Oberhausen. Zahlreiche Landwirte rollten mit ihren Treckern zur Neuen Mitte und zum Bero Center. Es ging ihnen nicht um Protest, sondern um Aufklärung.

Sie sind nicht gekommen, um zu protestieren. Sie sind gekommen, um zu reden. Am Freitag zogen etliche Landwirte mit ihren Traktoren und Landmaschinen zum Centro und vors Bero-Center. Knapp 50 Teilnehmer, größtenteils vom Niederrhein und auch Bauern aus Oberhausen, hatten sich allein für einen Abstecher in der Neuen Mitte angekündigt, nachdem die sie sich zuvor in Wesel versammelt hatten.

Mit Polizeieskorte ging es am Nachmittag Richtung westliches Ruhrgebiet. Vom Wut der Bauernproteste im November 2019, der sich gegen die Agrarpolitik von Land und Bund richtete, ist auf dem Areal vor der Coca-Cola-Oase am Centro keine Spur. Keine Traktoren-Kolonnen legen Straßen und Autobahnen lahm. Heute im Januar 2020 suchen die Landwirte das Gespräch mit den Bürgern, wollen aufklären und auch ein bisschen gegen das oft kolportierte Negativ-Image ihres Metiers ankämpfen.

Protest- Auch in NRW demonstrieren die Bauern

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    Landwirt Köster: Haben das Gefühl, gesellschaftlich an den Rand gedrängt zu werden

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    „Wir Bauern haben das Gefühl gesellschaftlich an den Rand gedrängt zu werden“, sagt der Oberhausener Landwirt Christoph Köster. „Der Vorwurf, wir töten alle Insekten, vergiften das Grundwasser und sind Tierquäler im Stall, hält sich bei vielen Menschen hartnäckig.“ Landwirtschaft sei heute ein komplexer Beruf, mit viel High-Tech und geprägt von unzähligen Weiterbildungen, angesichts sich ständig verändernder Arbeitsbedingungen – Stichwort: Klimawandel. Da sind sich die Teilnehmer in Oberhausen einig.

    Die Oberhausener Landwirte und ihr Nachwuchs. Hinten (v.l.): Hermann Hagedorn, Christoph Köster und Friedrich von der Bey. Vorne der Nachwuchs (v.l.): Malte und Philipp.
    Die Oberhausener Landwirte und ihr Nachwuchs. Hinten (v.l.): Hermann Hagedorn, Christoph Köster und Friedrich von der Bey. Vorne der Nachwuchs (v.l.): Malte und Philipp. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

    Drum zeigen die Bauern auf dem Luise-Albertz-Platz, wie und womit sie heute als moderne Landwirte arbeiten. Neben den Schleppern stehen dort ein High-Tech-Güllefass und eine mächtige Selbstfahrspritze mit über 50 Meter zu beiden Seiten reichenden Düsen. Es ist ein riesiges Fahrzeug, mit dem Pflanzenschutzmittel auf großen Ackerflächen versprüht wird.

    Die Familie Roes ist sogar extra aus Kalkar angereist und hat ihre Milchkühe mitgebracht, die hinter einem Gatter die Blicke neugieriger Besucher auf sich ziehen – trotz des anhaltenden Regens. Bevor Franziska Roes (17) und ihre Schwester Charlotte (20) zeigen, wie eine Kuh gemolken wird, macht die Jüngere der beiden klar, worum es ihr bei der öffentlichkeitswirksamen Aktion geht:

    Junge Bäuerinnen sorgen sich um ihre Zukunft

    „Es geht mir um meine Zukunft und die Leidenschaft für meinen Beruf. Deswegen bin ich heute hier“, sagt Franziska Roes, die eine Ausbildung zur Landwirtin macht. Sie soll später mal den Hof ihrer Eltern übernehmen und möchte dafür werben, dass auch nachfolgende Generationen die Möglichkeit haben, der Landwirtschaft nachzugehen und davon zu leben. Warum sollen landwirtschaftliche Produkte aus dem Ausland importiert werden, wenn sie in besserer und nachhaltigerer Qualität doch in Deutschland und Europa hergestellt werden können? Auch solche Fragen stellt sie am Freitag den Besuchern, hört aber auch zu.

    Landwirte organisieren sich bundesweit

    Anlass für die Aktionen war der Beginn der Grünen Woche in Berlin. In ganz NRW und weiteren Bundesländern zeigten Landwirte Präsenz und suchten den Dialog mit Politik und Gesellschaft.

    Dahinter steckt die Initiative „Land schafft Verbindung“, die sich im Zuge der Bauernproteste im vergangenen Jahr gegründet hat und bundesweit aktiv ist. Sie mobilisiert Landwirte im ganzen Land.

    „Den Bauern ist bewusst geworden, dass sie mehr Präsenz zeigen müssen“, sagt Christoph Köster. An der Gabelstraße verkauft der 46-Jährige in sechster Generation vom Familienhof Kartoffeln, Spargel und Eier. Friedrich von der Bey (56), der am Stadtrand eine Bullen- und Schweinemast betreibt, kann seinem Kollegen da nur beipflichten. Von den laut Christoph Köster verbliebenen zehn Oberhausener Landwirten hat sich immerhin die Hälfte zum Centro aufgemacht.

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    Sie verteilen Infomaterial etwa zum Thema Insektenschutz und zur schärferen Düngeverordnung in NRW. Und weil die landesweite Aktion unter dem Motto „NRW blüht auf“ steht, werden dann auch noch besonders insektenfreundliche Blütenmischungen gereicht.

    Doch das Wetter spielt den Landwirten am Freitag wahrlich nicht in die Hände. Sicher ist aber: Es wird nicht die letzte Aktion dieser Art gewesen sein. Nachdem Centro und Bero Center die Aktion mit offen Armen begrüßt hätten, wollen sie wiederkommen, bekräftigen die Landwirte.