Oberhausen. Dem Schreiben und Sprechen in Versen widmet der Verein einen Schwerpunkt 2020. Literarische Gäste erzählen aus Babylon und deutscher Rap-Szene.

Literarische Prominenz trägt an der Marktstraße 146 nicht nur vor und stellt sich der angeregten Diskussion – sie mischt sich bereits unter die zahlenden Gäste: So erlebte Charlotte Roche im November die Lesung aus Jan Kawelkes „Zettelkasten“, und natürlich haben die Literaturhäusler gleich mal die Chancen für einen Auftritt der „Feuchtgebiete“-Autorin und „Queen of Podcast“ ventiliert.

Kenah Cusanit kommt dem Ausgräber Babylons, Robert Koldewey, mit „Babel“ ganz nahe: Sie eröffnet das Jahr im Literaturhaus.
Kenah Cusanit kommt dem Ausgräber Babylons, Robert Koldewey, mit „Babel“ ganz nahe: Sie eröffnet das Jahr im Literaturhaus. © Peter Hassiepen

Das neue Jahr startet allerdings mit drei anderen Autorinnen von Rang und Namen – und mit einem neuen, mutigen Schwerpunkt: Es ist die Lyrik, „die sehr zu Unrecht im Literaturbetrieb stiefmütterlich behandelte“, wie es im neuen Quartalsprogramm heißt, für die der Verein 2020 einen roten Faden ausrollt. Hartmut Kowsky-Kawelke, der Vorsitzende, sieht darin auch eine Chance, „Jüngere in den Blick zu nehmen“, seien es jüngere Autoren oder Rap- und Slam-affine Jugendliche: „Die Pop-Kultur ist ganz nah an der Lyrik dran.“

Nicht mehr der komische Vogel der Archäologie

Vom Ursprungsort der allerältesten überlieferten Poesie – von Babylon – erzählt Kenah Cusanit als erster Gast 2020am Freitag, 17. Januar, im Literaturhaus. Robert Koldewey ist anno 1913 der Held ihres Romans „Babel“, den die studierte Altorientalistin Cusanit so ganz anders zeichnet, als man den komischen Vogel der Archäologie vielleicht noch aus „Götter, Gräber und Gelehrte“ in Erinnerung hat: In „Babel“ ziseliert Koldewey seinen Sarkasmus auch im Schriftverkehr mit der Berliner Wissenschaftsbürokratie.

Mit „Morgellon“, seiner Novelle aus der finsteren Welt der Verschwörungstheoretiker, zählte Jan Wehn zu den ersten Gästen des Literaturhauses. Am Freitag, 31. Januar, präsentiert er im Druckluft, Am Förderturm 27, „Könnt ihr uns hören? – Eine Oral History des deutschen Rap“. Über hundert Gesprächspartner aus der Szene standen Wehn und seinem Co-Autor Davide Bortot für dieses Werk Rede und Antwort.

Aladin El-Mafaalani übernahm mit 35 Jahren bereits eine Professur in Münster. Der Soziologe spricht im Literaturhaus über sein jüngstes Buch „Das Integrations-Paradoxon“.
Aladin El-Mafaalani übernahm mit 35 Jahren bereits eine Professur in Münster. Der Soziologe spricht im Literaturhaus über sein jüngstes Buch „Das Integrations-Paradoxon“. © El-Mafaalani

„Sans trophée“ klingt schon sehr selbstironisch für eine Autorin wie Lütfiye Güzel, die 2017 den Literaturpreis Ruhr als durchaus angesehene „Trophäe“ gewonnen hatte. Seitdem, und seit ihrem letzten Besuch im Literaturhaus, hat die nimmermüde 47-Jährige weitere sieben Publikationen herausgebracht: immer im Selbstverlag und immer in enger Korrespondenz von Form und Inhalt. So meint „Sans trophée“ denn auch lyrische Blätter, eingelegt in Streichholzschachteln. Dass auch eine Poetin „total im Leben steht“, wie Hartmut Kowsky-Kawelke sagt, wird sie wieder am Freitag, 14. Februar, zeigen.

Gelingende Integration könnte Rassismus verstärken

Der aus Datteln stammende Soziologe Aladin El-Mafaalani machte sich vor fünf Jahren mit „Vom Arbeiterkind zum Akademiker“ auch außerhalb der Hörsäle einen Namen. Am Freitag, 28. Februar, debattiert der 41-Jährige im Literaturhaus „Das Integrations-Paradoxon“. Seine These: Gerade gelingende Integration durch Bildung und beruflichen Aufstieg könnte den Rassismus verstärken.

Christiane Neudecker bringt den jung verstorbenen Poeten Georg Heym und die heutige Berliner Kulturszene zusammen.
Christiane Neudecker bringt den jung verstorbenen Poeten Georg Heym und die heutige Berliner Kulturszene zusammen. © FUNKE FotoServices | Maurizio Gambarini

Nach einem „haarspaltenden“ Debüt um die Kulturgeschichte der Frisur widmet sich der Frauensalon am Mittwoch, 4. März, zwei sehr unterschiedlichen Autorinnen: Alice Munro, der heute 88-jährigen kanadischen Nobelpreisträgerin von 2013, und der afroamerikanischen Filmemacherin Kathleen Collins, der in nur 46 Lebensjahren die große Anerkennung versagt blieb.

Aus dem Strudel der exklusiven Vorabdrucke

Das Regiefach studierte auch Christiane Neudecker, die mit ihrem aktuellen Roman „Der Gott der Stadt“ aus vertrautem Milieu erzählt: Fünf Studenten einer Berliner Schauspielschule sollen sich das „Faust“-Fragment des mit 24 Jahren ertrunkenen Expressionisten Georg Heym vornehmen – und geraten in einen Strudel aus „Genialität und Wahn“, zu erleben am Freitag, 13. März.

Literatur und Debatten zum kleinen Preis

Im Literaturhaus bleibt’s auch 2020 bei der freundlichen Preisgestaltung: Lütfiye Güzel und das „Literarische Duett“ zur Buchmesse sind für jeweils 8 Euro zu erleben. 10 Euro kostet der Eintritt für „Babel“ mit Kenah Cusanit, für Rap-Historiker Jan Wehn im Druckluft und für Christiane Neudecker mit „Der Gott der Stadt“. Die Diskussion um das „Integrations-Paradoxon“ mit Aladin El-Mafaalani kostet 12 Euro.

Ermäßigte Karten gibt’s für jeweils die Hälfte, erhältlich im Vorverkauf in der Weinlounge „Le Baron“, Marktstraße 146, in der Buchhandlung Wiebus, Steinbrinkstraße 249, in Sterkrade sowie in Schmachtendorf bei Tabakwaren Brinkmann, Dudelerstraße 7.

In einen Strudel druckfrischer Neuerscheinungen geraten Janelle Pötzsch und Harald Obendiek bei der Vorbereitung ihres „Literarischen Duetts“, passend zur Leipziger Buchmesse am Freitag, 27. März. Dann gibt’s wieder hörenswerte Kostproben aus Vorabdrucken vom roten Sofa aus dem Literaturhaus.