Oberhausen. Das fünfstöckige Bürogebäude allein hat fast 23 Millionen Euro gekostet – da lohnt sich ein Rundgang durchs neue Oberhausener Jobcenter.

An die nackten grauen Sichtbetonwände im neuen 22,5 Millionen Euro teuren Jobcenter-Bürogebäude in der Oberhausener Innenstadt muss sich noch so mancher gewöhnen. „Einige Arbeitslose fragen mich schon ein wenig erstaunt, ob das alles hier noch so bleibt oder bald Tapeten an die Wände kommen“, sagt ein Sicherheitsmann, der den ganzen Tag die Eingangshalle beaufsichtigt.

Der Oberhausener Jobcenter-Geschäftsführer Uwe Weinand vor der runden Empfangstheke im Eingangsbereich. Dahinter die grau-kahlen Betonplatten-Wände.
Der Oberhausener Jobcenter-Geschäftsführer Uwe Weinand vor der runden Empfangstheke im Eingangsbereich. Dahinter die grau-kahlen Betonplatten-Wände. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Nein, Tapeten oder Gemälde gibt es im Eingangsbereich des Jobcenters an der Marktstraße nicht – nur einen sehr markanten und sehr weißen Empfangstresen für alle Hartz-IV-Empfänger, die das Haus betreten. Denn mit den beiden Aufzügen in die oberen Beratungsbüros fahren darf nur derjenige Jobcenter-Kunde, der sich vorher offiziell angemeldet hat.

Kahle Betonquader bilden die Wände

Die Frage nach den so unfertig aussehenden Wänden mit auffälligen Betonquadern stellen sich allerdings nicht nur diejenigen, die sich mit modernen Architekturstilen (viel Glas, viel Sichtbeton, viel Licht, viel Grau, viel Weiß) nicht so auskennen. Erst acht Monate nach dem Einzug der 210 Mitarbeiter des Jobcenters in ihre 200 Büros sind im Inneren des fünfstöckigen Verwaltungsgebäudes mit den markanten Gewächshäusern auf dem Dach die letzten Bauarbeiten erledigt.

In den ersten Wochen war der Eingang des vom Oberhausener Gebäudemanagement hochgezogenen Neubaus eigentlich noch im Rohzustand – so mancher wäre unter diesen Umständen als Mieter gar nicht eingezogen. Doch Jobcenter-Geschäftsführer Uwe Weinand musste Mitte Dezember 2018 mit seinen Mannschaften anrücken – wichtige Mietverträge in den bisher in der ganzen Stadt verteilten Zweigstellen des Jobcenters waren gekündigt.

Ungewohnter Blick: Der neue Innenhof des Jobcenters, der durch eine Seite mit dem Gerüst für den vertikalen Garten gebildet wird. Darüber sind die Dächer der Gewächshäuser zu sehen.
Ungewohnter Blick: Der neue Innenhof des Jobcenters, der durch eine Seite mit dem Gerüst für den vertikalen Garten gebildet wird. Darüber sind die Dächer der Gewächshäuser zu sehen. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Weinand musste sich von seinen Leuten so einigen Unmut anhören lassen, im Dreck, Staub und Lärm von Baustellen-Arbeitern Arbeitslose betreuen und beraten zu müssen. Doch Schwamm drüber! Jetzt schaut Weinand die grauen Wände hoch und findet es einfach gut. „Die Optik kommt mir sehr entgegen, ich bin ein Freund von sachlichen Formen und wenig Farbe.“

Noch Grünpflanzen geplant – mit automatischer Bewässerung

Allerdings sind im Vorzeige-Gebäude mit mehreren innovativen Techniken unter Begleitung von Wissenschaftlern des Fraunhofer-Instituts noch zahlreiche Grünpflanzen vorgesehen: In den unter den Decken der Eingangshalle an Ketten hängenden weißen Kästen soll grüne Flora der Erde entgegenwachsen – automatisch bewässert. Und vom Boden des durch große, noch ungeputzte Glasscheiben sichtbaren Stahlgerüsts werden sich schon in wenigen Wochen dauergrüne Ranken nach oben winden.

Freundliche transparente Stimmung des Jobcenter-Gebäudes

Trotz der bisher noch von einigen als kalt empfundenen Atmosphäre strahlt das Gebäude im Inneren offenbar eine recht beruhigende, freundliche Stimmung auf die in Spitzenzeiten täglich 800 Hartz-IV-Besucher aus. „Es ist ja kein luxuriöses, aber ein sehr wertiges Gebäude, das drückt eine Wertschätzung aus, dass sich im Verhalten widerspiegelt“, beobachtet Weinand. Selbst diejenigen unter den Arbeitslosen, die früher eher als renitent eingeschätzt wurden, benehmen sich im neuen Jobcenter gesittet.

Jobcenter-Mitarbeiterin Marie Stietzel demonstriert eine Computerbrille, die virtuell Realitäten erzeugt – und mit der man Berufsbilder durch spezielle dreidimensionale Filme fast hautnah erleben kann.
Jobcenter-Mitarbeiterin Marie Stietzel demonstriert eine Computerbrille, die virtuell Realitäten erzeugt – und mit der man Berufsbilder durch spezielle dreidimensionale Filme fast hautnah erleben kann. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Dazu dient womöglich auch die neue Technik, die den Service für Arbeitslose verbessert und den hohen Arbeitsdruck der Beschäftigten mindert. Online-Termine buchen, Online-Anträge stellen, abzugebende Dokumente leicht im Eingang einscannen, Berufsbilder mit 3D-Kameras erkunden, an Computern neue Arbeitsplätze suchen – die lichte, freundliche, moderne Atmosphäre im weitgehend digitalisierten Bürohaus entspannt die Gemüter.

