Oberhausen. Künstler gewährten Einblicke in ihre Arbeitsstätten und kamen mit den Gästen ins Gespräch. Die „Extraschicht“ für Kunstliebhaber hat Tradition.
Einen Überblick über die enorme Kreativität der Stadt bot „Kunstlicht“, die „Extraschicht“ der Kunstschaffenden am Samstag vom späten Nachmittag bis Mitternacht. 68 Künstlerinnen und Künstler öffneten insgesamt 14 Ateliers und zeigten ihre Arbeiten: Malerei, Grafik, Zeichnung, Fotografie, Skulptur, Objektkunst, Installation, Video, Lichtkunst und visuelle Poesie. Viele Interessierte nahmen die Einladung an, stellten sich aus dem großen Angebot ihren persönlichen Kunstpfad zusammen und nutzten die Gelegenheit, die Künstler zu besuchen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Dabei hatten die Besucher wie in der „Extraschicht“, der Nacht der Industriekultur, oder der Kulturnacht der Stadt die Qual der Wahl. Wer alle Ateliers aufsuchen wollte, musste scheitern, denn dafür war das Verweilen an den einzelnen Kunstorten viel zu interessant. Nur mal eben reinzuschauen und wieder zu gehen war keine Option, denn die Aktiven hatten dafür gesorgt, dass sich ihre Gäste bei ihnen wohlfühlten.
Künstler-Co-Working an der Ludwigstraße
So hatten die acht Künstler, die im Atelierhaus Ludwigstraße arbeiten, schon den Eingangsbereich ihres Domizils so gestaltet, dass die Besucher das Gefühl hatten, eine Ausstellung zu betreten. Bilder und Objekte waren ebenso mit Namensschildchen der Künstler versehen wie die Türen der Ateliers. So hatte beispielsweise Brigitte Münch, die im Hauptberuf Goldschmiedin ist, im Atelierhaus aber malt und gestaltet, wie und mit welchem Material sie will, ihren Arbeitsraum als „Ort zum Wohlfühlen“ hergerichtet.
Freche Figuren, auf Büttenpapier gemalt, präsentiert sie und witzige Kreaturen, die sie aus Holz geschaffen hat. Sie ähneln sich zwar, jede von ihnen hat jedoch einen individuellen Charakter. Ein Tischbein ist ihr als Material für eine Figur durchaus willkommen. „Ich verarbeite nichts Edles, sondern Allerweltsprodukte.“ Seit 15 Jahren, seitdem die ehemalige Schlosserei zum Atelier mutierte, arbeitet sie hier in enger Nachbarschaft zu Guido Berndsen. Den riesigen ehemaligen Lagerraum der Schlosserei teilen sie sich. „Das klappt gut, die Trennwand bringt’s. Manchmal müssen wir uns beim Arbeiten auf eine Musik einigen.“
Auch Guido Berndsen hat für den Kunstlicht-Abend Ordnung in seinem Atelier gemacht. Der Gast bekommt einen kleinen Eindruck von der Vielseitigkeit seines Schaffens. Da stehen einige der insgesamt 100 Figuren, die er anlässlich des 100-jährigen Stadtjubiläums von Bottrop gefertigt und am Tag des offenen Rathauses sowie zur „Extraschicht“ auf der Halde in Szene gesetzt hat. Jede ist anders, aus unterschiedlichen Materialien hergestellt. „Alles, was man so im Baumarkt finden kann“, hat er verarbeitet. „Jede Figur erzählt eine Geschichte“, sagt er.
Künstlerpaar fertigt unverkäufliche Mamor-Skulpturen
Organisation liegt beim Kulturbüro
Alle Jahre wieder lädt die vom Kulturbüro der Stadt organisierte Veranstaltung „Kunstlicht“ Kunstinteressierte dazu ein, Oberhausener Künstlerinnen und Künstler in ihren Ateliers zu besuchen. Die Veranstaltung findet traditionell Anfang November statt und vermittelt einen Überblick über die große Kreativ-Szene der Stadt.
Wer die Einladung annimmt und sich auf den Kunstweg macht, hat Gelegenheit, die Orte kennenzulernen, an denen kreativ gearbeitet wird, aber auch, Künstler zu entdecken, deren Werke besonders gefallen und die man vielleicht erwerben möchte. In einigen der geöffneten Ateliers wurden auch Verkaufsgespräche geführt.
Guido Berndsen, ein Künstler, der in der Szene einen Namen hat, will sich nicht festlegen lassen auf einen speziellen künstlerischen Weg. Er zeichnet, malt mal figürlich, mal völlig abstrakt. Seine riesigen Wachsbilder mit ihrer interessanten Oberflächenwirkung würden gut passen in eine Ausstellung des Vereins für aktuelle Kunst im Zentrum Altenberg. Seine Grafiken könnten hingegen besser im Wohnzimmer eines Liebhabers zur Geltung kommen.
Mit zur Ateliergemeinschaft Ludwigstraße zählen auch Künstler wie Wolfgang Kleinöder mit seinen Textarbeiten oder Adelheid und Karl Schönlebe, die Marmor-Skulpturen anfertigen. „Sie sind unverkäuflich, unsere Kinder.“ Mit Skizzen oder Modellen reist das Künstlerpaar einmal im Jahr nach Südtirol, um mehrere Wochen lang eine spezielle Marmorart vor Ort zu bearbeiten. Die Feinarbeit wird dann im Oberhausener Atelier erledigt.
Kunst-Tombola in der Kunstfabrik
Das Reisen spielt auch für Erika Wobser eine Rolle, wenn sie auf Mallorca Kreativkurse in der Natur anbietet. In der Kunstfabrik, einem 400 Quadratmeter großen Hinterhaus-Atelier an der Dickerstraße, das seit 2009 existiert, haben sie und neun Mitglieder des Vereins Kunstfabrik den großen Raum in der oberen Etage, wo sonst Kunstworkshops stattfinden, in einen Kunstlicht-Ausstellungsraum verwandelt.
In der Mitte des Raumes haben sie auf einem langen Tisch kleinere Werke platziert, die die Kreativen für eine Tombola zur Verfügung stellten. Zehn Euro kostet ein Los, jedes gewinnt.
Die Atmosphäre im Raum ist entspannt und locker. Viele der Besucher kennen sich. Die Bilder an den Wänden geben einen Eindruck davon, wie unterschiedlich Menschen ihre Kreativität ausleben. Auch hier fühlen sich die Gäste eingeladen und willkommen zum Wohlfühlen und Verweilen, zum Austausch mit den Kreativen und miteinander.