Nach dem Zusammenschluss mit der Mayerschen will der Buchhändler Thalia ins Spielwaren-Geschäft einsteigen und in Supermärkten präsent sein.
Kurz vor dem 100. Geburtstag des Hagener Buchhandelsunternehmen Thalia hat der Geschäftsführende Gesellschafter Michael Busch den Zusammenschluss mit der Mayerschen auf den Weg gebracht. Über seine Pläne und die mächtige Konkurrenz Amazon sprachen Andreas Tyrock, Lars von der Gönna und Frank Meßing mit dem 55-Jährigen.
Herr Busch, das Hagener Buchhandelsunternehmen Thalia wird am 15. August 100 Jahre alt. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Michael Busch: Zunächst natürlich, dass die Menschen wieder mehr lesen. Wir brauchen interessierte, offene und tolerante Menschen für unsere Zukunft. Lesen eröffnet neue Horizonte und ist die Grundlage für Bildung. Zudem wünsche ich mir, dass die Anstrengungen, die wir unternehmen um das Lesen wieder populärer zu machen, mehr Anerkennung in der Öffentlichkeit finden. Ich sage das vor allem mit Blick auf die vielen Thalia Buchhändlerinnen und Buchhändler, die vor Ort einen super Job machen. Umfragen zeigen, dass Kunden keinem Händler so gute Noten geben wie Thalia.
Kränkt Sie das Image, das Sie im Vergleich zu kleinen inhabergeführten Buchhändlern haben?
Nein, denn es beruht in den meisten Fällen auf einem überholten Bild von Thalia.
Was macht aus Ihrer Sicht eine gute Buchhandlung aus?
Ein Top-Sortiment, das in die Tiefe geht und aktuell ist, gut ausgebildete Mitarbeiter, die kompetent beraten, wenn der Kunde das wünscht. Und ein Unternehmen sollte in der Lage sein, alle Vertriebskanäle zu bedienen – von der Online-Bestellung bis zur Abholung von Büchern in der Buchhandlung. Wir beobachten, dass immer mehr Kunden im Netz bestellen, aber die Bücher bei uns persönlich abholen.
Glauben Sie, dass kleine Händler bei diesen Anforderungen auf Dauer mithalten können?
Ich denke, es wird sehr schwierig. In Ländern wie Frankreich, Großbritannien, Belgien und den USA geben sogar marktführende Buchhändler auf. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Verlagerung des Buchgeschäfts ins Internet voranschreiten wird. Immer weniger Menschen besuchen unsere Innenstädte, damit hat der gesamte Einzelhandel zu kämpfen. Das bekommen natürlich auch die kleinen Buchhandlungen zu spüren.
Kann das Sterben von Buchläden für Sie als Marktführer in Ihrem Interesse sein?
Nein. Deshalb wollen wir der Buchbranche in Zukunft verstärkt Partnerschaftsmodelle anbieten.
Thalia bietet neben Büchern auch sogenannte Non-Book Sortimente an, von Küchenutensilien bis zum Teddybär. Können Sie mit Büchern nicht mehr genug Geld verdienen?
Unsere Kunden erwarten heute inspirierende Einkaufserlebnisse von uns. Deshalb entwickeln wir zum Buchsortiment passende Themenwelten. Allerdings gab es in der Vergangenheit zu viele buchferne Produkte in unseren Buchhandlungen, deshalb haben wir hier einen radikalen Schritt gemacht. Seit einem knappen Jahr setzen wir auf unsere exklusive Eigenmarke, die es nur bei Thalia gibt oder auch auf Kooperationen mit bekannten und hochwertigen Marken, wie z.B. mit Steiff.
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Die Mayersche hat große Spielwaren-Abteilungen.
Wir wollen unser Spielwaren-Sortiment deutlich ausweiten und von der Kompetenz der Mayerschen, mit der wir uns im Januar zusammengeschlossen haben, profitieren. In Bochum, Dortmund, Duisburg und Essen etwa hat die Mayersche Buchhandlung bereits bis zu 1000 Quadratmeter große Spielwaren-Abteilungen eingerichtet. Das Konzept wollen wir nun auch in großen Thalia-Läden ausrollen. Aus vielen Innenstädten sind die Fachhändler doch längst verschwunden und haben eine Lücke hinterlassen.
