwar am Job als Frau Gott – genoss aber die Verehrung der versammelten Gläubigen.
Frau Jahnke mäkelte zwar am Job als Frau Gott – genoss aber die Verehrung der versammelten Gläubigen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Um das erste Gebot – „Du sollst zum Punkt kommen“ – gleich vorweg zu nehmen: Frau Jahnke scheint als Frau Gott die Rolle ihres Lebens gefunden zu haben. Sie beteuert zwar, den Job nicht sonderlich zu mögen, kostet aber die Privilegien der Allmächtigen genießerisch aus. Nur die Musik der himmlischen Heerscharen nervt: Erst der Paukenwirbel aus „Also sprach Zarathustra“, dann immer wieder kurz, aber nachdrücklich ein „Halleluja“ (von Händel, nicht von Leonard Cohen).

Der Joker dieser Bühnen-Dreifaltigkeit

Dabei mag diese Frau Gott doch durchaus den feinen Touch des Diabolischen. Ja, es sind wieder einmal Glanzlichter dieses Ebertbad-Abends, wie genialisch sich die neuen Texte auf altgediente Evergreens prägen (also jetzt nicht so alt wie Richard Strauss oder G. F. Händel). Frau Gott singt „Sympathy for the Devil“, lässt dabei wie Mick Jagger ihren weißen Hosenanzug flattern – und bedauert, dass der Ober-Stone nicht längst auf Wolke sieben mitsingt. Stattdessen Costa und Karel, die mit Rex und Roy eine Boygroup im Harfensound aufmachen.

Peter Engelhardt wäre mit sowas krass unterfordert. Der Gitarrist gibt, schweigsam wie immer, den geheimnisvollen Fremden – und harrt der Momente, in denen er aufdrehen darf. Für die sorgt zumeist der Joker dieser Bühnen-Dreifaltigkeit: Nito Torres hat seinen ersten Auftritt zwar geradezu brav als Taxifahrer in formloser Lederjacke. Und seine dringendste Frage an die Allmächtige lautet: „Was soll das mit den Haaren auf den Ohren?“ Frau Gott ist für einen Moment sprachlos – was Aphrodite dazu gesagt hätte, ist leider noch nicht geschrieben.

Frau Gott und der schweigsame Fremde am Fuße der Showtreppe: Peter Engelhardt ließ nur die Saiten singen.
Frau Gott und der schweigsame Fremde am Fuße der Showtreppe: Peter Engelhardt ließ nur die Saiten singen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Aber Allrounder Torres darf auch als Marilyn Monroe sein Oberarm-Tattoo zeigen und „Diamonds are a Girl’s Best Friend“ schmettern. Gerburg Jahnke hält dazu den Föhn unter das aufwirbelnde Kleid der Diva. Manchmal ist Frau Gott (jedenfalls in dieser „Abrechnung“ mit der Krone der Schöpfung und ihren etlichen abgebrochenen Zacken) sogar ein dienstbarer Geist – quasi die Zwischentext-Moderatorin zwischen den Auftritten ihrer Allzweckwaffe: So röhrt Nito Torres, jetzt wieder kahlköpfig in speckigem Leder, frei nach Joan Jett: „Ich will Autofahren!“ Der Männerchor im Saal assistiert nur verhalten.

Rührendes Duett mit Kermit, dem Frosch

„Kann es sein“, fragt Frau Gott mit himmlischem Spott, „dass das Tier in dir nur ein Hamster ist?“ Immerhin lässt sie sich herab, vor der Pause noch ein rührendes Duett mit dem aus Torres’ Lederjacke gezauberten Kermit, dem Frosch, anzustimmen: „Wonderful World“ wurde dank des reviertypischen Understatements (Frau Gott ist und bleibt Oberhausenerin) zu „Ganz so schlecht ist es nicht“.

Die Telefonate mit Buddha (auf Diät) und Allah waren eher göttlicher Klamauk. Jesus trat in diesem Pantheon nur in ein paar Halbsätzen auf.
Die Telefonate mit Buddha (auf Diät) und Allah waren eher göttlicher Klamauk. Jesus trat in diesem Pantheon nur in ein paar Halbsätzen auf. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

„Highway to Hell“ stimmt dann ein auf Gottes „Angestellten des Monats“. Die Chefin hatte sichtlich genug von „Engeln mit fetten Ärschen auf fetten Wolken“. Dann doch lieber ein bisschen Schwefel-Parfüm: Als Luzifer, genannt Lucy, durfte Nito Torres im roten Anzug zu blanker Brust alle Bremsen lösen. Der „Natural Born Griller“ drapierte sich luderhaft auf der Showtreppe und konfrontierte seinen Boss mit zarten Zoten. Die gestand allzu gerne ihre göttliche Rückständigkeit ein: „Ich spreche alttestamentarisches Englisch“. Und die Faxe werden im Himmel noch auf Papyrus gedruckt.

Dank an die „himmlischen Heerscharen“

Ausgerechnet die honigsüßen Bee Gees-Harmonien von „How deep is your Love“ wurden zum höllischen Triumph des hinreißend schmierigen Beelzebübchens: „Wir sind ja alle kleine Genießerteufel.“ Dagegen war eigentlich kein Ankommen mehr. Die göttlichen Erziehungsversuche des (nun wieder auf menschliches Maß gestutzten) Nito Torres zu einem Hauch weiblicher Empathie waren genau das, was der Macho eingangs ächzend „Frauenhumor“ genannt hatte.

Für Karten sollte man sich sputen

Die schillernde Showtreppe für Frau Gott wird im März noch für acht weitere Aufführungen von „Die Abrechnung“ aufgebaut. Wer dabei sein will, sollte sich sputen, denn die Hälfte der Vorstellungen ist bereits ausverkauft.

Weitere Termine sind (jeweils donnerstags bis sonntags) vom 12. bis 15. März und 19. bis 22. März. Los geht’s jeweils um 20 Uhr, sonntags um 19 Uhr. Karten ab 25,10 Euro gibt’s beim Ebertbad 0208 - 8106 570.

Aber mit dem Finale und mit „Jenseits von Eden“ hatte diese Dreifaltigkeit den Saal dann sicher zu Standing Ovations verführt. Strahlend dankten sie den „himmlischen Heerscharen“ an Mischpult und Scheinwerfern. Es war ein Jauchzen und Frohlocken.