Oberhausen. 1949 machte Oberhausen Schlagzeilen mit Straßen-Protesten: Ein wenig bekanntes Kapitel der Stadtgeschichte erzählt der neue „Schichtwechsel“.

Zu sehen ist ein umgekipptes Auto, die Herren im Inneren des Wagens blicken besorgt durch die Windschutzscheibe, die lederne Aktentasche fest im Griff. Es ist dieses Schwarz-Weiß-Foto, aufgenommen 1949 in Oberhausen, das für Christoph Strahl zum Ausgangspunkt seiner historische Recherche wurde.

„Ich habe das Bild in der ‚Stoffwechsel‘-Ausstellung im Peter-Behrens-Bau mit Fotos aus den Archiven der Ruhrchemie gesehen und wollte wissen, welche Geschichte dahinter steckt“, erzählt der Historiker. Nun eine spannende und sicherlich weniger bekannte, nachzulesen im neuen „Schichtwechsel“, dem „Journal für die Geschichte Oberhausens“, herausgegeben von der Geschichtswerkstatt.

Geschichtswerkstatt gibt Heft heraus

 Der umgestürzte Wagen des Demontageunternehmers.
 Der umgestürzte Wagen des Demontageunternehmers. © LVR-Industriemuseum | Ehrenfried Teichmann

Unter dem Titel „Oberhausen im Munde der Welt – der Kampf um die Ruhrchemie im Jahr 1949“ berichtet Christoph Strahl auf zwölf Seiten von den heftigen Protesten in der Stadt gegen die Demontagepolitik der alliierten Militärregierung. Der Zweite Weltkrieg ist gerade einmal vier Jahre her, die britische Siegermacht will Anlagen der Ruhrchemie abbauen lassen, um den einstigen Kriegsgegner nachhaltig zu schwächen und kriegswichtige Technologie für die Zukunft unschädlich zu machen. Autor Strahl beschreibt den Widerstand der Oberhausener Arbeiter, die in Sorge um ihr Werk und ihre Arbeitsplätze auf die Straße gingen, die tumultartigen Szenen vor dem Werkstor der Ruhrchemie. Ja sogar die Stadtverwaltung solidarisierte sich mit diesem Streik.

Die Proteste zeigten Wirkung

Die Proteste zeigten Wirkung. Und die Männer in dem Auto? Die Herren – ein Demontageunternehmer und ein Beamter der militärischen Kontrollkommission – kamen unbeschadet aus dem vom Volkszorn umgestürzten Auto. Doch draußen mussten sie sich schnell vor Schlägen und Beleidigungen in Sicherheit bringen …

„Schichtwechsel“ beim „Buchgestöber“

Der „Schichtwechsel“ kann für 3,50 Euro im Oberhausener Buchhandel gekauft oder auch bei der Geschichtswerkstatt bestellt werden: info@geschichtswerkstatt-oberhausen.de oder telefonisch unter 0208-307 83 50.

Das neue Heft ist außerdem auf dem von der Geschichtswerkstatt präsentierten „Buchgestöber“ am Donnerstag, 30. Mai, erhältlich. Der große Bücher-Flohmarkt findet von 11 bis 17 Uhr auf dem Gelände des Zentrums Altenberg an der Hansastraße 20 statt. Hier gibt’s an diesem Tag nicht nur Bücher zu entdecken und zu kaufen.

Katrin Wülfing stellt um 15 Uhr ihr Buch „Zuständigkeit und Verantwortung“ vor: Die Historikerin hat darin die NS-Vergangenheit der Oberhausener Stadtverwaltung untersucht. Ein weiteres geschichtliches Thema steht um 14 Uhr an: Dann werden mit einer dialogischen Zeitreise „100 Jahre Frauenwahlrecht“ gewürdigt. Veronika Maruhn, Sabine Paas und weitere Mitwirkende werden den Vorkämpferinnen des Frauenwahlrechts ihre Stimme geben. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist kostenlos.

Auch wenn das die tragende Geschichte des neuen „Schichtwechsel“-Heftes ist, so prangt auf dem Titel ein historisches Plakat zum Thema „100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland“. Andreas Uecker, Mitarbeiter des Oberhausener Stadtarchivs, analysiert die Ergebnisse der Kommunalwahlen vom März 1919, an denen Frauen erstmals nach Einführung des Wahlrechts im November 1918 teilnehmen durften – als Wählerinnen und als Kandidatinnen. Interessant die Tabelle zur Stimmenverteilung auf die einzelnen Parteien zwischen Frauen und Männern und die Tabelle mit den Namen der ersten weiblichen Stadtverordneten in Oberhausen.

Konflikt in der evangelischen Kirche

Ein schwieriges Kapitel Oberhausener Stadt- und Kirchengeschichte greift der Beitrag von Peter Gnaudschun und Thomas Pawlowski auf. Die Autoren haben für den „Schichtwechsel“ eine Kurzfassung ihres 500-Seiten-Textes über den Konflikt zwischen Bekennender Kirche und den Deutschen Christen geschrieben. Letztere war eine Glaubensbewegung der Evangelischen Kirche, die den Nationalsozialismus und seine Ideologie unterstützte und feierte, wohingegen die Bekennende Kirche für die Eigenständigkeit der Kirche eintrat. Gnaudschun und Pawlowski stellen das Schicksal des Königshardter Pfarrers Paul Barchewitz in den Mittelpunkt, der sich Angriffen, Schikanen und Verleumdungen durch „Deutsche Christen“ aus der Gemeinde ausgesetzt sah.

Würdigung für Gerd Lepges

 Das Gelände der Ruhrchemie 1932 aus der Luft aufgenommen.
 Das Gelände der Ruhrchemie 1932 aus der Luft aufgenommen. © LVR-Industriemuseum | Hansa Luftbild

Der „Schichtwechsel“ stellt auch immer wieder Oberhausener Persönlichkeiten vor. In der neuen Ausgabe würdigt Klaus Offergeld den im Juli 2017 verstorbenen Theater-Freund Gerd Lepges. Sein leidenschaftliches Engagement für das Theater, für Kultur, Karneval und Kunst hat einen unschätzbaren Fundus für die Geschichte dieser Stadt hinterlassen. Der akribische Sammler und Autor füllte zwei Garagen mit Fundstücken rund ums Theater und schrieb 26 Bücher zum Thema. Klaus Offergeld zeichnet das Leben des Oberhausener Kaufmanns nach.