Oberhausen. . Beim Kinderzug in Osterfeld entzündet ein Wagenbrand das Kostüm eines 53-Jährigen. Zwei Männer helfen mit bloßen Händen. Das ist ihre Geschichte.
Thomas Radberg meldet sich freundlich am Telefon. Es ist Rosenmontag, am Hauptbahnhof ziehen bunt verkleidete Narren zu Bussen und Bahnen. Eine fröhliche Szenerie, so wie zwei Tage zuvor am Nelkensamstag, als sich in Osterfeld 45.000 Narren zum Kinderzug aufmachten. Auch Thomas Radberg freute sich auf die Parade. Doch den Kinderzug wird der 51 Jahre alte Duisburger nie vergessen. Ein Motivwagen geriet wenige Meter vor ihm plötzlich in Brand.
Seine Hände sind noch immer bandagiert, Brandblasen befinden sich an Fingern und Handfläche. Es sind Spuren von Sekunden, in denen der ehemalige Feuerwehrmann nicht zögerte — kein Zeuge war, sondern ein Lebensretter.
Szenen wie aus einem Horrorfilm
Radbergs Stimme wird schwerer. Mit Familie und Freunden hat er in den vergangenen zwei Tagen viel geredet. Trotzdem lässt er im Gespräch mit uns zum ersten Mal die schrecklichen Minuten komplett Revue passieren. „Das ist mir wichtig“, betont er. „Ich möchte dazu beitragen, dass auch andere einer in Not geratenen Person helfen.“
Wenn er erzählt, läuft es einem kalt den Rücken hinunter: Als Wagenbegleiter des Kinderwagens der Senatorengemeinschaft „Die Bernhardiner“ wartet Thomas Radberg mit seinem Bernhardiner-Kollegen Mark Notthoff am Aufstellungspunkt an der Rheinischen Straße. „Wir hörten plötzlich ein Zischen, dann knallte es schon.“
Der Motivwagen der Fußgruppe „Eisenheimer Clownerei“, wenige Meter entfernt, brennt lichterloh. Aufgeheftete Luftballons platzen, Stoffvorhänge entzünden sich. Ein 53 Jahre alter Mann springt kurz darauf brennend von der Ladefläche, rennt hektisch weg – sein Kostüm steht in Flammen. „Schrecklich, selbst für einen erfahrenen Feuerwehrmann ist es etwas, woran man zu knacken hat“, beschreibt Radberg die schlimme Situation.
Stromgenerator vermutlich nachgetankt
Die Polizei vermutet, dass das Unfallopfer einen Stromgenerator auf dem Umzugswagen bei laufendem Motor nachtankte und sich der Kraftstoff mit einer Stichflamme entzündete. Auch wenn Thomas Radberg sich als Feuerwehrmann nach einem eigenen Unfall bereits im Ruhestand befindet, reagiert er reflexartig: „Du überlegst nicht, das hast du alles noch im Blut!“ Radberg und Notthoff laufen los. Umstehende Personen stehen unter Schock. Eine surreale Szene wie aus einem Horrorfilm.
„Es bestand keine Zeit mehr, die Jacke auszuziehen!“ Mit bloßen Händen versucht Thomas Radberg, das Feuer am Kostüm zu löschen, das Unfallopfer umgehend vom sich bereits auflösenden Stoff zu befreien — letztlich mit Erfolg.
Weitere Ersthelfer mit Feuerlöschern kommen hinzu, schon vor dem Eintreffen der Berufsfeuerwehr kann das Wagenfeuer gelöscht werden. Ein Hubschrauber fliegt das Unfallopfer schließlich mit schwersten Brandverletzungen in eine Duisburger Spezialklinik. Aus Kreisen der Einsatzkräfte heißt es mittlerweile, dass die Notoperation erfolgreich verlaufen sei. Neben Thomas Radberg zogen sich vier weitere Ersthelfer Brandverletzungen zu.
Beim Karnevalszug in Alt-Oberhausen stand er mit Bandagen schon wieder auf dem Wagen. Es helfe, nach den schlimmen Bildern nicht allein zu sein. Die Senatorengemeinschaft unterstützt ihn dabei. „Ich drücke dem Unfallopfer fest die Daumen, dass es ihm gesundheitlich bald besser geht!“ Es sind die Worte eines Lebensretters.
>>> Rettungskräfte schnell an der Unfallstelle
Starke Polizeikräfte sicherten den Unfallort ab. Die ehemalige Werksfeuerwehr von Babcock, die als Wagenbegleitung der KG „Dampf drauf“ in Osterfeld vor Ort war, half bei den Löscharbeiten. Gleiches gilt für das Technische Hilfswerk.
Die Berufsfeuerwehr rückte aus. Ein Rettungshubschrauber flog den Schwerstverletzten in eine Duisburger Spezialklinik.
Update: Der tragische Brand eines Karnevalswagens bleibt ohne strafrechtliche Konsequenzen: Nach monatelangen Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den Oberhausener eingestellt. Grundlage sei Paragraf 153 b der Strafprozessordnung, sagte der zuständige Staatsanwalt: Von der weiteren Verfolgung sähen die Behörden ab, weil der damals 53-Jährige bei dem Vorfall selbst schwere Verletzungen erlitten hatte.