Innovative Technik funktioniert nicht sofort

Die Technik des Gebäudes ist so innovativ, dass einiges noch nicht voll funktioniert. So benötigte man einige Zeit, um die neuen Kühldecken in den Besprechungsräumen richtig einzustellen: Dadurch fließt kaltes Wasser, das sich durch die warme aufsteigende Luft wieder erwärmt und im Kreislauf zum Dachgarten befördert wird – dort wird ihm die Wärme entzogen und für das gute Wachstum der Salate und Erdbeeren genutzt.

Die Bürotüren sind aus Sicherheitsgründen mit Sichtfenstern versehen.
Die Bürotüren sind aus Sicherheitsgründen mit Sichtfenstern versehen. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Noch nicht überall frei geschaltet ist die Türschloss-Technik per Funk: Nur mit den täglich neu aktivierten Einlasskarten eines jeden Mitarbeiters öffnet sich die Tür der Büros. In den Bürotüren wurden zur Sicherheit extra schmale Glasfenster eingebaut – so kann der Mitarbeiter schauen, ob merkwürdige Typen vor seiner Tür lungern. Bei unauffällig in den Büros ausgelöstem Alarm schauen die Sicherheitskräfte von außen erst durchs Fenster, wie sich die Lage im Büroinneren verhält.

Keine Namensschilder an den Bürotüren

Namensschilder an den Bürotüren gibt es nirgendwo – aus Sicherheitsgründen sollen Mitarbeiter nicht sofort identifiziert werden können. Um dunklen Gestalten keinen einfachen Zutritt ins Jobcenter zu ermöglichen, sind auch die über eine Außentreppe erreichbaren Dachgewächshäuser vom Jobcenter-Inneren komplett abgetrennt – es gibt zwischen den beiden keinen Zugang.

Insgesamt Kosten von 32 Millionen Euro

Das fünfstöckige Bürogebäude mit 7000 Quadratmetern Fläche an der Marktstraße 31 in der Oberhausener Fußgängerzone der Innenstadt ist von den beiden Stadttöchtern Verwaltungszentren Oberhausen GmbH (VZO) und Oberhausener Gebäudemanagement GmbH (OGM) hochgezogen worden. Es wird vom Jobcenter, das gemeinschaftlich von Stadt und Bundesarbeitsagentur betrieben wird, als Mieter genutzt.

Bei einem Architektenwettbewerb hatte sich das Berliner Büro Kuehn Malvezzi Projects GmbH mit seiner Idee einer vertikalen Grünbepflanzung senkrecht in die Höhe durchgesetzt. Grundsteinlegung war im September 2017, offizieller Fertigstellungstermin im Dezember 2018. Auf dem Dach entstand ein Gewächshaus – als Forschungsprojekt von Fraunhofer Umsicht, um Nutzpflanzen in der Stadt durch die Abwärme eines Hauses hochzuziehen.

Der Bürokomplex hat insgesamt 32 Millionen Euro gekostet: 4,6 Millionen Euro für das Gewächshaus inklusive Schulungsraum sowie Toilettenanlage, 22,5 Millionen für das Bürogebäude und 4,6 Millionen Euro für die Sanierung des nahen Parkhauses an der Linsingenstraße.

Das Bürogebäude ist überall barrierefrei – für Rollstuhlfahrer wie für Sehbehinderte. Jede Etage ist in mittlerer Höhe mit verschieden farbigen Streifen leicht zu finden. Die Einzelbüros sind nüchtern-schlicht eingerichtet, haben aber im Gegensatz zu den Besprechungsräumen keine Kühlung – die Mitarbeiter behelfen sich mit Querlüftung. Wer mit dem Rad zur Arbeit fährt, kann im Keller sein wertvolles Fahrzeug sicher verwahren. Eine Kantine gibt es schon alleine mangels Platz und fehlender Wirtschaftlichkeit nicht. „Unsere Leute gehen in der Pause raus und nutzen die vielen Möglichkeiten in der Innenstadt, sich fürs Mittagessen zu versorgen.“

Nur die Besprechungsräume im Jobcenter-Gebäude werden mit der innovativen Kühldecken-Technik klimatisiert. Aus dem Boden strömt Frischluft durch runde Öffnungen in den Raum.
Nur die Besprechungsräume im Jobcenter-Gebäude werden mit der innovativen Kühldecken-Technik klimatisiert. Aus dem Boden strömt Frischluft durch runde Öffnungen in den Raum. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Jobcenter-Mitarbeiter werden nicht nur in ihrer Mittagspause sichtbar, sondern auch während der Arbeit – auch das mindert nach Überzeugung des Jobcenter-Geschäftsführers Uwe Weinand die Aggressivität. „Wir haben das Gebäude bewusst so transparent anlegen lassen, so dass man von außen unsere Leute bei ihrer Arbeit beobachten kann und man nicht grundlos warten muss.“ Immerhin dauert es manchmal bis zu 45 Minuten, ehe man nach Ziehung einer Wartemarke an der Reihe ist.

Chefbüro im Erdgeschoss

Weinand selbst hat sein Büro mit dem großen farbigen Zollverein-Foto bewusst ins Erdgeschoss am großen Fenster zur Friedrich-Karl-Straße gelegt – und nicht wie sonst üblich in die oberste Etage. „Ich will hier nah am Geschehen sein und nicht irgendwo da oben repräsentieren.“