Oberhausen. . Die Solidarität der Oberhausener war lange riesig, doch allmählich lasse die Unterstützung nach, mahnen Helfer. Gerade junge Freiwillige fehlen.
Rund drei Jahre nach dem Rekordzustrom von Flüchtlingen und der zunächst immensen Solidarität in der Stadt, beklagen Oberhausener Flüchtlingshelfer inzwischen einen zunehmenden Stimmungswandel. Dieser mache sich auch in ihrer täglichen Arbeit bemerkbar, vor allem durch einen Schwund beim Ehrenamt und durch Kritik an eigenen Projekten. Das berichten zwei haupt- und vier ehrenamtliche Helfer im Gespräch mit der Redaktion.
Peter Holtkamp vom Diakonischen Werk zum Beispiel bietet ehrenamtlich Mathematik- und IT-Kurse für Flüchtlinge an. „Ich muss mich hin und wieder fast für dieses Angebot rechtfertigen“, sagt er, oft würden die Leute ihn fragen: „Warum gibst du solche Kurse nur für Flüchtlinge?“ Auch andere Kinder bräuchten diese Schulungen, so der Tenor der Kritiker.
Es geht um soziale Gerechtigkeit
Ihnen gehe es dabei zumeist um „soziale Gerechtigkeit“, erklärt der IT-Berater. Die Migranten stünden bei manchen Bürgern offenbar im Verdacht, alles geschenkt zu bekommen, sich vornehmlich zu bereichern. Eine differenzierte Diskussion gestalte sich zunehmend schwierig – und sei teilweise „praktisch unmöglich“, so Holtkamp.
Obgleich das Engagement in Oberhausen von 2015 bis heute merklich zurückgegangen sei, stehe die Stadt im Vergleich aber noch immer gut da, betont Jörg Fischer vom Deutschen Roten Kreuz. Schwierigkeiten im Umgang mit Geflüchteten macht er auch an etwas anderem fest: „Wir als Gesellschaft sind auf nicht-körperliche Beeinträchtigungen schlichtweg nicht vorbereitet, wir können mit den Menschen nicht sehr gut umgehen.“
Was passiert in meiner neuen Heimat?
Die meisten hätten eine furchtbare Zeit hinter sich, viele seien mit Erfahrungen von Flucht und Verlust zu uns gekommen. Umso wichtiger sei es nun, mahnt Herta Fidelak-Beilke von Terre des hommes, „dass die Frustrationen in Deutschland nicht unvermindert weitergehen“. Und an genau diesem Punkt spiele das Ehrenamt eine zentrale Rolle. Ulrike Heuer, Ehrenamtlerin beim Bündnis „Lirich ist bunt!“, fügt hinzu: „Wer Unterstützung hat, findet schneller und leichter einen Weg in die Gesellschaft.“
Serap Taniş, Integrations- und Bildungsbeauftragte beim Jugendwerk „Die Kurbel“, unterstreicht diese Auffassung, sie fordert: „Die Bürger müssen sich auch weiterhin auf den Weg machen und Brücken bauen.“ Denn, darin sind sich alle Flüchtlingshelfer einig: Der Bedarf der Neuankömmlinge nach Kontakt und Austausch mit der einheimischen Bevölkerung ist riesig.
Doch sei nicht nur das Erlernen und Verbessern der deutschen Sprache wichtig, es gehe auch um die Inhalte, betont Fidelak-Beilke: „Worüber sprechen die Menschen in der Stadt, was sind die Themen in meiner neuen Heimat?“ Durch wegfallende Ehrenamtler würden die betreuten Gruppen und Kurse in der Stadt größer, der Blick für den Einzelnen gehe verloren, beklagen die Helfer.
Abschiebungen bringen Frust
Zudem seien die betreuten Menschen in Oberhausen im Schnitt deutlich jünger als ihre Betreuer, es mangele vor allem an Helfern zwischen 15 und 35 Jahren – genau die Altersspanne, in der sich ein erheblicher Teil der Geflüchteten bewegt.
Dass sich weniger Menschen freiwillig engagieren als noch 2015 oder 2016, sei jedoch nicht bloß auf eine veränderte Stimmung zurückzuführen. „Oft sind auch persönliche Rückschläge der Auslöser“, erklärt Holtkamp. Dies könnten kulturelle Differenzen und Verständnisprobleme sein, aber ebenso erfolglose Ämterbesuche oder die Abschiebung eines lange betreuten und bereits gut integrierten Asylbewerbers.
„In erster Linie müssen wir zuhören“
Dass gerade Letzteres sehr frustrierend sein kann, weiß der IT-Profi aus eigener Erfahrung. Dennoch warnt er davor, sich zu schnell entmutigen zu lassen. „Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Menschen in Oberhausen sollten daher wieder mehr über das Ehrenamt nachdenken.“
Dies müsse auch gar nicht zwingend mit Aktionismus und Ideenreichtum einhergehen, betont Ingrid Wenzler, ehemalige Schulleiterin der Gesamtschule Osterfeld und ehrenamtliche Koordinatorin zahlreicher Sprachkurse. „In erster Linie müssen wir zuhören“, sagt sie. Die Anregungen, zum Beispiel zu gemeinsamen Ausflügen oder Abendessen, kämen dann schnell von den Geflüchteten selbst.
>>> Austausch im Arbeitskreis
Als Austauschplattform dient den ehren- und hauptamtlichen Flüchtlingshelfern in Oberhausen der Arbeitskreis Geflüchtete.
Einmal im Monat trifft sich das 1995 gegründete Netzwerk, um aktuelle Entwicklungen und Projekte in der Flüchtlingsarbeit zu besprechen.
Bei Fragen oder Interesse an einem Ehrenamt können sich Bürger an Anna-Katharina Mühl-eis vom Integrationszentrum wenden, Tel.: 0208-30 57 602 oder via E-Mail: anna-katharina.muehleis@oberhausen.de.