Der Spielfilm „Schornstein Nr. 4“ mit Romy Schneider wurde 1966 in Oberhausen gedreht. Erstmals nach Jahrzehnten wurde er im Kino aufgeführt.

Oberhausen. Es war eine Erinnerung an den Filmstar Romy Schneider – und an ein dunkel-industriell geprägtes Oberhausen in der Blütezeit des Nachkriegs-Wirtschaftswunders. Vor allem ältere Zuschauer, insgesamt über 350 Besucher, strömten am Sonntagmittag in den großen Saal der Lichtburg an der Elsässer Straße – ausverkauft. Sie alle kannten sie, die „Sissy“-Darstellerin, die 1982 mit erst 43 Jahren an Herzversagen starb.

Was sie ins Kino lockte, war die Aussicht, die verehrte Darstellerin noch einmal zu erleben, und das auch noch vor heimatlicher Kulisse: im Oberhausen des Jahres 1966. Denn der seinerzeit wenig erfolgreiche Film „Schornstein Nr. 4“ wurde größtenteils hier gedreht, das dramatische Ende spielt in den Hüttenwerken Oberhausen.

Auf der Spur der Dreharbeiten

Beeindruckend stellt Romy im Film eine junge Mutter dar, die um ihren kleinen Jungen kämpft, den sie kurz nach der Geburt der Familie eines Stahlarbeiters zur Pflege gegeben hatte. Lichtburg-Chefin Petra Rockenfeller hatte ihn bei einem kleinen Filmverleih ausleihen können.

Szene mit Romy Schneider und Michel Piccoli aus „Schornstein Nr. 4“.
Szene mit Romy Schneider und Michel Piccoli aus „Schornstein Nr. 4“. © Gerd Wallhorn

WAZ-Redaktionsleiter Peter Szymaniak präsentierte dem Publikum vorab drei Gesprächspartner zur Einstimmung: Der Borbecker Reinhard Schüssler, früherer WAZ/NRZ-Sportchef, hat die Dreharbeiten des Films mit Augenzeugen aufgerollt; Sabine Niewalda von den Kurzfilmtagen berichtete, wieso der Film hier gedreht wurde, und Stadtarchivleiter Magnus Dellwig blickte zurück in das Oberhausen Mitte der 60er Jahre.

Da stand die Stadt kurz vor dem Ende eines seit 1950 anhaltenden Aufschwungs, dem Wirtschaftswunder. Die Deutschen entdeckten damals das Reisen. Fast jeder Haushalt legte sich ein Auto zu.

Kurz vor dem Wendepunkt der Wirtschaftslage

Arbeitslosigkeit, Zechen- oder Hüttenschließungen waren noch keine Themen. Das sollte erst im Jahr darauf mit der Zeche Concordia beginnen. „Das war der Wendepunkt“, analysiert Dellwig. Aber erst im Laufe der 70er Jahre sei ins Bewusstsein der Bürger und Politiker gedrungen, dass die sorgenfreien Jahre vorbei waren.

Einen Namen hatte Oberhausen damals durch die Internationalen Kurzfilmtage. 1963 hatte der junge französische Regisseur Jean Chapot dabei mit seiner 18-minütigen „Chronik einer Epoche der Ungewissheit“ den zweiten Preis eingeheimst. Auch diesen Film bekam das Publikum am Sonntag zu sehen: Ein kleiner Junge freundet sich in den Wirren der deutschen Besetzung Frankreichs 1943 mit einem Mann an, der wenig später von Milizen erschossen wird.

Petra Rockenfeller, Reinhard Schüssler, Magnus Dellwig, Sabine Niewalda und Gabriele Freitag-Pioch (v.li), in deren Elternhaus in Borbeck der Film zum Teil gedreht wurde.
Petra Rockenfeller, Reinhard Schüssler, Magnus Dellwig, Sabine Niewalda und Gabriele Freitag-Pioch (v.li), in deren Elternhaus in Borbeck der Film zum Teil gedreht wurde. © Gerd Wallhorn

Kufi-Preisträger

Dabei lernte Chapot die Stadt der rauchenden Schlote kennen und wählte sie drei Jahre später zur Kulisse für „Schornstein Nr. 4“. Diesmal mit Filmstars wie Michel Piccoli, Hans-Christian Blech und eben Romy Schneider.

„Der Kameramann ist übrigens bei beiden Filmen der gleiche“, erklärte Schüssler. Es war der erste einer Reihe von Filmen mit Piccoli und Romy Schneider. Und er sollte die Zuschauer in eindrucksvollen, kontrastreichen Schwarz-Weiß-Szenen ins Hallenbad nach Sterkrade, auf die Marktstraße, auf das Gelände der Hüttenwerke (Hoag), vor allem aber nach Borbeck führen. Denn dort wurde in einer Wohnung in der Straße Buschkämpen und an der Sandgathe gedreht.

Ein Raunen geht durchs Publikum

Wenn die entsprechenden Szenen auf der großen Leinwand auftauchten, ging ein Raunen durch die Zuschauerreihen, weil sie die Örtlichkeit oder sogar Personen aus ihrer Jugend wiedersahen. „Kaum zu glauben, da an unserem Kiosk ging Romy vorbei“, sagte eine Zuschauerin begeistert.

Lichtburg-Leiterin Petra Rockenfeller hat bereits so viele weitere Anfragen danach, ob der Film mit dem heimlichen Hauptdarsteller Oberhausen noch einmal gezeigt wird, dass sie überlegt, im Herbst eine Neuauflage der Matinee zu verwirklichen.

>>>INFO: Die Karriere der Romy Schneider

Romy Schneider (1938 bis 1982) war die Tochter der beiden Schauspieler Magda Schneider und Wolf Albach-Retty. Ihren Durchbruch erzielte sie in den 50er Jahren mit der „Sissy“-Trilogie über das Leben der österreichischen Kaiserin Elisabeth. Internationale Erfolge feierte sie in den 70er Jahren in Frankreich.