oberhausen. . Der Holocaust-Überlebende Sally Perel erzählt 200 Schülern in Oberhausen seine bewegende Lebensgeschichte. Dabei ist er verblüffend offen.
Sally Perel ist ein ehrlicher Mann. Als ein Schüler fragt, wie seine erste Reaktion war, als er von Hitlers Tod erfahren hat, da antwortet er: „Das ist eine schwere Wahrheit, die ich euch jetzt sage. Ich war ein bisschen traurig.“ Diese Worte kommen aus dem Mund eines Juden, eines der letzten Zeitzeugen, der den Holocaust als „Hitlerjunge Salomon“ überlebt hat. Mit seiner Lebensgeschichte hat der 93-Jährige es am Dienstag geschafft, dass 200 Schüler des Hans-Sachs-Berufskollegs ihm aufmerksam zuhörten.
1925 wird Salomon „Sally“ Perel in Peine in Niedersachsen geboren, dort habe er zehn „wirklich schöne Kinderjahre“ verbracht. Als er acht Jahre alt ist, kommen die Nazis an die Macht. 1935 – er besucht die dritte Klasse der Grundschule – erhält er einen Brief für seine Eltern: „Juden lernen nicht mehr an dieser Schule“, steht darin. „Das war das traumatischste Erlebnis meiner Kindheit“, erinnert sich Perel.
„Bleibe immer Jude, glaube immer an Gott“
Aber es wird noch viel schlimmer. Die Familie flieht nach Polen. Als die Eltern wie alle Juden ins Ghetto geschickt werden, flieht Perel mit seinem älteren Bruder. „Meinen Eltern war klar: Da ist ein Abschied für immer.“ Hätte er das damals gewusst, er wäre nicht gegangen, erzählt Sally Perel. Mutter und Vater geben ihm wichtige Botschaften mit auf den Weg. „Bleibe immer Jude, glaube immer an Gott, dann wird Gott dir helfen“, sagt der Vater. Und die Mutter: „Sally mein Sohn. Geh, denn du sollst leben.“
An diese Worte sollte er sich später erinnern, als er 1941 nach Minsk geflohen war und tausende Jugendlichen in Gefangenschaft genommen wurden – und die Juden im Wald erschossen wurden. „Ich musste entscheiden zwischen Leben und Tod, zwischen Mutter und Vater“, erzählt Perel. Und er entschied sich für die Worte der Mutter. „Ich bin doch kein Jude, ich bin ein Volksdeutscher“, sagt er, als er nach seiner Herkunft gefragt wird. Und der Offizier glaubt ihm – ohne wie bei vielen anderen zu kontrollieren, ob er beschnitten ist. Von diesem Zeitpunkt an heißt er nicht mehr Sally sondern Josef. Seine Pässe hat er auf dem Feld vergraben.
„Versteckt unter der Haut der Nazis“
Perel kommt zur Hitlerjugend und wohnt in einem Heim in der Nähe von Braunschweig – fast vier Jahre lang „versteckt unter der Haut der Nazis“. Er habe in zwei verschiedenen Welten gelebt, denn ein großer Teil der Nazi-Ideologie hatte ihn zu diesem Zeitpunkt längst überzeugt. „Ich schreie begeistert ‘Sieg Heil’ und in Auschwitz werden meine Glaubensbrüder massenhaft ermordet.“
Er sehe es auch heute nicht als Verrat an, dass er seine jüdische Identität versteckt hat. Bei einer Lesung in Israel hätten Schüler ihm das vorgeworfen. „Das Schicksal hat mich in diese Welt hineingeschleudert. Und ich musste genau so handeln, um zu überleben.“
Diese Fehler nicht wiederholen
Mit seinen Lesereisen möchte Perel möglichst viele Jugendliche erreichen. „Ich bin der letzte Zeitzeuge. Nach mir wird es keinen mehr geben. Und ab heute seid auch ihr Zeitzeugen“, sagt er zu den Schülern. Nur aus der Geschichte könnten sie lernen: Was wurde in Deutschland damals falsch gemacht? Was können wir tun, damit wir diese Fehler nicht wiederholen, damit wir nicht wieder in so eine Katastrophe stürzen? „Alle Religionen haben versagt“, ist Perel überzeugt. „Schafft morgen alle Religionen ab, dann habt ihr übermorgen Weltfrieden.“
Er sei sich bewusst, dass es viele Jugendliche gebe, die sagen, dass es den Holocaust nicht gegeben hat, die andere aufgrund ihrer Rasse oder Religion diskriminieren. „Wenn ich nur einen einzigen solchen Schüler erreiche, dann haben sich alle meine Anstrengungen gelohnt.“
>>>>> Zu Gast beim deutsch-polnischen Abenddeutsch-polnischen Abend im Gdanska deutsch-polnischen Abend im Gdanska
Sally Perel lebt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Israel. Er kommt aber regelmäßig für Lesereisen nach Deutschland, am Hans-Sachs-Berufskolleg war er schon zum zwölften Mal zu Gast. Am Donnerstag, 28. März, erzählt er seine Geschichte ab 18 Uhr auch beim deutsch-polnischen Abend im Gdanska am Altmarkt.
Sein Buch „Ich war Hitlerjunge Salomon“ ist im Heyne-Verlag erschienen. ISBN: 978-3-453-53483-4. 1990 wurde das Buch von Agnieszka Holland verfilmt.