Oberhausen. Der berühmte Alt-Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond hat mit 88 Jahren seine Erlebnisse als Junge in Oberhausen-Alstaden aufgeschrieben.

Es war an einem dieser Abende im Familienkreis: Die Eltern sitzen mit ihren längst erwachsen gewordenen Kindern zusammen, klönen und erzählen von alten Zeiten, von Erlebnissen in Kinder- und Jugendtagen. Und auf einmal fällt dem Familienvater auf, dass eines seiner Kinder ziemlich ungläubig guckt, als es um den Einkauf von Flaschenbier geht.

„Dass man Flaschen auch einzeln an der Bude kaufen kann und nicht nur kistenweise im Getränkemarkt, hatte der irgendwie völlig vergessen“, lacht Friedhelm van den Mond. Mit dieser Szene fiel die Entscheidung, es zu tun. Der Alt-Oberbürgermeister sah auch anderweitig die Zeit für gekommen: „Da war ich 83 und wohl alt genug, einen Teil meiner Lebenserinnerungen aufzuschreiben.“

Friedhelm van den Mond als Jugendlicher.
Friedhelm van den Mond als Jugendlicher. © FUNKE Foto Services | Repro: Gerd Wallhorn

Er hat’s geschafft – und es hat länger gedauert, als von ihm erwartet. Aber auch das hat mit seinem Leben zu tun, denn 2015 – da war er 83 – verschlimmerte sich langsam zwar, doch unaufhaltsam die Krankheit seiner Frau, die dann in ein Pflegeheim musste und Tag für Tag von ihrem Mann in Osterfeld besucht wurde, bis sie 2018 verstarb.

Im vergangenen Jahr im Selbstverlag veröffentlicht

Nach 63-jähriger Ehe und dem Tod der großartigen Partnerin fiel er in ein Loch. Aus dem halfen ihm liebe Mitmenschen, besonders aber die vier Kinder, heraus. Kaum hatte Friedhelm sich Anfang 2019 wieder ans Werk gemacht, erwischte ihn eine altersbedingte Augenkrankheit, er hat sie längst nicht überstanden, kommt aber wieder klar: „Beide Augen mussten und müssen monatlich gespritzt werden. Immer wieder mit dem Bus zur Augenklinik, das kostete auch Zeit. Zum Schreiben kam ich immer weniger.“

Als es aber Tag für Tag allmählich wieder besser ging, setzte er sich wieder hin und schrieb, um Mitte 2019 fertig zu sein. Kurz vor Weihnachten war das Werk gebunden und in Kleinstauflage im Selbstverlag erschienen – gedacht für die Kinder und liebe Freunde. „Vor der Hacke war es duster“, heißt die Erinnerung an Kindheit, Jugend, Ausbildung und Arbeit auf der Zeche Alstaden – bis zu ihrer Stilllegung 1973.

Friedhelm van den Mond schreibt Klartext

Zeitgeschichte mit Lokalkolorit aus erster Hand, unverfälscht, nüchtern und in mancher Hinsicht beispielhaft. Was wirklich schön ist an der schlichten und darum höchst verständlichen Sprache, in der der in Alstaden aufgewachsene und immer dort wohnhaft gebliebene spätere Oberbürgermeister seinen Werdegang und sein Umfeld schildert: Da gibt es keinen schwammigen Schwulst, da wird Klartext geschrieben – wie van den Mond auch der Öffentlichkeit immer bekannt war.

Friedhelm van den Mond (zweiter von rechts) unter Tage mit Bergarbeiter-Kollegen.
Friedhelm van den Mond (zweiter von rechts) unter Tage mit Bergarbeiter-Kollegen. © FUNKE Foto Services | Repro: Gerd Wallhorn

In nicht weniger als 21 Kapiteln fasst Friedhelm van den Mond sein Leben von „Die Kindheit“ bis zu „Als Fahrsteiger bis zum Schluss“ zusammen. Wobei sich der „Schluss“ des letzten Kapitels auf das Ende der bisherigen beruflichen Existenz im Bergbau bezieht – und den Anfang des neuen Lebens anreißt, Studium ab dem 1. April 1973, als 41-Jähriger wird er „Erstsemester“ an der Ruhr-Universität Bochum.

