OBERHAUSEN. . Familie von Rudolf Holtappel verkauft den privaten Fundus des Fotografen. LVR finanziert die Personalkosten, um den Foto-Schatz zu erschließen.

  • Er war Fotograf des Musiktheaters, der Menschen im Kaufhaus und vieler Revier-Blagen
  • Rudolf Holtappel (1923 - 2013) wünschte sich, dass sein Nachlass in Oberhausen bleibt
  • Jetzt kaufte die Stadt zum kleinen Preis ein gewaltiges Konvolut von 360 000 Negativen

Viele kennen seine „Blagen“, amüsierten sich nicht minder über die „Menschen im Kaufhaus“ oder erinnerten sich dank seinen Bühnen-Fotografien an große Zeiten des Oberhausener Musiktheaters. In dieser Woche hat die Stadt Oberhausen nun den fotografischen Nachlass von Rudolf Holt­appel (1923 bis 2013) erworben.

„Unverhofft“, wie Christine Vogt, die Direktorin der Ludwiggalerie berichtet, hatte die Witwe Herta Holtappel das Kaufangebot unterbreitet: Der vom Fotografen in seiner Wohnung im Theaterviertel gehütete Nachlass umfasst mehrere hundert Abzüge und den gewaltigen Fundus von 360 000 Negativen. „Das Angebot der Witwe kam völlig überraschend“, hieß es auch im Bericht für den Kulturausschuss, der den Kauf bereits im Juni angekündigt hatte.

Rudolf Holtappel in seinem letzten Lebenjahr, 2013.
Rudolf Holtappel in seinem letzten Lebenjahr, 2013. © Konstantin Kieff

Nachlass soll in Oberhausen bleiben

Der Wert dieser Sammlung aus Künstlerhand sei „x-fach höher“ als der Kaufpreis von 50 000 Euro, dem sowohl Christine Vogt als auch Kulturdezernent Apostolos Tsalastras im Ausschuss-Bericht einen „eher symbolischen Charakter“ zusprechen. Es sein der Wille Rudolf Holtappels gewesen, dass sein Nachlass in seiner angenommenen Heimatstadt bleibe. Seine Geburtsstadt Münster war keine Konkurrenz für den Ruhrgebiets-Fotografen.

Kostspieliger als der Kauf selbst ist die wissenschaftlich und museal fundierte Aufarbeitung des enormen Konvoluts. Doch auch dessen Finanzierung ist, so Christine Vogt, auf bestem Weg: Um Abzüge wie Negative für ein Werkverzeichnis zu sichten, eine große retrospektive Ausstellung vorzubereiten und einen umfangreichen Katalog aufzulegen sind bereits Personal-Mittel beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) beantragt.

Der Förderbetrag für die beiden kommenden Jahre würde 160 000 Euro umfassen. Der Eigenanteil beträgt, inklusive der Ankaufskosten, nur 59 600 Euro. Die Direktorin der Ludwiggalerie ist sich sicher, dass die Gelder in genau dieser Höhe bewilligt werden. Der Aufwand, das nun städtische Foto-Konvolut auch sachgerecht zu verwahren, ist dagegen eher gering. Die Ludwiggalerie bewahrt den städtischen Kunstbesitz unter guten Bedingungen im neuen Stadtarchiv in Lirich.

Traum von der Wohnung als Museum

In einem Punkt ist die Direktorin der Ludwiggalerie allerdings mit ihrer Begeisterung beim Kämmerer und Kulturdezernenten gescheitert: Christine Vogt hatte ja mehrmals die Wohnung der Eheleute Holtappel besucht – und dieser Künstlerhaushalt mit integriertem Privatarchiv wäre für sie absolut museumswürdig gewesen, erzählt sie. Doch aus diesem Traum vom Wohnungskauf eines speziellen 1960er-Jahre-Kleinods wird wohl nichts.

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Mit dem Kauf des von ihm selbst bis vor vier Jahren bewahrten und geordneten Nachlasses eines langen Arbeitslebens besitzt Oberhausen nun das größte Konvolut an Holtappel-Fotografien. Ein kleinerer Teil befindet sich im Fotoarchiv der Essener Stiftung Ruhr Museum sowie bei jenen Konzernen, für die Holt­appel (1923 - 2013) fotografierte.

Seine traditionelle Fotografenlehre in der Heimatstadt Münster hatte der junge Rudolf Holtappel nicht beenden können, weil er in die Wehrmacht eingezogen wurde. Die Meisterprüfung konnte er erst 1950 ablegen – nach schwerer Verwundung im Zweiten Weltkrieg, langer Zeit im Lazarett, schließlich dem Studium an der „Höheren Lehranstalt für Lichtbildwesen“ in München, der ältesten Hochschule für Fotografie.

Prämiert: das andere Wirtschaftsfoto

Seit 1953 war der freie Bildjournalist vielfältig engagiert – darunter bis 1970 als Theaterfotograf für Oberhausens Städtische Bühnen. Auch für die Theater-Historie ist sein Nachlass also ein kostbarer Besitz.

Von den 1960ern bis in die ‘90er fotografierte Holtappel für Karstadt „Menschen im Kaufhaus“ – ein Schatz an Motiven, den Christine Vogt als Kuratorin zuletzt für die große Ausstellung „Let’s buy it! Kunst und Einkauf“ in der Ludwiggalerie gewitzt genutzt hatte.

Allzumenschliches sah Holtappel aber nicht nur beim Ansturm auf die Wühltische, sondern auch als Industriefotograf am Hochofen. Sprechender Beweis sind die ersten beiden Plätze 1976 beim Handelswettbewerb: „Das andere Wirtschaftsfoto“. Im Ankaufs-Bericht für den Kulturausschuss heißt es bündig: „Rudolf Holtappel ist der wohl wichtigste Oberhausener Fotograf des 20. Jahrhunderts.“