Oberhausen. Ein Gesetz verhilft mehr als 100 langzeitarbeitslosen Menschen in Oberhausen zu einem neuen Job. Der Staat übernimmt einen Teil der Kosten.
Wenn Marlies Weber über ihren Job spricht, steigen ihr Tränen in die Augen. Es sind Tränen der Freude. Nach vielen Jahren, nach vielen Ein-Euro-Maßnahmen, nach etlichen kurzen Beschäftigungen ohne Perspektive, ist die 54-Jährige angekommen. Sie ist Team-Mitglied, gleichwertige Kollegin, Arbeitnehmerin. Seit dem 1. Juni ist sie hauswirtschaftliche Helferin in der Kita Löwenzahn in Osterfeld.
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So wie mittlerweile mehr als 100 ehemals langzeitarbeitslose Oberhausener hat auch Marlies Weber, die ihren richtigen Namen nicht im öffentlichen Medium lesen möchte, durch das im Januar in Kraft getretene Teilhabenchancengesetz eine neue Chance auf dem Arbeitsmarkt erhalten. Für die Dauer von bis zu fünf Jahren, so sieht es dieses Gesetz vor, kann ein Arbeitgeber, der einen Langzeitarbeitslosen beschäftigt, einen satten Zuschuss zu den Lohnkosten erhalten. In den ersten beiden Jahren werden die Kosten komplett erstattet, in den Folgejahren sinkt der Betrag um jeweils zehn Prozent. Auch die Kosten für Weiterbildungen und Coachings werden übernommen.
Fachkräfte werden entlastet
„Wir haben nicht wie sonst üblich ein kurzfristiges Programm“, erklärt Uwe Weinand, Geschäftsführer des Oberhausener Jobcenters. „Zum ersten Mal überhaupt ist diese Förderung, die den Betroffenen eine langfristige Perspektive bietet, im Gesetz verankert. Und das ist großartig.“ Nicht nur die Arbeitslosen selbst profitierten vom sogenannten Sozialen Arbeitsmarkt. Auch für die Familien öffneten sich neue Wege.
Und die Unternehmen und Einrichtungen werden entlastet: Einfachere Tätigkeiten, die sonst zusätzlich von den ohnehin schwindenden Fachkräften übernommen werden, würden nun zunehmend durch neu eingestellte Helfer erledigt, erklärt Dorothee Schilling. Die Jobcenter-Koordinatorin für die Umsetzung des neuen Gesetzes erkennt darin einen Trend: Viele Stellen, die Betriebe dem Jobcenter im Rahmen des Teilhabechancengesetzes angeboten werden, seien für den Helferbereich. „Der Bedarf ist da, die Menschen werden gebraucht.“
Ein Vater mit Job ist cooler
Ihre Aufgabe sei nicht einfach, sagt Dorothee Schilling: Sie muss Menschen und gemeldete Stellen zueinander bringen. Nicht immer passt es auf Anhieb so wie bei Stefan Bargatzky. Der 31-Jährige arbeitet seit dem 1. Mai als Hausmeister-Helfer in der Löwenzahn-Kita an der Ottilienstraße. Davor hatte er es auf dem Arbeitsmarkt nicht leicht: Bargatzky ist alleinerziehender Vater und hat weder einen Schul- noch einen Berufsabschluss. Jetzt ist auch er angekommen, die Kita-Kinder mögen „ihren Dortmunder“. Den Spitznamen hat Bargatzky seiner Fußball-Vorliebe für den BVB zu verdanken. Und was sagt der neunjährige Sohn? „Der findet mich jetzt cool.“
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Wahllos zugewiesen wurde Stefan Bargatzky der Kindertagesstätte indes nicht. Er hat sich, angeregt durchs Jobcenter, regulär um eine Stelle beworben und musste in einem Gespräch von sich überzeugen. „Das bedeutet aber nicht, dass das neue Gesetz ungeförderte Arbeitsplätze zerstört“, sagt Löwenzahn-Geschäftsführer Dirk Rubin. „Bei uns werden alle helfenden Hände dringend benötigt, aber mir fehlt das Budget, um neue Angestellte aus eigener Tasche zu bezahlen.“
Jobcenter fordert Fortführung
Hunderte neue Jobs sollen folgen
Zu den bislang gut 100 neuen Jobs für Langzeitarbeitslose sollen möglichst schnell weitere hinzu kommen. Arbeitsagentur und Jobcenter schätzen, dass insgesamt rund 500 Oberhausener durch das neue Gesetz profitieren können, mindestens vier Millionen Euro will das Jobcenter dafür einsetzen.
Auch die Stadt beteiligt sich und möchte das Teilhabechancengesetz für sich nutzen. Auf Antrag der SPD-Fraktion im Rathaus möchte auch die Stadtverwaltung rund 100 Stellen schaffen – inklusive der Stadttöchter.
Die freie Wirtschaft reagiert bislang noch zögerlicher als soziale Einrichtungen und die städtische Verwaltung. Aber Oberhausens Kreishandwerksmeister Jörg Bischoff hat im Mai bereits signalisiert, dass auch im Handwerk 100 neu geschaffene Stellen realistisch wären.
Sowohl Rubin als auch die Arbeitsmarkt-Experten des Oberhausener Jobcenters sind sich sicher: Eine fünfjährige Tätigkeit bei einem Arbeitgeber macht im Lebenslauf einen erheblich besseren Eindruck als die Teilnahme an kurzfristigen Förderprogrammen. Und mit Blick auf seinen 31-jährigen Hausmeister-Helfer, der übrigens nach Tarif bezahlt wird und finanziell heute „deutlich besser“ da steht als vorher, sagt er: „Ich bin zuversichtlich, dass wir auch nach den fünf Jahren eine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung finden.“ Auch eine anschließende Ausbildung zur Fachkraft sei möglich.
Jobcenter-Chef Uwe Weinand geht einen Schritt weiter und sieht auch Politik und Gesetzgeber in der Pflicht: Er fordert schon jetzt, das neue Gesetz grundlegend zu verankern – über die Frist von zunächst fünf Jahren hinaus.