Seit dem 1. Juni, als der Zusammenschluss mit der Mayerschen in Kraft trat, gehören die rund 60 Buchhandlungen der Mayerschen zum Gesamtunternehmen. Werden zu den Synergieeffekten auch Arbeitsplatzabbau und Standortschließungen gehören?
Unser Zusammengehen hat vorrangig das Ziel, unser Know-how zu bündeln, gemeinsam noch besser zu werden. Die Verwaltungsstandorte in Hagen, Aachen, Münster, Berlin und Linz sind gesetzt. Es wird dort keinen Stellenabbau im Zusammenhang mit unserem Zusammenschluss geben – das gilt auch für unsere Buchhandlungen. Die beiden starken und bekannten Marken Mayersche und Thalia bleiben erhalten. Wir wollen in den nächsten Monaten noch voneinander lernen und von den Stärken des anderen profitieren.
Gibt es konkrete Pläne?
Die Mayersche beliefert mit ihrem Tochterunternehmen „Best of Books“ Supermärkte, Drogerien und Verbrauchermärkte mit passenden Buchsortimenten und ist damit seit mehr als 15 Jahren sehr erfolgreich. Wir sehen hier und auch im Geschäft mit Geschäftskunden, zum Beispiel Hochschulen, ein großes Wachstumspotenzial. Die Mayersche wiederum kann vom Thalia-Onlineshop profitieren. Wir machen bereits rund 20 Prozent unseres Umsatzes im Netz.
Thalia hat zuletzt eine Reihe von Filialen deutlich verkleinert. Hat sich das neue Format bewährt?
Das ist kein neues Format. Wir passen unsere Verkaufsflächen regelmäßig an den Bedarf an: Vom großen Flagship-Store bis zur kleinen Stadtteilbuchhandlung. Der Trend der 90er und 2000er Jahre überall riesige Buchkaufhäuser zu gründen, ist heute passé. In Mülheim etwa sind wir beispielsweise von drei Etagen auf ein normales Ladenlokal gegangen und sind dort wieder profitabel.
Will Thalia weiter wachsen?
Selbstverständlich. Und wir können uns weitere Partnerschaften vorstellen. Unter dem Dach von Mayersche und Thalia ist Platz für inhabergeführte Buchhandlungen oder auch für Regionalfilialisten. Neugründungen an interessanten Standorten sind ebenfalls vorgesehen. In jeder mittleren und größeren Stadt sollte es eine Mayersche oder eine Thalia Buchhandlung geben. Nach dem Zusammenschluss haben wir aktuell ein Netzwerk von rund 350 Läden und wir investieren kräftig.
Ihr größter Konkurrent bleibt aber der US-Onlineriese Amazon.
Unser Vorteil ist, dass wir in der Nähe der Menschen, vor Ort, sichtbar sind. Zudem legen wir sehr viel Wert auf die persönliche Beratung. Der Kunde steht bei uns im Mittelpunkt. Wir bieten Orientierung und Auswahl, eine schöne Atmosphäre zum Eintauchen in Geschichten und neue digitale Services, wie z.B. das mobile Bezahlen – das Anstehen an der Kasse entfällt. Das kann ein reiner Online-Händler nicht bieten.
Gilt das auch für den elektronische Bücher?
Mit dem Start des E-Readers tolino, den wir 2013 zusammen mit Partnern entwickelt haben, ist es uns gelungen, dem Kindle von Amazon im deutschsprachigen Raum Paroli zu bieten. Er hat in Deutschland unter den Nutzern einen Anteil von nur rund 50 Prozent, in anderen Ländern sind es 80 oder 90 Prozent. Ich sage: Man darf akzeptieren, dass die Kunden Bücher online bestellen; wir als deutscher Buchhandel können den Menschen aber eine gute Alternative zum Kauf bei Amazon bieten.
Was haben Sie selbst zuletzt gelesen?
Joachim Gaucks „Toleranz“. Das Thema ist mir persönlich enorm wichtig.
Gedruckt oder digital?
Gedruckt. Ich lese am liebsten gebundene Werke, weil ich Notizen hineinschreibe und die Bücher am Ende ins Regal stellen will.
Ist das Ihre Vorliebe oder ein Trend?
Wir stellen fest, dass das Pendel leicht zum gedruckten Buch zurück wandert. Die Menschen wollen wieder Papier anfassen.