Oberhausen. Das inklusive Wohnprojekt des Alsbachtal-Vereins in Oberhausen feiert Richtfest. Wegen der großen Nachfrage will der Investor nachlegen.

Es ist begehrter Wohnraum, der da an der Erzbergerstraße 45 in Oberhausen-Sterkrade entsteht: Für jede der zwölf neuen Wohnungen gibt es zwei bis drei Mietinteressenten, die Warteliste ist lang. Offensichtlich hat der Investor, der Verein für körper- und mehrfachbehinderte Menschen Alsbachtal, mit dem „Inklusiven Wohnhaus“ genau ins Schwarze getroffen. Am Freitag feierten die Bauherren mit Handwerkern, Unterstützern und künftigen Bewohnern das Richtfest.

„Aktion Mensch“ spendet 250.000 Euro

Rund 2,5 Millionen Euro kostet der anderthalbgeschossige Neubau am Rande des Alsbachtals, der künftig vier barrierefreie Zwei-Raum-Wohnungen (je 65 Quadratmeter), sechs barrierefreie Ein-Raum-Appartements (je 49 Quadratmeter), zwei Gruppenwohnungen für Menschen mit Behinderungen in der Mansarde sowie eine Begegnungsstätte beherbergen wird. Stemmen kann der Verein das inklusive Wohnprojekt mit Unterstützung der „Aktion Mensch“, die 250.000 Euro spendet, und mit Hilfe des Landschaftsverbands Rheinland, der 200.000 Euro zuschießt. Wohnungsbau-Fördermittel des Landes und Bundes fließen ebenfalls, so dass die Mieten preisgebunden sind und sich an den Sätzen der Grundsicherung orientieren.

Bezahlbar und barrierefrei

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Die Nachfrage nach einem solchen Wohnangebot ist groß, das macht Josef Wörmann, Vorstand des Alsbachtal-Vereins, in seiner Begrüßungsrede beim Richtfest deutlich: „Fragt man Menschen mit Behinderung, was sie hindert, ein selbstständiges Leben zu führen, dann sagen die meisten: ‘Weil wir keine bezahlbare und barrierefreie Wohnung bekommen’.“ Der Verein habe sich deshalb zum Ziel gesetzt, diesen Wohnraum für Menschen mit Behinderung zu schaffen – als inklusives Haus, in dem auch Menschen ohne Beeinträchtigung wohnen können.

Weil der Bedarf so groß sei, „habe ich Oberbürgermeister Schranz gesagt, dass wir gerne noch ein weiteres solches Haus bauen würden, wenn uns die Stadt ein weiteres Grundstück verkauft“, meint Wörmann in Richtung des Stadtchefs, der ebenfalls zum Richtfest gekommen ist. Daniel Schranz drückt denn auch seine große Freude über das „besondere“ Bauprojekt aus und erklärt: „Wir sind gerne bereit und außerordentlich dankbar, wenn wir mit dem Verein über weitere Projekte dieser Art reden und diese unterstützen können.“

Dienstleistungen für Menschen mit Behinderung

Der Verein für körper- und mehrfachbehinderte Menschen Alsbachtal ist Träger einer Behinderteneinrichtung an der Kolberger Straße 50. Der Verein ist nach eigenen Angaben auf seiner Internetseite 1965 aus einer Elternselbsthilfegruppe hervorgegangen. Bis heute besteht der Vorstand aus ehrenamtlich tätigen Eltern und Angehörigen von Menschen mit Behinderung.

Über die gemeinnützige Gesellschaft Alsbachtal bietet der Verein Dienstleitungen wie Betreutes Wohnen, einen Pflegedienst, Frühförderung oder ein Familienzentrum an. Ein weiteres inklusives und generationenübergreifendes Wohnprojekt betreibt der Verein an der Stadtgrenze zu Holten: das Wohn- und Nachbarschaftsprojekt „Wir am Mattlerbusch“.

Bezahlbare, barrierefreie Wohnungen bezeichnet Dirk Lewandrowski, Landesrat des Landschaftsverbands Rheinland (LVR), in seiner Ansprache als „die neue soziale Frage“. Zwei Millionen Euro stelle der LVR jährlich zur Verfügung, um solche Bauvorhaben zu unterstützen, „aber Oberhausen ist erst das zweite Projekt dieser Art, das wir fördern können“, sagt Lewandrowski und appelliert an mögliche Investoren, ihre Zurückhaltung aufzugeben.

Baubeginn hatte sich verzögert

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Seit September 2019 wird an der Erzbergerstraße gebaut. Zuvor hatte sich der Baubeginn um einige Zeit verzögert: 2015 hatte der Verein seine Planungen für ein inklusives Wohnhaus an diesem Standort nochmals bekräftigt, die Idee sollte zügig umgesetzt werden. Doch das Vorhaben musste auf die Konzepte der Stadt zur Renaturierung des Alsbachs abgestimmt werden, der Verkauf des städtischen Grundstücks an den Verein war zudem davon abhängig. Nicht unironisch merkte OB Daniel Schranz die „ausführliche Vorbereitungszeit“ in seiner Rede an. Dafür werde das Haus „in einem wunderbaren landschaftlichen Umfeld“ stehen.

Am ersten Dezember dieses Jahres sollen die Wohnungen bezugsfertig sein. Die sind schon vergeben – Ursula Kurzidem ist eine von den glücklichen neuen Bewohnern des Hauses. Die 65-Jährige spricht von einem „Sechser im Lotto“ und hat sich am Freitag schon einmal ihr neues Zuhause im Rohbau angeschaut.