Oberhausen. Der Energieversorger EVO hat auf dem lokalen Strom- und Gasmarkt zwar noch immer eine überragende Stellung, verkauft aber immer weniger Energie.

Die Energieversorgung Oberhausen (EVO) verliert seit Jahren mit seinen Hauptsäulen Strom, Erdgas und Fernwärme an Umsatz. Im vergangenen Jahr sanken die Verkaufserlöse erstmals unter die psychologisch wichtige Marke von 200 Millionen Euro im Jahr – drei Jahre zuvor waren es noch 216 Millionen Euro, vor zehn Jahren nahm die EVO mit ihren Verkäufen sogar 225 Millionen Euro ein. Damit verlor die EVO 2018 im Vergleich zu 2008 satte 11,6 Prozent. 2017 lag der Umsatz bei 203 Millionen Euro.

Über 270 Stromanbieter und über 190 Gasanbieter

Schuld an dieser Entwicklung haben nach Darstellung von EVO-Vorstand Hartmut Gieske und Bernd Homberg die zunehmend erfolgreicheren Energie-Einsparanstrengungen der Bürger und Betriebe, die wärmeren Winter (Gasabsatz: minus 3,9 Prozent) und der scharfe Wettbewerb im Strom- und Gasmarkt. „Wir haben hier in Oberhausen über 270 Strom- und über 190 Gasanbieter. Irgendeiner ist immer dabei, der unter seinen Einkaufspreisen Strom und Gas verkaufen will“, schildert Gieske.

Die EVO in Zahlen 2018

Die EVO beschäftigt zusammen mit EVO Netz 424 Mitarbeiter und 17 Auszubildende. An Gewerbesteuern (2,8 Millionen Euro), Konzessionsabgabe (8,9 Millionen Euro) und Gewinnen (5,5 Millionen Euro) zahlt die EVO im Jahr an die Stadt Oberhausen insgesamt 17,2 Millionen Euro – bei einem Umsatz von 199,4 Millionen Euro im Jahr 2018.

2009 setzte die EVO noch 614,3 Gigawattstunden (GWh) Strom ab, 2018 waren es nur noch 414 GWh – ein Rückgang um fast ein Drittel. Ähnlich verlor die EVO beim Erdgas: 2009 wurden noch rund 984 GWh verkauft, im vergangenen Jahr waren es 651 GWh. Der Fernwärme-Verkauf erhöhte sich seit 2009 von 381 GWh auf 407 GWh (6,8 Prozent).

Bei Strom und Gas hat die EVO immer noch einen Marktanteil von 79 Prozent. Die Zahl der Abnahmestellen im Stadtgebiet: 107.000 beim Strom, 26.000 beim Erdgas und 6700 bei der Fernwärme.

So sank allein der Stromabsatz 2018 um schmerzhafte 3,5 Prozent auf 414 GWh, im Vorjahr betrug das Minus sogar 8,9 Prozent. Einzig der Nah- und Fernwärmeabsatz steigt – weil hier mehr Haushalte als früher angeschlossen werden.

Nur mit Mühe hat es der EVO-Vorstand geschafft, das von den Anteilseignern Innogy SE und der Stadt Oberhausen (je 50 Prozent) vorgegebene Ziel einzuhalten, elf Millionen Euro an Gewinn aus 2018 auszuschütten. „Wir haben dafür einige Rücklagen aufgelöst“, erläutert Gieske. Der Griff in den Sparstrumpf holte zwei Millionen Euro herbei, das operative Geschäft 9,5 Millionen.

EVO benötigt „zwingend neue Geschäftsfelder“

So kommt der EVO-Vorstand ungeschminkt zu dem Schluss: „Wir benötigen zwingend neue Geschäftsfelder.“ Denn niemand glaubt, dass sich der Markt noch einmal zugunsten des größten Energieversorgers in Oberhausen dreht. Gleich mehrere Projekte haben Homberg und Gieske in der Pipeline.

