Oberhausen. . Das Oberhausener Bertha-von-Suttner-Gymnasium hat Schulpolitiker eingeladen, um die Raumnot deutlich zu machen. Über den Umgang mit dem Mangel.
Die Schüler des Sowi-Leistungskurses am Bertha-von-Suttner-Gymnasium sollen Meinungskarten hochhalten: „Wir leben in einer gerechten Welt!“ – ja oder nein? Beim Blick auf ihre Lernumgebung in diesem Kellerraum mit kaum Tageslicht und Frischluft, engen Sitzreihen und schmucklosen Wänden müsste die Antwort eindeutig ausfallen. Nein, Bildungsgerechtigkeit, die auch etwas mit Räumen und Ausstattung zu tun hat, müsste im reichen Deutschland eigentlich anders aussehen.
„Um deutlich zu machen, wie die Situation brennt am Bertha-von-Suttner-Gymnasium“, hat Schulleiter Sascha Reuen Vertreter der Oberhausener Schulpolitik und der Schulverwaltung zu einem Ortstermin eingeladen. Das Gespräch mit den Entscheidern im Rat, zu dem auch Elternvertreter und Schüler gekommen sind, findet im Container auf dem Schulhof statt. Darin befinden sich übergangsweise zwei Klassenzimmer, nachdem das benachbarte Gemeindehaus nicht mehr zur Verfügung steht. Übergangsweise? Die Schulgemeinde hat mittlerweile Sorge, dass das Provisorium zum Dauerzustand wird.
„Seit Jahren gehen wir auf dem Zahnfleisch“
Die Gäste sollen sich einen Eindruck verschaffen, „damit Sie wissen, wovon ich rede, wenn ich sage ‘Wir improvisieren’“, sagt Stefan Schubert, stellvertretender Schulleiter des „Bertha“. „Seit Jahren gehen wir, was die Räume angeht, auf dem Zahnfleisch.“
Schubert macht die Stundenpläne und ist für die Einteilung der Unterrichtsräume zuständig, „das ist alles sehr eng, wir nutzen jedes Eckchen, gezwungenermaßen“. Zum Beispiel eben auch die Kellerräume im Gebäude der gegenüberliegenden ehemaligen Falkensteinschule, auf die das Gymnasium im Bismarckviertel angewiesen ist.
Für 500 Schülerinnen konzipiert
Bei der Raumplanung kann Stefan Schubert nur den Mangel verwalten. Die 1964 als Mädchengymnasium gegründete Schule sei für 500 Schülerinnen konzipiert gewesen, macht Direktor Sascha Reuen das Grundproblem deutlich. Mittlerweile gehen rund 1000 Schülerinnen und Schüler auf das Gymnasium, dessen Gebäude nach dem Prinzip Frontalunterricht konzipiert wurden und wo vom „Raum als dritten Pädagogen“, wie es die 2018 verabschiedeten Schulbauleitlinien der Stadt Oberhausen vorsehen, nicht die Rede sein kann. Dann hocken auch mal 30 Schüler in einem Raum aufeinander.
Besonders ungünstig ist das für die Kinder im fünften Jahrgang, „die müssen ja noch bei uns ankommen und das ist schwierig, wenn das Ganze wie ein fahrender Zirkus funktioniert“, sagt Sascha Reuen. Dabei bekommen die fünften Klassen noch einen festen Raum, aber ab Klasse sechs werden alle Klassenräume auch von der Oberstufe mitgenutzt – wenn die einen im Sportunterricht sind, kommen die nächsten.
Wie „marodierende Horden“
Wie „marodierende Horden“ seien die Schüler im Schulgebäude unterwegs, sagt Stefan Schubert, meint das mit Blick auf die Jugendlichen aber freundlich, die hätten gelernt und seien belastbar beim Hin- und Herschieben. Was das für die Schüler bedeutet, erzählen die Schülerinnen Hadja Diallo und Celine Schön, beide aus Jahrgang elf: Anstrengend sei das, immer in einen anderen Raum zu pilgern und zu gucken „Wo muss ich jetzt hin...“, das nehme auch Zeit fürs Lernen.
„Oder man schreibt eine Klausur in einem Raum und Siebtklässler reißen die Tür auf und rufen ‘Wir haben jetzt hier Mathe’“, schildert Hadja das Durcheinander, das zwangsläufig aufkommt. Nichts im Klassenraum liegenlassen zu können sei ebenfalls schwierig, „alles muss mitgenommen und mit rumgeschleppt werden“, sagt Timur Tuna aus der Elf. „Für uns Ältere geht das ja, wir sind einigermaßen belastbar, aber für die Jüngeren ist das nicht gut.“
Im dunklen Flur könnte ein „Tatort“ gedreht werden
Beim anschließenden Rundgang durch die Schule sind es auch die „Katakomben“, die wirken: Der lange, dunkle, gekachelte Flur (hier könnte man gut einen „Tatort“ drehen) auf dem Weg zum Sowi-Leistungskurs erschreckt Olaf Hilz, dessen Tochter in die fünfte Klasse geht. „Das hätte ich mir so nicht vorgestellt“.
Dass das „Bertha“ Ausbaubedarf hat, ist unbestritten: 3,5 Millionen Euro sollten nach dem Vorschlag der Schulverwaltung aus dem Förderpaket „Gute Schule 2020“ in einen neuen Anbau fließen, der Rat entschied anders. Beim Ortstermin verweisen die Schulpolitiker auf ihr Dilemma: Andere Schulen hätten die gleichen Probleme, das Tischtuch (das Geld) sei immer zu kurz, egal, wohin man es ziehe.