Oberhausen. Die Wohnungen in der siebten Etage des Europahauses waren nicht genehmigt, die Stadt wusste nichts von Bewohnern. Eine Ex-Mieterin hat Zweifel.

Die Farce um die siebte Etage des Europahauses im Zentrum der Stadt geht weiter. Die Stadtverwaltung prüfte auf Nachfrage dieser Zeitung und des WDR sämtliche Hausakten des Europahauses. Wusste die Stadt wirklich erst im April 2019 von Mietern in der siebten Etage? Eine klare Antwort aus der Schwartzstraße folgte prompt: Ja.

Die Begründung liefert das Bauordnungsamt. Dieses stellte fest, dass im Baujahr 1955 zwar auch Wohnungen im Staffelgeschoss des Europahauses genehmigt wurden — allerdings handelte es sich um kleinere Wohnungen für Verwalter und Heizer; eine freie Vermietung war von Anfang an also nicht zulässig. Deshalb mussten Anfang Mai neun Mietparteien aus den offenbar illegal vermieteten Wohnungen ausziehen, um den Bau eines erforderlichen zweiten Rettungsweges zu ermöglichen.

Die Stadt erklärt weiter: der Rest der Räume wurde beim prestigeträchtigen Bau als Trockenboden und Abstellraum genehmigt, wodurch das Europahaus nicht unter die Bestimmung für Hochhäuser fiel. Der zweite Fluchtweg war im Neubau daher noch nicht erforderlich. Das Bekanntwerden der Wohnungen zwang die derzeitigen Mieter deshalb erst jetzt zum Auszug.

Mieter-Rückkehr: unbekannt

Die Bauarbeiten selbst sind derweil im Gange, erklärte das Büro der Linken Liste, selbst Mieter im Erdgeschoss des Europahauses. Wann die Mieter tatsächlich zurückkehren, kann indes nicht seriös beantwortet werden, da die Zentral Boden Vermietung und Verwaltung (ZBVV) für eine Stellungnahme bisher weder telefonisch noch per Mail erreichbar war.

Dass dort oben Menschen leben, sei der Stadt vom Eigentümer erst Mitte April 2019 bekannt gemacht worden. Daraufhin sah man sich gezwungen, den Auszug der Mieter aus der siebten Etage anzuordnen, weil im Brandfall Menschenleben in Gefahr sind. Laut Stadtverwaltung keine neue gesetzliche Vorgabe — sondern wegen früherer Rechtsvorschriften nötig.

„Die Stadt hat schon immer gewusst, dass dort oben Menschen leben“, sagt dagegen Petra Huth. Die 50-Jährige hat jahrelang selbst in einer großen Wohnung unterm Dach des Europahauses gelebt. Aus zwei kleinen Wohnungen mit je rund 50 Quadratmetern haben sie und ihr Ehemann selbst eine große gebaut. Den Durchbruch hatte der vorherige Eigentümer sogar schriftlich genehmigt. Das Geld dafür sähe sie nie wieder.

Ex-Mieterin fühlte sich drangsaliert

Deswegen sammelt Petra Huth Zeitungsberichte und Fotos aus der Vergangenheit, die belegen würden, „dass das Dachgeschoss von Anfang an bewohnt war“. Aus ihrer Sicht seien die Bewohner unterm Dach dazu vom neuen Verwalter ZBVV regelrecht aus ihren Wohnungen „gemobbt“ worden. „Ständig bekamen wir Briefe, die wie Drohungen klangen.“

Nach der Übernahme 2017 durch die ZBVV sei die Lage für Familie Huth endgültig eskaliert. „Man wollte unsere Wohnungen quasi halbieren und uns zwingen, die Küche vom Schlafzimmer durch den neuen Flur zu betreten — ein Schildbürgerstreich.“ Den Fluchtweg habe sie nie infrage gestellt — diesen hätte der Verwalter aus ihrer Sicht ebenso an anderer Stelle bauen können.

Meldepflicht und Aufruf der Linken

In Deutschland besteht Meldepflicht: Jeder, der umzieht, muss seine neue Adresse innerhalb von zwei Wochen nach dem Umzug beim zuständigen Einwohnermeldeamt mitteilen. Zusätzlich muss jeder, der seinen Wohnort ummeldet, eine schriftliche Bescheinigung des Wohnungsgebers bei der Meldebehörde abgeben.

Das Einwohnermeldeamt interessiert sich allerdings nicht für die Etage oder Wohnungsnummer. Bei einem Umzug im gleichen Haus ist somit für die Meldebehörde keine neue Meldung fällig. Wer sich nicht rechtzeitig ummeldet, riskiert trotzdem ein Bußgeld bis zu 1000 Euro.

„Wir fordern die Ordnungsbehörde dazu auf, auch die Verwalter des Europahauses in die Pflicht zu nehmen, die zahlreichen Schäden und Mietmängel im Europahaus unverzüglich beseitigen zu lassen“, erklärt Yusuf Karacelik, Sprecher der Linken-Fraktion. Nach wie vor gebe es Schimmel, fehlende Rauchmelder, kaputte Badezimmer, nicht funktionierende Heizungen und einiges mehr. In Einzelfällen sei die ZBVV aufgrund des Engagements der Mieterversammlung tätig geworden. Dies reiche aber bei weitem noch nicht aus.

Niemand habe der 50-Jährigen erklärt, warum der Fluchtweg ihre Wohnung teilen sollte. „Es wurde immer nur gesagt, es gäbe keine andere Möglichkeit: der Flur muss so entstehen.“ Enttäuscht ist Petra Huth zudem von der Stadt, die für sie jetzt so tue, als ob sie nie davon gewusst habe. Ihr sei klar: „Die Stadt musste spätestens seit der Brandschau 2016 vom bewohnten Dachgeschoss erfahren haben — und eben nicht erst im April wie jetzt behauptet wird.“

Nur Kino und Garage geprüft

Doch die Stadt verneint: „Die Nachfrage bei der Feuerwehr zu der im März 2016 stattgefundenen Brandschau ergab, dass diese nicht stattgefunden habe, da es sich bei dem Wohnhaus nicht um ein brandschaupflichtiges Objekt handelt.“ Und weiter heißt es: „Es hat zwar eine Brandschau im Oktober 2016 stattgefunden, bei der aber nur das ehemalige Kino und die Tiefgarage Gegenstand waren.“ Ohne den zweiten Fluchtweg und ohne die Möglichkeit das Dach per Feuerleiter zu erreichen, sei die sofortige Räumung nach der Meldung des Eigentümers folglich leider unumgänglich gewesen.