Wachstumsfeld Elektroroller

EVO-Vorstand Hartmut Gieske ist selbst bekennender Fan der orange-roten Elektroroller, die auf dem Markt gut ankommen.
EVO-Vorstand Hartmut Gieske ist selbst bekennender Fan der orange-roten Elektroroller, die auf dem Markt gut ankommen. © Funke Foto Service | Udo Gottschalk

Ein Wachstumsfeld ist der Leihservice von Elektrorollern – die EVO lässt ihre orange-farbigen Zweiräder bis nach Essen flitzen. Mit über 5000 Nutzern und 70 Rollern ist man bereits über Plan, man will zügig auf 140 Roller ausbauen. „Mittelfristig sind 400 bis 500 Leihroller möglich“, ist Gieske optimistisch.

Aufbau eines neuen Funknetzes fürs Internet der Dinge

Zweiter Hoffnungsträger: Die EVO hat in diesem Jahr wie einige andere Stadtwerke ein eigenes langwelliges Lora-Funknetz mit Hilfe des Fraunhofer Instituts Umsicht in Oberhausen aufgebaut. Das überträgt mit nur fünf bis sieben Sende-Stationen in Oberhausen energie-arm Daten mit geringem Volumen sehr effizient – und verbindet als Internet der Dinge etwa Messgeräte und Sensoren für Ölstände, Heizungswärme, Akkuleistungen, offene Fenster mit einer Zentrale oder Handy-Apps. Erst nutzt man das Funknetz intern, später bietet man es auch Unternehmen an.

Heizungen abrechnen für Vermieter

Drittes Geschäftsfeld: Die EVO will traditionellen Heizungsablesefirmen wie Techem und Ista Konkurrenz machen – und Immobilieneigentümern ein günstiges Ablesesystem über den Heizungsverbrauch ihrer Mieter anbieten. Per Funk sollen die Daten von jeder Heizung an die EVO gesendet werden – und so kann der Energieversorger Vermietern alles aus einer Hand anbieten: Gas liefern, Heizungsbetrieb inklusive Notdienst sichern, Heizungsabrechnung erstellen. Gieske schätzt die Wechselbereitschaft der Vermieter von den Ablese-Konkurrenten zur EVO hoch ein: „Viele ärgern sich über die Preise und die Zuverlässigkeit.“

Komplettpakete Energie inklusive Heizungswartung verkaufen

Die EVO hat im Mai 2019 offiziell die neue Heizungsanlage im Friedensdorf in Betrieb genommen. Sie wird auch von dem Energieversorger komplett gewartet und betrieben. Links: EVO-Vorstand Bernd Homberg.
Die EVO hat im Mai 2019 offiziell die neue Heizungsanlage im Friedensdorf in Betrieb genommen. Sie wird auch von dem Energieversorger komplett gewartet und betrieben. Links: EVO-Vorstand Bernd Homberg. © EVO | EVO

Viertes Dienstleistungsgeschäft: Die EVO will nicht mehr nur Elektrizität oder Gas verkaufen, sondern Komplettpakete an Betriebe und Siedlungen. So stattete die EVO das Friedensdorf nicht nur mit einer Heizungsanlage aus, sondern übernimmt auch Betrieb und Wartung.

Eigene Strom- und Gasmarke soll das Ruhrgebiet erobern

Und fünftens will man mit seinen Produkten in die Region ausschwärmen. Mit der eigenen Strom- und Gasmarke „Revierkraft“, wieder auf dem Auswärtstrikot des Viertliga-Fußballteams von RWO zu sehen, sollen Ruhrgebietler überzeugt werden, EVO-Kunde zu werden. „Wir wachsen außerhalb Oberhausens langsam, aber wir sind auch kein billiger Jakob. Wir bieten guten Service, sind verlässlich und halten Preise mittel- und langfristig stabiler als andere – und darauf kommt es an“, meint Gieske.