Oberhausen. . Die Polizei holte am 25. April Kinder aus einer verdreckten Wohnung. Eine Tippgeberin aber hatte das Jugendamt bereits vor Monaten informiert.

Polizei und Jugendamt hatten am 25. April zwei Kinder aus einer völlig verdreckten Wohnung geholt. Gefunden hatten die Beamten sie zwischen Waffen und Drogen. Jetzt erhebt eine Leserin schwere Vorwürfe: „Ich habe dem Jugendamt bereits vor Monaten gemeldet, dass die Kinder vernachlässigt werden, dass sie nicht regelmäßig etwas zu essen bekommen und in verdreckter Kleidung herumlaufen.“ Passiert sei aber nichts.

Die Polizei hatte die Wohnung durchsucht, weil sie sich Erkenntnisse über mehrere Einbrüche erhoffte. Die Beamten nahmen einen 38-Jährigen fest, er sitzt nun in Untersuchungshaft. Außerdem entdeckten die Ermittler fast ein Kilogramm Amphetamine, weitere Drogen und Waffen. Die Kinder (sieben und 14 Jahre) der Lebensgefährtin wurden vom Jugendamt in Obhut genommen. Nähere Angaben über die Verhältnisse vor Ort und den Gesundheitszustand der Kinder wollte die Polizei Oberhausen mit dem Hinweis auf laufende Verfahren nicht machen.

Zwei Fachkräfte waren vor Ort

Die Leserin aber weist ausdrücklich darauf hin: „Ich habe schon damals versucht, etwas zu unternehmen, wurde aber nicht ernst genommen.“ Das älteste Kind habe deutlich signalisiert, dort nicht mehr leben zu wollen. Sie habe gemerkt, dass es ihm seelisch nicht gut gegangen sei. Deshalb könne sie nicht nachvollziehen, dass das Jugendamt nicht schon viel früher eingeschritten ist.

Auf Nachfrage dieser Zeitung heißt es dazu aus der Pressestelle der Stadt: „In jedem Falle wird eine eingegangene Meldung behandelt. Dies ist auch in dem besagten Fall passiert.“ Kinder dürften aber laut Gesetz nur bei akuter Gefahr für Leib und Leben aus einer Familie herausgenommen werden.

Stadtsprecher Martin Berger versichert: „Im Rahmen eines Hausbesuches mit zwei Fachkräften wurden die Verhältnisse im Haushalt der Frau und die Kinder in Augenschein genommen.“ Die vorgefundene Situation habe aber keine Inobhutnahme der Kinder gerechtfertigt. Die zuständige Sachbearbeiterin sei aber sehr wohl mit der Mutter im Gespräch geblieben und sei auch mehrfach persönlich vor Ort gewesen, ohne dabei aber eine akute Gefährdung feststellen zu können.

Bereits 85 Kinder aus Familien geholt

Die Verärgerung der Leserin könne er in gewisser Weise dennoch verstehen. Denn: „Wir dürfen ja keine Auskunft darüber geben, was wir unternehmen, so kann der Eindruck entstehen, die Mitarbeiter blieben untätig.“ Selbst wenn die Tippgeber eine Herausnahme der Kinder für die einzig richtige Entscheidung hielten, gelte immer noch: „Unsere Mitarbeiter müssen sich an die klaren Regelungen des Gesetzgebers halten“.

Basierend auf diesen Regelungen habe es 2018 insgesamt 295 Inobhutnahmen in Oberhausen gegeben. 2019 seien allein bis einschließlich 30. April bereits 85-mal Kinder aus ihren Familien herausgeholt worden. Berger erläutert: „Die Regionalteams Jugendhilfe der Stadt Oberhausen haben darüber hinaus spezielle Fachstandards entwickelt.“ Die sähen vor: „Geht eine Meldung ein, wird diese noch am selben Tag bewertet.“

Es folge zeitnah ein Hausbesuch bei der Familie mit zwei Fachkräften. „Sind Kinder unter einem Jahr betroffen, findet dieser Hausbesuch immer am selben Tag statt.“ Diese Besuche würden stets unangekündigt durchgeführt, um sich ein realistisches Bild verschaffen zu können.

>>> Info: Vier Stellen aktuell nicht besetzt

Im Gegensatz zu anderen Kommunen hat Oberhausen eine „Fall-Obergrenze“: Es gibt einen Richtwert von 35 Fällen pro Jugendamtsmitarbeiter. Durch Krankheit und unbesetzte Stellen betreuten die Mitarbeiter 2018 aber durchschnittlich bis zu 40 Fälle.

Von 81,5 Stellen sind im Regionalteam Jugendhilfe vor Ort zurzeit vier nicht besetzt.