Vom Hilfsarbeiter zum einflussreichen Oberbürgermeister

Friedhelm van den Mond weist immer wieder auf die Bedeutung des Bergbaus, der Zechen, der Gewerkschaft der Bergleute hin, um zu unterstreichen, wie aus einem „Hilfsarbeiter“ ein Oberbürgermeister seiner Heimatstadt werden konnte. „Wieso bist du die Person geworden, die du heute bist?“, das war die Frage, die er an den Anfang seines Erinnerns stellte und – wie über sich staunend – so untermauerte: „Du warst Kind in einer Arbeiterfamilie, ein mittelmäßiger Schüler, Hilfsarbeiter und Lehrling auf einer Zeche. Trotzdem, am Ende warst du Außer-Tarifangestellter im Bergbau, du hast an einer Universität studiert und warst 18 Jahre Oberbürgermeister deiner Heimatstadt Oberhausen.“

1963 erstmals in den Stadtrat gewählt

Friedhelm van den Mond, geboren am 12. März 1932, arbeitete von 1946 bis 1973 im Bergbau, seit 1956 als Diplom-Bergbauingenieur auf der Zeche Hibernia. Von 1973 bis 1977 studierte er in Bochum Pädagogik, Sozial- und Politikwissenschaften und schloss 1979 mit dem Zweiten Staatsexamen ab.

Seit 1946 ist er Mitglied der IG Bergbau, seit 1953 der SPD. Für die SPD wurde er 1963 erstmals direkt in den Oberhausener Rat gewählt, dem er bis 1998 angehörte. 1975 wählte der Rat ihn zum Ersten Bürgermeister, 1979 zum Oberbürgermeister. 1997 trat er von diesem Amt vorzeitig zurück, um dem damaligen Oberstadtdirektor Burkhard Drescher vor der ersten Direktwahl der Stadtoberhäupter in NRW 1999 einen „Amtsbonus“ mitzugeben. Seit 1998 ist er Ehrenbürger der Stadt Oberhausen.

Von Alter zu Alter, von Schritt zu Schritt – und das ist der berühmte „rote Faden“ dieser Autobiographie – hat Friedhelm van den Mond gelernt. Was sich heute leicht dahingesagt anhört, war schon anders in den Jahren, in denen Jung-Friedhelm 1942 zur „Horst-Wessel-Oberschule“ angemeldet wird, dem späteren Novalis-Gymnasium, der heutigen Fasia-Jansen-Gesamtschule: „Wie meine Eltern es fertig brachten, mit ihrem Einkommen – Vater verdiente in der Stunde weniger als eine Mark – für mich monatlich 18 Mark Schulgeld zu bezahlen und dazu noch eine Schülerwochenkarte für die Straßenbahn, ich weiß es nicht.“

Ende 1972 wurde die Zeche Alstaden, Hauptarbeitsplatz von Friedhelm van den Mond, geschlossen.
Ende 1972 wurde die Zeche Alstaden, Hauptarbeitsplatz von Friedhelm van den Mond, geschlossen. © FUNKE Foto Services | Repro: Gerd Wallhorn

Und es war Krieg: Seit 1943 waren die „Wessel-Schüler“ zunächst auf Rügen, später in der „Ostmark“ vor den Bomben einigermaßen sicher, nach Kriegsende schlugen sich Friedhelm und zwei Mitschüler binnen knapp drei Wochen durch nach Alstaden.

Die Heimat lag in Trümmern

Die Heimat lag in Trümmern, doch irgendwie ging’s immer weiter, vor allem musste Hunger gestillt werden, bei Friedhelm van den Mond war es auch der Hunger nach Bildung. Und die Bergberufsschule mit ihren Ausformungen und Gliederungen verschaffte ihm nachträglich den kriegsbedingt verpassten Anschluss an schulische Bildungsziele – mit Erfolg.

Ein passendes Foto ziert die Jugenderinnerungen von Friedhelm van den Mond: „Vor der Hacke war es duster“
Ein passendes Foto ziert die Jugenderinnerungen von Friedhelm van den Mond: „Vor der Hacke war es duster“ © FUNKE Foto Services | Repro: Gerd Wallhorn

Gern würde man jetzt schreiben, dass das Buch in keinem Bücherschrank der an Heimat und Heimatgeschichte interessierten Menschen fehlen dürfte. Aber die Auflage ist – siehe oben – sehr begrenzt. Vielleicht tut sich da ja was. Eine breitere Leserschaft will der Verleger Ha-Jo Plitt, der die Serie der Oberhausener Jahrbücher verantwortet, ermöglichen. Die Erinnerungen „Vor der Hacke war es duster“ könnten als Beilage zur 38. Jahrbuch-Ausgabe Im November 2020 erscheinen. Die Stadttochter Oberhausener Gebäudemanagement GmbH (OGM) hat bereits signalisiert, das Vorhaben unterstützen zu wollen.

Eine Fortsetzung des Buches über sein politisches Leben geplant

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Jedenfalls will Friedhelm van den Mond seinem Buch über sein Bergbauleben eine Schilderung seines politischen Lebens folgen lassen, aber dabei keine politische Bilanz ziehen: „So etwas zu schreiben wäre mir zu anstrengend, ich bin schließlich bald 88.“ Daher denkt er eher an Fotos, Anekdoten und Geschichten aus seiner Zeit als langjähriger Oberhausener Oberbürgermeister, der in seiner Amtszeit von 1979 bis 1997 zu einer der maßgeblichen Figuren unter den Revier-Stadtoberhäuptern wurde.