Oberhausen. . Familie Freitag stellte ‘66 ihr Haus in Borbeck für Drehs zur Verfügung. Romy Schneider durfte als Idol der Gastgeberin den Kühlschrank plündern.

Wenn der zu weiten Teilen in Oberhausen gedrehte Romy-Schneider-Film „Schornstein Nr. 4“ am Sonntag, 19. Mai – 53 Jahre nach seiner Uraufführung – wieder in der Lichtburg zu sehen ist, wird im Kino auch eine Frau sitzen, die bei der Entstehung des Films in Borbeck hautnah dabei war. Gabriele Freitag-Pioch (61), die inzwischen mit ihrer Familie im Oberbergischen wohnt, hat als Achtjährige im Elternhaus die wohl aufregendsten Tage ihrer Kindheit erlebt – an der Seite von Weltstars. „Schade nur“, sagt sie, „dass der Film so wenig Beachtung fand“. Umso mehr freut sie sich auf die Wiederaufführung in ihrer Heimatstadt.

An die bemerkenswerte Vorgeschichte der Dreharbeiten im Haus In der Sandgathe 21, in dem seit 2004 Uwe und Lorena Raupach wohnen, kann sich die Zeitzeugin noch gut erinnern. Es begann mit einem traurigen Anlass, dem frühen Tod von Gabrieles Vater 1964. „Danach ist meine Mutter immer wieder von Anfragen genervt worden, ob sie denn unser Haus nicht verkaufen wolle“, erzählt sie. „Einer Witwe mit drei Kindern traute man wohl nicht zu, es weiter halten zu können.“

Geplagt von vielen Kauf-Anfragen

Eines Tages sieht Anni Freitag wieder einmal, wie mehrere Personen ihr Grundstück inspizieren und vermutet erneut Kaufinteressenten für ihr Anwesen. Doch diesmal wird ihr Verdacht schnell entkräftet. Die Unbekannten interessieren sich für das Haus aus einem anderen, ungewöhnlichen Grund: Sie sehen es als idealen Drehort für einen Film, in dem auch die Hüttenwerke als Kulisse dienen.

Gabriele Freitag-Pioch wohnt heute im Oberbergischen.
Gabriele Freitag-Pioch wohnt heute im Oberbergischen. © Schüssler

„Meine Mutter erteilte den Filmemachern zunächst eine Absage“, erinnert sich Gabriele Freitag-Pioch. Umstimmen lässt sich die Hausherrin erst, als sie erfährt, wer der Star des Film ist. „Bei der Vorstellung, dass Romy Schneider in unserer Wohnung sein würde, wurde sie dann doch schwach.“ Für „Sissi“ hatte ihre Mutter schon immer geschwärmt.

Und so kommt es, dass die Film-Crew wochenlang im Haus der Freitags ein und aus geht. Laut Drehbuch wohnt dort die polnische Familie Kostrowicz, an die Julia Fleischmann (Romy Schneider) ihren unehelichen Sohn kurz nach dessen Geburt abgegeben hat. Sechs Jahre später, inzwischen mit Werner Kreuz (Michel Piccoli) verheiratet, will Julia ihren Sohn zurück haben und sucht immer wieder dessen Nähe in Borbeck.

Den Franzosen findet sie „ganz toll“

„Die Romy“, erinnert sich Gabriele Freitag-Pioch, „war eine ganz feine Dame. Nur dass sie so viel rauchte, fanden wir weniger gut.“ Hans Christian Blech, der den verzweifelt um sein Pflegekind kämpfenden Radek Kostrowicz spielt, ist für sie in diesen Tagen „eine Art Vaterfigur“, und auch den Franzosen Michel Piccoli findet das kleine Mädchen „ganz toll“. Als ein Highlights behält sie ein Picknick mit Hans Christian Blech am Ruhrorter Rheinufer in Erinnerung, bei dem im Film auch die Familie Freitag zu sehen ist.

Nicht vergessen hat die Zeitzeugin auch, dass sich Romy Schneider während der Drehpausen gelegentlich im Kühlschrank der Familie Freitag bedient. „Aber im Gegenzug hat sie dann immer wieder kalte Platten aus dem Ruhrland-Hotel mitgebracht, in dem sie übernachtete. Das war damals etwas ganz Besonderes für uns.“

Gabriele und ihre Geschwister Silvia und Michael, die beide verstorben sind, verbringen während der Dreharbeiten viel Zeit mit Romy Schneiders Film-Sohn Carlo, der von Mario Huth gespielt wird, und sie genießen diese Abwechslung sehr. Auf der anderen Seite ist die Familie in diesen Wochen in ihrer Bewegungsfreiheit natürlich sehr eingeschränkt.

Zur Abschlussfeier der Filmcrew

Die bescheidene Gegenleistung dafür ist nur im Zusammenhang mit der damaligen Zeit zu verstehen, passt aber zu der ganzen Geschichte. „Geld wollte meine Mutter nicht haben“, versichert die Tochter. „Aber als man sie fragte, ob sie sich etwas wünschen würde, hat sie eine Hollywoodschaukel und eine Kinderschaukel für den Garten genannt. Und die haben wir dann auch bekommen.“

Nach Ende der Dreharbeiten ist Anni Freitag – das vergisst die Tochter nicht zu erwähnen – von Hans Christian Blech auch noch persönlich zur Abschlussfeier der Filmcrew abgeholt worden.Irgendwie auch großes Kino.

>>> Drehtage von 3 Uhr früh bis in den späten Abend

In einem Interview für die Zeitschrift „Filmblätter“ hat sich Romy Schneider 1966 über ihre Beweggründe geäußert, im Film „Schornstein Nr. 4“ mitzuwirken: „Ich war sofort vom Drehbuch begeistert. Die erste Fassung, die mir vorgelegt wurde, war ganz auf die Rolle, die Hans Christian Blech übernommen hat, abgestimmt. Erst als ich fest zusagte, stellte der Autor die Person der Julia in den Vordergrund.“

„Ob mir die Arbeit hier Freude macht?“, so Romy Schneider weiter: „Ja, denn es wirkt ein spürbar gutes Team mit. Es sind aber auch, nach dem eben in Spanien abgedrehten Film ,Halb elf in einer Sommernacht’ meine anstrengendsten Aufnahmen. Da wir immer das Originallicht nutzen, beginnen wir manchmal schon um 3 oder um 5 Uhr morgens oder arbeiten bis in den späten Abend.“