Oberhausen. Waltraud Krause hat sich erst mit 53 Jahren als Buchhändlerin selbstständig gemacht. Auch mit 75 Jahren denkt sie noch lange nicht ans Aufhören.
Es gibt sie noch, die kleine, gemütliche Buchhandlung zum Schmökern, wo die Bücherregale bis unter die Decke reichen und auch nach ausgefallenen Bücherwünschen der Kunden gesucht wird. Im kleinen Nebenzentrum von Königshardt hat Waltraud Krause vor 22 Jahren ihr Geschäft eröffnet. 75 Jahre alt ist sie mittlerweile und denkt noch lange nicht ans Aufhören.
Denn die Liebe zu Büchern zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben. Wann immer ihr Lebensweg es zuließ, kehrte sie wieder dorthin zurück. Als jüngstes von acht Geschwistern, geboren 1944, fand sie mit ihrer großen Familie nach dem Zweiten Weltkrieg im westfälischen Warendorf eine neue Heimat. Allerdings hatte ihr Vater die Nazizeit nicht überlebt. Die Mutter musste die Familie ernähren. Klein Waltraud wuchs unter der Obhut ihrer ältesten Geschwister auf. „Bücher konnten wir uns damals nicht leisten. Aber wir haben uns abends immer gegenseitig Geschichten erzählt“, erinnert sie sich. Wenn ihre Geschwister aus der Schule gekommen sind, nervte sie sie bei den Hausaufgaben, ihr auch das Lesen und Schreiben beizubringen.
Stellung als Hausmädchen
http://funke-cms.abendblatt.de:8080/webservice/thumbnail/article/216181223Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Gleich drei Jahrgänge zusammen wurden in ihrer Dorfschule unterrichtet. Waltraud las so gut, dass sie schon die Aufgaben für die älteren Jahrgänge mit lösen konnte. Vergeblich machten sich ihre Lehrer dafür stark, dass sie auf die höhere Schule wechselte. Aber die Mutter konnte das Schulgeld dafür nicht aufbringen. So sorgten sie wenigstens dafür, dass die gute Volksschülerin in einer Buchhandlung in Warendorf eine Lehre machen konnte. „Meiner Mutter hatte für mich eine Stellung als Hausmädchen vorgeschwebt“, berichtet die Geschäftsfrau.
Eifrige Vorleserin
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Als die Mutter Anfang der 60er Jahre nach Oberhausen zog, musste die Tochter mitgehen. Damals war man erst mit 21 Jahren volljährig. Sie musste in der Gastronomie ihres Bruders aushelfen, arbeitete einige Zeit in einem Elektroeinzelhandel und begann 1964 wieder bei Osterkamp in Sterkrade als Buchhändlerin. Dann blieb sie einige Zeit für ihre beiden Kinder zu Hause, betätigte sich aber eifrig als Vorleserin in Kindergärten und Schulen. 1977 rief sie in der Holtener Stadtteilbibliothek, die es damals noch gab, den Leseclub ins Leben. Ab Mitte der 80er Jahre arbeitete sie wieder in ihrem Beruf, diesmal in der Buchhandlung Grauert in Sterkrade. 1996 musste sie wegen Umstellungen dort ihre Stellung aufgeben. Es schlug die Stunde für den erzwungenen Neuanfang.
Das Sortiment
Zum reichhaltigen Sortiment der Buchhandlung in Königshardt gehören die stark gefragten Bücher der Spiegel-Beststellerliste. Von jedem darin genannten Titel hat Waltraud Krause mindestens ein Exemplar vorrätig. Besonders gut sortiert ist sie auch bei Schulbüchern.
Zum Randsortiment in ihrem Geschäft gehören außerdem Kalender, Tagebücher, Gästebücher, Geschenkartikel und Grußkarten.
„Jeder Mensch hat ja eine Begabung“, sagt Waltraud Krause heute. Als ihre Begabung machte sie das Verkaufen von Büchern aus. Künftig wollte sie ihrem Beruf ungehindert nachgehen. Sie hielt Ausschau nach einem geeigneten Ladenlokal. Viele ihrer früheren Kunden kamen aus dem Oberhausener Norden. Da fanden sich die Räume einer ehemaligen Apotheke am Höhenweg. Mit dem Mobiliar der in Duisburg ausgelaufenen Herder-Buchhandlung eröffnete sie am 12. Juni 1997 ihr eigenes Bücher-Reich. „Bücher sind ein Lebensmittel. Sie gehören in jeden Stadtteil“, sagt Krause. Mit Angelika Reindel, einer studierten Literaturwissenschaftlerin, fand sie eine zuverlässige Mitarbeiterin und bewährte Ratgeberin für ihre Kunden.
Ausnahme: Online-Katalog
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War Waltraud Krause schon keine Freundin des Kabelfernsehens, das Anfang der 80er Jahre eingeführt wurde, so stört sie erst recht die Dauer-Berieselung, die mit dem Internet verbunden ist. „Ich bin noch die glückliche Steinzeit-Buchhändlerin, die gar kein Internet hat“, sagt sie lachend. Einzige Ausnahme ist der Online-Katalog der lieferbaren Bücher mit dem Zugang zu den Grossisten. Für solche Ablenkungen hat sie auch gar keine Zeit. „Ich bin ja schließlich mit meiner Buchhandlung verheiratet“, sagt sie. Das Geschäft sei ihre ganze Erfüllung.