OBERHAUSEN. . Fiedlers Inszenierung am Theater Oberhausen glänzt mit Screwball-Appeal: Gut platzierte Schlagabtausche gipfeln in einem kleinen Pogrom-Konzert.

Als Regisseur ist Florian Fiedler zu dem Thema seiner Auftakt-Inszenierung als Intendant in Oberhausen zurückgekehrt: Auch Henrik Ibsens „Ein Volksfeind“ kreist um die Gefährdung der Demokratie. Doch das Drama des vor 112 Jahren gestorbenen Norwegers erweist sich als deutlich aktueller als die September-Uraufführung „Die Schimmelmanns“. Ibsens Text hat jene analytische Schärfe und Doppelbödigkeit, die der „Dramödie“ von Mario Salazar völlig abgeht.

Dabei wirkt der Auftakt im Großen Haus noch sommerlich-leicht wie die Einstimmung in eine Tschechow-Komödie – oder wie das zum Spielzeitbeginn verheißene „Palermo des Nordens“: Kurgäste in Frottee-Bademänteln flanieren im Foyer zwischen den eintreffenden Theater-Besuchern. Auf dem ansteigenden Steg, der den Zuschauersaal teilt, verbreiten Sonnenhungrige das Aroma von „Apres solaire“. Auch das Zuhause von Dr. Thomas Stockmann (Clemens Dönicke) schmückt sich mit Accessoires des nordischen Sommerhaus-Chic.

Verbündete als Wetterfähnchen

Das Idyll zerplatzt schon mit dem ersten Auftritt des älteren Stockmann: Peter (Jürgen Sarkiss), Bruder des Badearztes und Bürgermeister des Kurortes, spricht zwar von einem „löblichen Geist der Verträglichkeit“ in seinem Städtchen. Aber den wird Ibsen nach allen Regeln der Bühnenkunst zerlegen – und Fiedler bleibt bis zum Schlusssatz nah am bündig gestrafften, aber nicht fragmentierten Text dieses großen Gesellschafts-Porträtisten.

„Die Gesellschaft ist wie ein Schiff“, schwärmt der von Dönicke mit großer Emphase gespielte Doktor. „Alle Hände müssen ans Steuer.“ Trockener Einwurf des Kapitäns: „Auf See besser nicht.“

In den besten – auch komödiantischen – Momenten hat dieses Drama um den Umweltskandal einer industriell verseuchten Heilwasserquelle den Screwball-Appeal wuchtig platzierter verbaler Schlagabtausche. Der Arzt will den Skandal publizieren; der Bürgermeister schaltet um von jovial auf herrisch: „Als Angestellter hast du kein Recht auf eine separate Überzeugung.“

Bruderzwist: Jürgen Sarkiss (li.) als Bürgermeister und Clemens Dönicke als Badearzt im aufstrebenden nordischen Kurort.
Bruderzwist: Jürgen Sarkiss (li.) als Bürgermeister und Clemens Dönicke als Badearzt im aufstrebenden nordischen Kurort. © Ant Palmer

Betrachtet man diesen Dr. Stockmann nach heutigen Begriffen als Whistleblower, so fehlt ihm schon bald das Medium, um in die Trillerpfeife zu pusten. Denn die vermeintlichen Verbündeten der „freien Presse“ erweisen sich als Wetterfähnchen.

Man mag ihn sehr als lieben Loser

Wie auch bei weiteren Repräsentantinnen der Stadtgesellschaft zeichnet Fiedlers Inszenierung hier possierliche Karikaturen. Die Journalistinnen des „Volksboten“ sind immer etwas zu laut und aufgeregt: Emilia Reichenbach und Banafshe Hourmazdi dürfen aber auch eine köstliche Pantomime hinlegen.

Lise Wolle als grau konfektionierte Autorität der „Mäßigungs“- Partei trägt ihr graues Kostüm derart korrekt und steif, dass sie sich die Kanzlerinnen-Raute gerade noch verkneifen kann. Nur Jürgen Sarkiss scheint seinen Politiker-Part genussvoll auszuleben. Den Bürgermeister stattet er derart lindneresk aus, dass man befürchten müsste: Er würde sofort gewählt.

Mit Gaga-Säulengrafiken wendet er die Stimmung gegen seinen Bruder – und ein Mini-Konzert manipuliert die Stimmung im Publikum: Während Sarkiss, Wolle und Co. zu „Suspicious Minds“ abrocken, wird ganz en passant die schöne Wohnung des guten Doktors zerlegt: Progrom-Musik.

Vorhalten müsste man dieser druckvollen Inszenierung allein, dass sie zwar die Eitelkeit, aber nicht die Hybris des Doktors zeigt. Dazu mag man Clemens Dönicke viel zu sehr als lieben Loser. Beim Schlussapplaus genießen die verfeindeten Brüder dann Seite an Seite die Jubelrufe.

>>> ZWEI WEITERE TERMINE IM JANUAR

Der Premiere folgen zwei weitere Aufführungen im Januar: am Sonntag, 21., und am Freitag, 26. Die Aufführung dauert 2 Stunden, 15 Minuten, ohne Pause. Im Februar gibt’s dreimal den „Volksfeind“.

Karten kosten von 11 bis 23 Euro, 0208 - 8578 - 184, per E-Mail an besucherbuero@theater-oberhausen.de