Oberhausen. Mit Musical-erfahrenen Gästen inszeniert Martin G. Berger Henrik Ibsens „dramatisches Gedicht“ um den Träumer und Egomanen als aufwendige Revue.

Wer Henrik Ibsen allein als den großen Zeitdiagnostiker der bürgerlichen Gesellschaft kennt – der darf bei „Peer Gynt“, dem „dramatischen Gedicht“ des Norwegers, so großäugig staunen wie der neunjährige Leonard Lampkin. Er übernimmt in den ersten Szenen der Inszenierung von Martin G. Berger die Rolle des jungen Peer. Die Premiere der Musical-Revue steigt am Samstag, 11. Januar, um 19.30 Uhr.

Acht Musiker sorgen für den guten Ton, vier Musical-Darstellerinnen bringen den Feinschliff ihres Metiers mit ins Große Haus. „Wir haben mal geklotzt“, sagt Patricia Nickel-Dönicke. Die Dramaturgin und Vize-Intendantin nennt diesen „Peer Gynt“ die größte Produktion der aktuellen Spielzeit. Dazu braucht’s natürlich auch einen Musiktheater-erfahrenen Regisseur: Martin G. Berger debütierte in Hannover mit einer prompt preisgekrönten Inszenierung der „Fledermaus“, sieht sich heute selbst „unterwegs in allen Genres des Musiktheaters“ – und schätzt das Crossover.

Bezaubert von der glitzernden Zirkuswelt: Leonard Lampkin als der kindliche Peer Gynt.
Bezaubert von der glitzernden Zirkuswelt: Leonard Lampkin als der kindliche Peer Gynt. © Theater Oberhausen | Katharina Kemme

Der 32-Jährige nennt’s „schade, wenn die Sparten so getrennt blieben“. Schließlich hätten Schauspieler einen ganz anderen Zugriff zur Musik. Auf der Oberhausener Probenbühne galt es also, zwei Welten zusammenzuführen: Wer vom Musical-Fach kommt, habe Disziplin ganz anders verinnerlicht, bestätigt auch Patricia Nickel-Dönicke: Da sei jede Szene schon vor der ersten Probe nahezu perfekt einstudiert – „wie immer sie das machen neben dem langen Arbeitstag“. Bei Schauspielern, erkannte Martin G. Berger, sei es „viel üblicher, auch kritisch zu fragen und zu diskutieren“.

„Ich habe ganz viele Peer Gynts erlebt“

Dafür lügt man sich nicht an – so wie Peer Gynt sich durch sein märchenbuntes Leben schwadroniert. Die Dramaturgin hat mit gutem Grund zur Geschichte der Kinderarmut seit Ibsens Zeit recherchiert. Der Regisseur erzählt von seinem Hannoveraner Projekt mit 75 Jugendlichen aus schwierigem Umfeld: „Ich habe ganz viele Peer Gynts erlebt.“ Solche, die mit dem Handy in der Hand und voller Entrüstung behaupten: „Ich habe kein Handy in der Hand!“ Den Fantasten der Youtube-Welt, erkannte Martin G. Berger, fehlt aus ihren brüchigen Familien jedes Grundvertrauen: „Die Lüge hat Konjunktur.“

Bei Peer, dem armen Bauernjungen, führen profane Lügen in poetische Märchenwelten: von Trollen im nordischen Fjell bis zum Tollhaus von Kairo. Geschrieben hat Henrik Ibsen (1828 bis 1906) diesen wilden Ritt in virtuosen Versen – feinhumorig übersetzt von Christian Morgenstern, dem Dichter des „Gingganz“ und der „Galgenlieder“. Seiner Fassung sei man weitgehend treu geblieben, sagt der Regisseur: „Manchmal haben wir simplifiziert.“

Elf Aufführungen in großer Besetzung

Eine üppig produzierte Musical-Revue mit vielen Liedern in deutscher und englischer Sprache (dazu gibt’s Übertitel) braucht ihre gute Zeit: Rund zweieinhalb Stunden inklusive Pause sind für „Peer Gynt“ angekündigt.

Karten für die Premiere am Samstag, 11. Januar, um 19.30 Uhr im Großen Haus gibt’s von 12 bis 32 Euro. Die zweite Aufführung folgt am Sonntag, 12. Januar, um 18 Uhr (mit einer Einführung im Pool um 17.30 Uhr). Zwei weitere Januar-Termine gibt’s am Donnerstag, 30., mittags um 12 Uhr, und am Freitag, 31., um 19.30 Uhr mit einem Nachgespräch.

Bis zum Sommer sind insgesamt elf Aufführungen vorgesehen. Karten kosten jeweils von 11 bis 23 Euro, 0208 - 8578 184, theater-oberhausen.de.

Schließlich mussten die Verse ja auch ins rhythmische Maß jener unbekannteren Songs aus dem Great American Songbook passen, die Theatermusiker Martin Engelbach zu „Peer Gynt“-Songs arrangierte. Der Schlagzeuger, der sonst alleine oder in Kleinst-Formationen die Oberhausener Bühnenmusik kreiert, darf für diese „Großproduktion“ sogar dirigieren. Und der Titelheld? André Benndorff, im Ensemble der Nachfolger von Jürgen Sarkiss, gibt mit dieser Rolle seinen Einstand in Oberhausen. Der Regisseur vom Musiktheater verspricht „ein richtig großes Ensemble-Stück mit opulenten Kostümwechseln“. Und Patricia Nickel-Dönicke ergänzt: „Opulent ist auch der Bühnenzauber.“ Mal wieder Glanz im Theater Oberhausen.